Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juni 2023, Az.: 14 W 44/23

Rechtsweg bei lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen wegen Verletzung von sozialrechtlichen Marktverhaltensregeln

Entscheidungen in Leitsätzen

SGB V 130a Abs. 1. § 131 Abs. 5; UWG § 3a

Leitsätze der Redaktion:

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet, wenn ein Pharmaunternehmen gegen einen Pharmahändler lauterkeitsrechtliche Ansprüche gemäß § 3a UWG wegen einer behaupteten Verletzung von Marktverhaltensregelungen geltend macht, auch wenn sich die Marktverhaltensregelungen aus sozialrechtlichen Vorschriften ableiten (hier: §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V).

 

Gründe

 

 I.

 

Streitgegenständlich sind Ansprüche der Klägerinnen auf einen Rückruf von Arzneimitteln, Auskunft und Schadensersatz.

 

Die Klägerin Ziffer 1 ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das onkologische Medikament N. ® (im Folgenden: Medikament) sowie der Unionsmarke … N. ®. Das Medikament ist in der EU gemäß VO 726/2004 zentral zugelassen.

 

Die Klägerin Ziffer 2, bei der es sich um eine Tochtergesellschaft der Klägerin Ziffer 1 handelt, vertreibt das Medikament in Deutschland, wobei sie mit dem Medikament einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich erzielt. Der Vertrieb erfolgt in sogenannten Multi-Country-Packs. Auf der Umverpackung ist die pharmazeutische Zentralnummer (PZN) der Klägerin Ziff. 2 angebracht.

 

Der Beklagte hat sich als Pharmagroßhändler auf den Handel mit onkologischen Präparaten spezialisiert. Er erwarb Packungen des Medikaments in Österreich, wo sie zu einem niedrigeren Preis gehandelt werden als in Deutschland. Die so vom Beklagten erworbenen Packungen veräußerte er an deutsche Abnehmer. Diese veräußerten das Medikament ihrerseits auf dem deutschen Markt weiter. Ein Hinweis auf die Beteiligung des Beklagten am Vertrieb kann den – unverändert gebliebenen – Umverpackungen nicht entnommen werden.

 

Beim Vertrieb des Medikaments in Deutschland erhalten die Krankenkassen gemäß § 130a Abs. 1 SGB V von den Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Packungen einen Abschlag in Höhe von 7 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (ohne Umsatzsteuer). Die Klägerin Ziffer 2 ist als pharmazeutischer Unternehmer gemäß § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V verpflichtet, den Apotheken den gegenüber den Krankenkassen gewährten Abschlag zu erstatten. Die Abrechnung der Apotheken gegenüber dem Pharmaunternehmen erfolgt hierbei auf Grundlage der auf den Umverpackungen des Medikaments angegebenen pharmazeutischen Zentralnummern.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 02.07.2021 ließ die Klägerin Ziffer 2 den Beklagten auffordern, das Medikament zukünftig nicht mehr zu vertreiben, ohne den Parallelvertrieb zuvor bei der EMA (European Medicines Agency = Europäische Arzneimittelagentur) zu notifizieren und seinen Namen und seine Tätigkeit als Parallelvertreiber auf den Umverpackungen anzugeben. Eine entsprechende Unterlassungserklärung wurde vom Beklagten für die Zukunft abgegeben. Die Übernahme einer Rückrufverpflichtung für das Medikament für in der Vergangenheit vom Beklagten veräußerte Medikamente wurde von ihm jedoch abgelehnt.

 

Unter dem 03.03.2022 haben die Klägerinnen beim Landgericht Hamburg Klage erhoben, wobei das Landgericht Hamburg den Rechtsstreit mit Beschluss vom 09.09.2022, auf den Bezug genommen wird, an das Landgericht Konstanz verwiesen hat.

 

Die Klägerinnen beantragen:

 

I. Der Beklagte wird verurteilt, diejenigen von ihm bereits ausgelieferten und noch im geschäftlichen Verkehr befindlichen Präparate des Arzneimittels N. ® gegenüber gewerblichen Abnehmern zurückzurufen, die von dem Beklagten von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken verbracht wurden, ohne dass

 

1. im Voraus eine Anzeige an die Klägerin Ziffer 1 und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vorgenommen wurde,

 

2. der Beklagte als Parallelvertreiber auf der Umverpackung des Produktes genannt wird und

 

3. die Pharmazentralnummer der Klägerin Ziffer 2 unkenntlich gemacht worden ist und eine eigene Pharmazentralnummer des Beklagten auf den Umverpackungen des Präparats N. ® angebracht worden ist;

 

II. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen schriftlich in einer geordneten, aufgeschlüsselt nach Packungsgröße und nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen über die Anzahl des von dem Beklagten in Deutschland in den Verkehr gebrachten Arzneimittels N. ® enthaltenden Aufstellung darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte Präparate des Arzneimittels N. ® von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken verbracht und/ oder verkauft hat, ohne dass für die jeweiligen Präparate die unter Ziffer I. Nr. 1 bis 3 bezeichneten Handlungen vorgenommen wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind;

 

III. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen € 3.247,90 zzgl. der Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

 

IV. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die in Ziffer II. bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder zukünftig noch entstehen wird.

