2 Euro-Rabattcoupon für nicht preisgebundene Arzneimittel
Landgericht Berlin, Urteil vom 7. März 2017

Entscheidungen in Leitsätzen
Az. 15 O 324/16

UWG § 8 Abs. 1, § 3a; HWG § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a); ApoG § 10

 

1. Eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) HWG zulässige Zuwendung setzt nicht voraus, dass zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger eine direkte vertragliche Beziehung besteht.

 

2. Eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) HWG zulässige Zuwendung ist nicht zusätzlich an den Geringwertigkeitsgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG zu messen. Die einzelnen Ausnahmen des Zuwendungsverbots in § 7 HWG stehen selbstständig nebeneinander.

Tatbestand

Es handelt sich um die Hauptsache zu dem abschlägig beschiedenen einstweiligen Verfügungsverfahren 15 0 497/15.

 

Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband. Die Beklagte, eines seiner Mitglieder ist deutsche Tochtergesellschaft des international tätigen Pharmakonzerns P.. Sie vertreibt die Arzneimittel T. und V.

 

T. ist apothekenpflichtig; es enthält den Wirkstoff Felbinac und ist indiziert „zur Behandlung von Schmerzen bei akuten Zerrungen, Verstauchungen oder Prellungen im Bereich der Gliedmaßen infolge von Sport- und Unfallverletzungen; bei entzündlichen weich teilrheumatischen Erkrankungen wie Sehnenentzündungen, Sehnenscheidenentzündungen, Schleimbeutelentzündung“.

 

V. ist freiverkäuflich, wird von der Beklagten aber apothekenexklusiv vertrieben; es enthält Glutamin, DL-Phosphonoserein und Vitamin B 12 und wird traditionell angewendet zur Besserung des Allgemeinbefindens“.

 

Die Beklagte warb für beide Arzneimittel mit einer befristeten 2-Euro-Coupon-Aktion. Jedermann konnte auf den Webseiten der Beklagten je einen 2-Euro-Coupon herunterladen und selbst ausdrucken. Zudem waren diese Coupons in Apotheken erhältlich. Der Coupon konnte in allen in Deutschland an der Aktion teilnehmenden Apotheken beim Kauf einer Tube T. bzw. einer 4er-Packung V gegen eine Kaufpreisminderung um 2,- EUR eingelöst werden.

 

Der Apotheker konnte den eingelösten Coupon mittels eines Regulierungsformulars bei der Beklagten einreichen und erhielt von ihr den Gegenwert erstattet (wegen der „Information für Apotheker“‘ wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen).

 

Der Kläger sieht in der Aktion einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HWG und§ 10 ApoG.

 

Eine Abmahnung blieb vergeblich. Der Kläger misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu und beabsichtigt, diese einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

 

Der Kläger trägt vor:

 

§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG sei im Anwendungsbereich zu beschränken auf Fälle, in denen die Zuwendung unmittelbar vom Verkäufer an den Käufer geleistet werde, und nicht wie hier von Hersteller an Endverbraucher. Der Normwortlaut sei planwidrig zu weit; eine Konstellation wie diese hier habe der Gesetzgeber nicht im Blick gehabt. Im Rahmen der HWG-Anpassung als Folge der Aufhebung der ZugabeVO seien im Gesetzgebungsverfahren nur die Rabatte auf den Handelsstufen im Blick gewesen – und nur diese hätten privilegiert werden sollen, nicht aber deren Umgehung durch „Überspringen“. Rabatte hätten allein den Krankenkassen zugutekommen sollen.

 

Von einem Rabatt könnte begrifflich zudem nur bei einem Preisnachlass unter direkten Handelspartnern und bei Gewährung auf seinen eigenen Preis gesprochen werden. Hier gehe es aber um einen vom Apotheker nach § 78 Abs. 2 Satz 3 AMG eigenständig festgesetzten Preis. Der Kläger verweist insoweit auf die am Markt anzutreffenden Preisspannen beider Präparate (als Anlage K 14 + K 15: 7,75-14,23 EUR).

 

Die Einschränkung sei auch teleologisch geboten. Denn über Rabatt-Coupon wären sonst Schleuderpreise möglich, die einem unreflektiertem Arzneimittelgebrauch (= Zuviel- und Fehlgebrauch) Vorschub leisteten und nach § 7 HWG eine gerade zu vermeidende unsachliche Beeinflussung des Endverbrauchers bewirke.