 

Hilfsweise beantragen die Klägerinnen für den Fall, dass die Kammer zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Stade (Urteil vom 23. November 2022 – 6 A 1948/18) zutreffend seien und es angesichts einer Pflicht des Beklagten zur Vorabanzeige des Arzneimittelvertriebs von Österreich nach Deutschland gegenüber der EMA und zur Ersetzung der PZN der Klägerin Ziffer 2 durch eine eigene PZN nicht noch zusätzlich erforderlich sei, den Beklagten auch als Parallelvertreiber auf der Umverpackung der streitgegenständlichen Produkte zu nennen:

 

I.a Der Beklagte wird verurteilt, diejenigen von ihm bereits ausgelieferten und noch im geschäftlichen Verkehr befindlichen Präparate des Arzneimittels N. ® gegenüber gewerblichen Abnehmern zurückzurufen, die von dem Beklagten von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken verbracht wurden, ohne dass

 

1. im Voraus eine Anzeige an die Klägerin Ziffer 1 und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vorgenommen wurde und

 

2. die Pharmazentralnummer der Klägerin Ziffer 2 unkenntlich gemacht worden ist und eine eigene Pharmazentralnummer des Beklagten auf den Umverpackungen des Präparats N. ® angebracht worden ist;

 

II.a Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen schriftlich in einer geordneten, aufgeschlüsselt nach Packungsgröße und nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen über die Anzahl des von dem Beklagten in Deutschland in den Verkehr gebrachten Arzneimittels N. ® enthaltenden Aufstellung darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte Präparate des Arzneimittels N. ® von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken verbracht und/ oder verkauft hat, ohne dass für die jeweiligen Präparate die unter Ziffer I.a. Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen vorgenommen wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind;

 

III.a Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die in Ziffer II.a bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder zukünftig noch entstehen wird.

 

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen;

 

und hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte verurteilt wird, im Wege einer Hilfswiderklage:

 

Die Klägerin Ziffer 2 wird verurteilt, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Präparate des Arzneimittels N. ® in Deutschland in den Verkehr zu bringen, sofern sie auf der Sekundärverpackung nicht als pharmazeutische Unternehmerin genannt wird.

 

Die Klägerin Ziffer 2 beantragt,

 

die (Hilfs-)Widerklage abzuweisen.

 

Der Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Zivilgerichten gerügt.

 

Mit Beschluss vom 25.04.2023, auf den Bezug genommen wird, hat das Landgericht Konstanz den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

 

Gegen diesen, dem Beklagten am 27.04.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 08.05.2023.

 

Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten vorliegend nicht eröffnet. Die Sozialgerichte seien zuständig. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Entscheidung berufen, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen würden. Eine Beschränkung dergestalt, dass § 51 SGG nur dann greife, wenn eine SGB V Norm „unmittelbar“ der Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen diene, gebe es nicht. Das Landgericht beschränke durch seine Interpretation den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 2 SGG contra legem. Der Gesetzgeber habe die bewusste Entscheidung dafür getroffen, dass § 51 Abs. 2 SGG weit zu verstehen sei und durch die Einbeziehung Dritter gerade auch Normen, die nur mittelbar der Erfüllung der Angelegenheiten der Krankenkassen dienten, der Sozialgerichtsbarkeit zugeordnet würden. Tatsächlich dienten die relevanten Normen der Erfüllung der Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung und die Klägerinnen stützten ihre vermeintlichen Ansprüche nicht ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliege.

 

Vielmehr seien auch Vorschriften aus dem SGB V maßgeblich für die geltend gemachten Ansprüche, weshalb die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift verwiesen.

 

Die Klägerinnen sind der sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 23.05.2023, auf den verwiesen wird, entgegen getreten.

 

Mit Beschluss vom 25.05.2023, auf den Bezug genommen wird, hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

II.

 

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und insbesondere gemäß § 567 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

 

Das Landgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

 

1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten ist deshalb entscheidend, ob es sich um eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Nicht von Bedeutung ist nach der Bestimmung des § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG, ob die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist. Von einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung ist auszugehen, wenn der Gegenstand des Streits Maßnahmen betrifft, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen. Wird der wettbewerbsrechtliche Anspruch dagegen nicht auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB V, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen gestützt, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt, handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 – I ZB 7/11, Rn. 8 – 10, juris; vgl. auch Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand: 09.06.2023, § 51 Rn. 142, juris).

 

Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich mithin nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, das heißt durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Lebenssachverhalts festgelegt. Da nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG Streitigkeiten unabhängig davon, ob sie nach den vorliegenden Gegebenheiten zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind, immer dann schon den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind, wenn von einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen ist, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wesentlich von Bestimmungen des Zivilrechts oder des SGB V geprägt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 21.07.2016 – B 3 SF 1/16 R, Rn. 8, beck-online).

 

Nach Wortlaut und Sinn des § 17a GVG ist eine Verweisung nur dann geboten und zulässig, wenn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten schlechthin, das heißt für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist; ist dagegen bei mehrfacher – auch bei mehrfacher rechtlich und tatsächlich selbständiger – Begründung des einen Klageanspruchs der ordentliche Rechtsweg hinsichtlich eines der konkurrierenden Klagegründe zulässig und nur hinsichtlich eines weiteren Klagegrundes unzulässig, so ist eine Verweisung an das für den weiteren Klagegrund zuständige Gericht nicht statthaft (BGH, Urteil vom 05.07.1990 – III ZR 166/89, Rn. 17, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27.09.2013 – 3 U 56/11, Rn. 169, juris).

 

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Das bedeutet, dass das für eine Anspruchsgrundlage zuständige Gericht auch über solche Anspruchsgrundlagen entscheidet, die für sich allein die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründen würden (st. Rspr., vgl. nur BSG, Beschluss vom 29.09.1994 – 3 BS 2/93, NJW 1995, 1575, beck-online). Ziel der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 2 GVG ist es, in den Fällen, in denen ein einheitlicher prozessualer Anspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete (auch tatsächlich und rechtlich selbständige) Anspruchsgrundlagen gestützt wird, das angerufene Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe zu verpflichten, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist, wobei jedoch offensichtlich nicht gegebene Anspruchsgrundlagen außer Betracht bleiben (Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 17 GVG, Rn. 7, beck-online).

 

Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit gesondert zu prüfen. Ist der beschrittene Rechtsweg für einen der prozessualen Ansprüche nicht eröffnet, hat eine Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO mit anschließender Teilverweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu erfolgen (BGH, Beschluss vom 09.01.2023 – VI ZB 80/20, Rn. 24, beck-online).

 

2. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Denn der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt ist für die aus ihm hergeleiteten Rechtsfolgen wesentlich von Bestimmungen des Zivilrechts geprägt. Eine (teilweise) Verweisung an das Sozialgericht kommt nicht in Betracht.

 

a) Die Klägerinnen stützen ihre Ansprüche ausweislich der Klageschrift darauf, dass der Beklagte als Importeur verpflichtet sei, den Parallelvertrieb des aus Österreich importierten zentral zugelassenen Medikaments bei der EMA zu notifizieren und auch die Zulassungsinhaberin – die Klägerin Ziffer 1 – entsprechend vorab zu informieren, § 67 Abs. 7 AMG, Art. 76 Abs. 3 RL 2001/83/EG.

 

Da dies nicht geschehen sei, begründe sich der geltend gemachte Anspruch zu I. (Rückruf) nach § 3a UWG i.V.m. § 67 Abs. 7 AMG, Art. 76 Abs. 3 RL 2001/83/EG. Indem es der Beklagte weiter unterlassen habe, sich auf der Produktverpackung des Medikaments als Parallelvertreiber auszuweisen, verstoße er ferner gegen §§ 3, 8 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, Artt. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG sowie gegen §§ 3, 8 Abs. 1, 5 UWG i.V.m. § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG. Der Beklagte sei vorliegend gemäß §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.V.m. Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG verpflichtet, seinen Namen und seine Tätigkeit als Parallelvertreiber auf den Umverpackungen des streitgegenständlichen Arzneimittels anzugeben. Das Vorgehen des Beklagten verstoße gegen § 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, der eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG darstelle. Zudem erweise sich das Vorgehen des Beklagten als irreführend i.S.v. § 5 UWG. Indem es der Beklagte unterlasse, auf der Produktverpackung des Medikaments die Pharmazentralnummer der Klägerin Ziffer 2 unkenntlich zu machen und dort eine eigene Pharmazentralnummer anzubringen, verstoße er gegen §§ 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V sowie gegen §§ 3, 8 Abs. 1, 5 UWG i.V.m. 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG.

 

Der Klageantrag zu Ziffer II. (Auskunftsantrag) sei gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Artt. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG, § 242 BGB sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG i.V.m. § 8 Abs.1 Nr, 2 AMG, § 242 BGB begründet.

 

Der Klageantrag zu Ziffer III. (Kostenerstattungsanspruch) sei gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bzw. §§ 677, 683, 670 BGB i.V.m. §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Artt. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG i.V.m. § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG begründet.