 

Zwei Gutscheine à 2,- EUR seien auch keine geringwertige Kleinigkeit. Die Grenze liege nach BGH GRUR 2010, 113 – Bonuspunkte – bei 1,- EUR. Die 5-Euro-Grenze im Fall BGH GRUR 2015, 813 – Fahrdienst zur Augenklinik – beruhe auf einem völlig anderen Sachverhalt (kostenloser Fahrdienst vor und nach einer Augen-OP) und sei auch in der Begründung zweifelhaft. Vorliegend gehe es um einen Preisvorteil zwischen 1/4 bis 1/7 des Apothekenabgabepreises.

 

Durch den Rabatt werde der Verbraucher überhaupt erst zur Entscheidung über den Erwerb veranlasst. Mit der festen Erwerbsabsicht werde der Apotheker den Verbraucher nicht umstimmen können, stattdessen ein anderes, besser geeignetes Arzneimittel zu erwerben. Damit werde das gesetzliche Beratungskonzept konterkariert.

 

Die Beklagte beteilige sich an dem Wettbewerbsverstoß des Apothekers, indem sie die Spielregel bestimme. Ein Verstoß gegen § 10 ApoG liege darin, dass die Aktion ohne Mitwirkung des Apothekers nicht möglich sei, der erhebliche Vorleistungen (wie BI. 21 u.a. Abrechnung über Subunternehmer) erbringen müsse. Da der Apotheker dafür „voll vergütet“ werde, werde dessen Arzneimittelauswahl eingeschränkt und von ihm jene Arzneimittel bevorzugt abgegeben. Zudem entstehe beim Verbraucher der Eindruck, dass der teilnehmende Apotheker das Arzneimittel für gut befunden habe, da er sonst an der Aktion nicht teilnehmen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, da er in Wahrheit für seine Teilnahme an der Aktion bezahlt werde. Seine Teilnahme wiederum gefährde die Unabhängigkeit des Apothekers bei den pharmakologischen Entscheidungen. Denn er sei – nach den Teilnahmebedingungen, und „damit die Aktion überhaupt funktionieren kann“ – verpflichtet, bei Vorlage des Gutscheins das Arzneimittel auf jeden Fall abzugeben. Nach der Lebenserfahrung werde die Beklagte dem Apotheker im Gegenzug für seinen Aufwand einen entsprechenden geldwerten Vorteil zugesagt haben.

 

Er beantragt zuletzt,

 

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

 

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel T. und/oder V. mit einer 2-Euro-Coupon-Aktion zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies wie folgt (von einer Abbildung wird vorliegend abgesehen)

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie negiert den Anspruch unter Bezugnahme auf die abschlägigen Entscheidungen im Eilverfahren. Es handele sich um einen klassischen, vom Gesetzgeber gewollten Rabatt-Fall, in dem der Verkäufer (Apotheker) dem Käufer (Verbraucher) einen Preisnachlass gewähre. Derartige Coupon-Aktionen seien dem Verbraucher aus dem täglichen Leben, etwa im Lebensmitteleinzelhandel, bekannt. Dem Apotheker stehe es frei, an der Aktion teilzunehmen. Nach der Entscheidung des EuGH – DocMorris, Deutsche Parkinson Vereinigung – (GRUA 2016, 1312) stellt eine Einschränkung der Preisgestaltungsfreiheit zugleich eine Verletzung von Art. 34 AEUV dar.

 

Die Akten des einstweiligen Verfügungsverfahrens – 15 0 497/15 = 5 W 279/15 (Kammergericht) – lagen Parteien und Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

Die Kammer hält auch angesichts des weiteren Parteivorbringens an ihrer bereits in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren geäußerten Ansicht fest, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, §§ 3 Abs. 1, 3a UWG, und zwar weder in Verbindung mit§ 7 Abs. 1 Satz 1 HWG noch in Verbindung mit § 10 ApoG, nicht zusteht, weil die Beklagte mit ihrer 2-Euro-Coupon-Werbeaktion nicht diese Vorschriften verletzt.

 

Zur Begründung wird vollinhaltlich auf die Beschwerdeentscheidung des Kammergerichts Bezug genommen, in der ausgeführt ist (Kläger= Antragsteller; Beklagte= Antragsgegnerin):

 

„1.