 

Der Klageantrag Ziffer IV. (Schadensersatzfeststellungsantrag) finde seine Grundlage in den §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Artt. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG sowie in den §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG i.V.m. § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG, § 256 ZPO.

 

b) Die Klägerinnen leiten demgemäß die geltend gemachten Ansprüche durchweg aus wettbewerbsrechtlichen Normen des Zivilrechts ab, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit ist daher nicht eröffnet.

 

aa) Eine (teilweise) sozialgerichtliche Zuständigkeit käme – wie dargelegt – von vorneherein nur in Betracht, soweit ein geltend gemachter Anspruch der Klägerinnen (ausschließlich) Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG betreffen würde. Dies wäre hier nur der Fall, als ein Verstoß des Beklagten gegen die §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 3, 300 Abs. 1 Satz 1 SGB V behauptet wird, mithin soweit die Klägerinnen ihren Rückrufanspruch (und die aus dem behaupteten Wettbewerbsverstoß hergeleiteten Sekundäransprüche) auf einen Verstoß gegen die behauptete Pflicht zur Unkenntlichmachung der Pharmazentralnummer der Klägerin Ziffer 2 und zur Anbringung einer eigenen Pharmazentralnummer des Beklagten stützen.

 

bb) Zwar wird der Verstoß gegen § 3a UWG (auch) aus einem behaupteten Verstoß gegen die §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V und die sich hieraus für die Marktteilnehmer ergebenden Pflichten hergeleitet; damit betrifft der Gegenstand des Streits aber gerade keine Maßnahmen, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen. Bei den §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V handelt es sich nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vielmehr (auch) um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG (OLG Hamburg Urteil vom 19.11.2020 – 3 U 109/19, Rn. 69, beck-online; vgl. hierzu auch OLG Braunschweig Urteil vom 17.5.2018 – 2 U 54/15, Rn. 119, beck-online). Adressat der allgemeinen Marktverhaltensregelungen sind sämtliche Marktteilnehmer, eine Maßnahme, die unmittelbar der Erfüllung einer den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgabe dient, steht hier nicht in Streit.

 

cc) § 3a UWG ist vorliegend anwendbar. Zwar regelt § 69 SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern, auch soweit durch diese Rechtsbeziehungen die Rechte Dritter betroffen sind. Insoweit wäre die Anwendung von § 3a UWG ausgeschlossen. Allerdings erfasst § 69 SGB V ausschließlich die Rechtsbeziehungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen einerseits und der Erfüllung des übernommenen Versorgungsauftrags durch die Leistungserbringer andererseits stehen (OLG Stuttgart, Urteil vom 09.07.2015 – 2 U 83/14, MMR 2016, 117, Rn. 43 f., beck-online; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17.08.2011 – I ZB 7/11, GRUR 2012, 94, Rn. 11, beck-online). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor; ein rein wettbewerbsrechtlicher Streit zwischen pharmazeutischen Unternehmern fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 69 SGB V (BeckOGK/Krasney, SGB V, Stand: 15.02.2023, § 69 Rn. 14, beck-online).

 

dd) Ein auf § 3a UWG gestütztes lauterkeitsrechtliches Vorgehen ist im Übrigen grundsätzlich auch dann möglich, wenn die gesetzliche Vorschrift, deren Zuwiderhandlung gerügt wird, spezifische Rechtsfolgen für ihre Durchsetzung vorsieht. Selbst wenn also eine Klage vor einem anderen Gericht möglich wäre, um die Unterlassung einer Zuwiderhandlung durchzusetzen, würde dies einen Kläger nicht hindern, zugleich eine lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage zu erheben (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3a Rn. 1.33, beck-online).

 

c) Selbst wenn man den gerügten Verstoß gegen §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 3, 300 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Sozialrecht zuordnen wollte, käme eine (teilweise) Verweisung nicht in Betracht. Denn die Klägerinnen leiten die Pflicht zur Unkenntlichmachung der Pharmazentralnummer der Klägerin Ziffer 2 und zur Anbringung einer eigenen Pharmazentralnummer des Beklagten (auch) aus § 5 UWG iVm § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG her. Es läge demgemäß ein Fall vor, in dem ein einheitlicher prozessualer Anspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt wird. In einem solchen Fall hat – wie dargelegt – das für eine Anspruchsgrundlage zuständige Gericht gemäß § 17 Abs. 2 GVG auch über solche Anspruchsgrundlagen zu entscheiden, die für sich allein betrachtet die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründen würden.

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.1993 – V ZB 31/92, Rn. 17, juris).

 

Für den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist ein Bruchteil des Hauptsachestreitwerts anzusetzen, wobei der Senat hier 1/5 des klägerseits angegebenen Streitwerts zugrunde legt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1996 – III ZB 105/96, Rn. 18, juris).

 

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat der obergerichtlichen Rechtsprechung folgt.