 

Die Antragsgegnerin hat nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG, wonach die Gewährung von Zuwendungen unzulässig ist, verstoßen, weil hier der Ausnahmefall des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) HWG greift. Nach dieser Vorschrift sind Zuwendungen, die in einem bestimmten Geldbetrag (Nr. 2a 1. Alternative) gewährt werden, zulässig, soweit sie nicht den Preisvorschriften entgegen stehen, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Die Voraussetzungen des Ausnahmefalles sind hier gegeben.

 

a.

 

Die Aktion der Antragsgegnerin betraf einen bestimmten Geldbetrag, nämlich 2 Euro, die dem Verbraucher bei Vorlage des Coupons in einer teilnehmenden Apotheke auf den Preis des erworbenen Arzneimittels angerechnet wurden. Der Coupon verkörpert diesen Wert.

 

b.

 

Dieser Geldbetrag sollte dem Verbraucher von der Antragsgegnerin auch im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) HWG gewährt werden. Die Antragsgegnerin versprach etwas, was sich dem Verbraucher als Rabatt darstellte, tatsächlich aber in der Bezuschussung des Kaufs des von ihr hergestellten Produktes bestand. Darauf, dass zwischen dem Verbraucher und der Antragsgegnerin keine vertragliche Beziehung bestand, innerhalb derer sich die Aktion als ein von der Antragsgegnerin unmittelbar gewährter Rabatt auf einen von ihr geforderten Preis hätte darstellen können, kommt es nicht an. Der Begriff des „Rabatts“ wird in der Vorschrift nicht verwendet. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 1133 – Bonuspunkte; BGH GRUR 2010, 1136 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE) gibt keine Veranlassung, die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) HWG auf die vorliegende Gestaltung nicht für anwendbar zu erachten. Wenn die den zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Gutschein- bzw. Bonuspunktesysteme ausschließlich an der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG (Zuwendungen von geringem Wert) gemessen·worden sind, so ist dies damit zu erklären, dass eine Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.a) HWG angesichts der Tatsache, dass dort der Vorteil beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten gewährt und daher gegen Preisvorschriften verstoßen wurde, von vorne herein nicht in Betracht kam (vgl. auch OLG Bamberg GRUR-RR 2014, 89, Tz. 39 in Juris).

 

c.

 

Ein Verstoß gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes liegt angesichts der Tatsache, dass die betroffenen Produkte nicht verschreibungspflichtig sind, nicht vor. Dies wird auch von dem Antragsteller nicht geltend gemacht.

 

d.

 

Die Gesetzessystematik gibt. keine Veranlassung, die Maßnahme darüber hinaus auch an der Geringwertigkeitsgrenze des § 7 Abs. 1 Seite 1 Nr. 1 HWG zu prüfen. Die einzelnen Ausnahmen stehen selbständig nebeneinander.

 

2.

 

Die Antragsgegnerin hat auch nicht gegen § 10 ApoG verstoßen bzw. sich an einem entsprechenden Verstoß der teilnehmenden Apotheken beteiligt. Nach dieser Vorschrift darf der Erlaubnisinhaber sich nicht dazu verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller oder Händler oder von Gruppen von solchen zu beschränken. Dass durch die angegriffene 2-Euro-Coupon-Aktion eine derartige Verpflichtung für die teilnehmenden Apotheken begründet würde, ist nicht dargetan. Ein Verbraucher, der den Coupon vorlegt, hat die Apotheke bereits in der Absicht betreten, ein bestimmtes Produkt zu erwerben, ohne dass der Apotheker diese l:ntscheidung beeinflusst hat. Darüber hinaus hindert eine etwaige Verpflichtung zur Akzeptanz des Coupons den Apotheker nicht daran, den Verbraucher auf alternative Produkte aufmerksam zu machen. Dass es zwischen der Antragsgegnerin und teilnehmenden Apotheken eine Vereinbarung gäbe, aufgrund derer die Antragsgegnerin den Apothekern eine Vergütung für die Entgegennahme der Coupons zahlte, die nicht lediglich den administrativen Aufwand abgilt, sondern den Apothekern einen Anreiz für den bevorzugten Verkauf der Produkte der Antragsgegnerin gibt, hat der Antragsteller nicht dargetan. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Entgegennahme einer solchen Vergütung Im Hinblick auf § 10 ApoG zu untersagen wäre.“

 

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Satz 1, 2 ZPO.