Behördliche Maßnahmen bei fehlender Großhandelserlaubnis
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2016

Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 13 B 1137/15
MG § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, § 52a; Richtlinie 2001/83/EG  Art. 77

Leitsätze des Gerichts:

§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG normiert einen abstrakten Gefährdungstatbestand, der vorliegt, wenn Großhandel mit Arzneimitteln ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 52a AMG oder nach der auf Art. 77 der Richtlinie 2001/83/EG beruhenden nationalen Vorschrift eines anderen EU-Mitgliedstaates erfolgt. Das Vorliegen auch einer konkreten Gefahr für die Arzneimittelsicherheit ist kein Tatbestandsmerkmal. Das Fehlen einer solchen ist erst im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen; der Nachweis obliegt dem Adressaten der Verfügung.

 

Ein Tätigwerden ist nicht nur gegenüber dem Großhändler ohne erforderliche Erlaubnis möglich, sondern gegenüber jedem innerhalb der Lieferkette. Der ohne erforderliche Erlaubnis bzw. Genehmigung Handelnde kann auch in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig sein.

 

Mögliche Maßnahme beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG ist (auch) die Untersagung des Inverkehrbringens von Arzneimitteln.

Zum Sachverhalt

Die Antragstellerin bezog 2014 mit der erforderlichen Herstellungs- und Großhandelserlaubnis Arzneimittel von einem rumänischen Großhändler, der sie von anderen rumänischen Großhändlern erworben hatte. Diese Großhändler hatten die Arzneimittel von Apotheken ohne erforderliche Großhandelserlaubnis erhalten. Aus dieser Lieferkette stammend waren 2014 in drei Fällen (äußerlich erkennbare) Fälschungen von Arzneimitteln entdeckt worden. Auf Aufforderung ihres Lieferanten, die nach der Rücknahmeanordnung der zuständigen rumänischen Behörde erfolgte, nahm die Antragstellerin den entsprechenden Warenbestand in Quarantäne. Am 19.1.2015 beantragte die Antragstellerin die Freigabe der gesperrten Waren. Sie hatte bei einer Überprüfung sämtlicher betroffener Arzneimittel keine äußerlich erkennbaren Manipulationen und Abweichungen festgestellt. Mit Bescheid vom 22.4.2015 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin daraufhin das Inverkehrbringen der in Quarantäne befindlichen Arzneimittel, ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro für jede in den Verkehr gebrachte Packung an. Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin Klage. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das VG lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

 

Das VG hat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht nur auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Klage abgestellt. Vielmehr hat es selbstständig tragend angenommen, dass auch die von den Erfolgsaussichten gelöste, allgemeine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfällt. Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht, die sich allein mit dem ersten Begründungsansatz auseinandersetzt.

 

Ferner spricht bei summarischer Prüfung Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin.

 

Die Einwände gegen die Annahme des VG, sie könne auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 i. V. m. § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG gestützt werden, greifen nicht durch.

 

Danach können die zuständigen Behörden u. a. das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn nicht die erforderliche Erlaubnis zum Betrieb eines Großhandels nach § 52a AMG vorliegt. Zu Recht hat das VG angenommen, dass der Tatbestand des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG bereits dann erfüllt ist, wenn irgendjemand im Rahmen eines häufig über mehrere Großhändler erfolgenden Arzneimittelvertriebs keine Erlaubnis zum Betrieb eines Großhandels hat, wobei der Großhändler ohne die entsprechende Erlaubnis auch in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig sein kann. Das ergibt sich aus der Auslegung der Norm unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften, insbesondere der Richtlinie 2001/83/EG in der aktuellen Fassung. Eine Einschränkung im Sinne des Antragsvorbringens, nämlich dass die Genehmigung entweder bei demjenigen fehlen muss, gegen den eingeschritten werden soll, oder aber bei dem Großhändler, von dem er (unmittelbar) erworben hat, ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung zu entnehmen und wäre im Übrigen auch nicht unionsrechtskonform.

 

Der Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG knüpft lediglich an die fehlende Erlaubnis zum Betreiben eines Großhandels nach § 52a AMG an. An welcher Stelle einer Vertriebskette die Erlaubnis fehlen muss, ergibt sich hieraus nicht. Dass – wie die Antragstellerin meint – ferner nur Maßnahmen gestattet sind, die sich gegen die ohne Erlaubnis vorgenommenen Vertriebshandlungen richten, also einerseits die Auferlegung eines Rückrufs gegenüber dem Großhändler ohne Genehmigung und anderseits ein Bezugsverbot gegenüber dem unmittelbaren Abnehmer, widerspricht bereits dem insoweit klaren Wortlaut der Norm. Diese gestattet der Behörde ausdrücklich auch die Untersagung des Inverkehrbringens.

 

Allerdings nimmt § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG mit § 52a AMG zunächst die (nur) nationale Regelung zur Großhandelserlaubnis in Bezug. Dies führt aber nicht dazu, dass nur dann die Ermächtigung zum Einschreiten gegeben ist, wenn die Erlaubnis in dem nationalen Teil der Vertriebskette fehlt. Der Sinn und Zweck der Norm i. V. m. den Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG gebietet es, auch eine fehlende Genehmigung zum Großhandel mit Arzneimitteln in anderen Mitgliedstaaten der EU einzubeziehen. Die §§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und 52a AMG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 1.12.2003, BTDrs. 15/2109 S. 1, 24, 34), die u. a. die Einführung einer Genehmigung zum Großhandel mit Arzneimitteln in allen Mitgliedstaaten der EU vorschreibt und die Voraussetzungen im Einzelnen regelt (Art. 77 ff.). Die Notwendigkeit der Einführung einer Genehmigung zum Großhandel mit Arzneimitteln in allen EU-Mitgliedstaaten unter einheitlichen Voraussetzungen wird darin gesehen, dass sich zahlreiche Vorgänge im Rahmen des Großhandelsvertriebs von Humanarzneimitteln gleichzeitig über mehrere Mitgliedstaaten erstrecken können. Zur Gewährleistung, dass Aufbewahrung, Transport und Handhabung der Arzneimittel unter angemessenen Bedingungen erfolgen, und zur Bekämpfung von Fälschungen muss das gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich einer Kontrolle zu unterliegen (vgl. Erwägungsgründe 34 und 35 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 70).

 

Aus diesen  Erwägungen in Verbindung mit den die Großhandelserlaubnis regelnden Normen der Richtlinie ergibt sich unzweifelhaft, dass – wie das VG zutreffend ausgeführt hat – insbesondere der Großhandel zwischen den Mitgliedstaaten geregelt werden sollte.

 

Mit der später erlassenen Richtlinie 2011/62/EU sind wegen des besorgniserregenden Anstiegs gefälschter Arzneimittel, die auch in die legalen Lieferketten gelangen und eine außerordentliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen (vgl. Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 2011/62/EU vom 8.6.2011, ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 74), u. a. die Anforderungen an den Großhandel mit Arzneimitteln nochmals erhöht worden (Änderungen der Art. 76, 80) und zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten sowie Sanktionen bei Verstößen eingeführt worden (Art. 117a, 118a). Dies geschah u. a. auch mit der Begründung, dass das Ziel der Richtlinie, das Funktionieren des Binnenmarktes für Arzneimittel zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vor gefälschten Arzneimitteln sicherzustellen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann (vgl. Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2011/62/EU, a. a. O., S. 77). Auch daraus ist ersichtlich, dass Regelungsgegenstand insbesondere der Großhandel zwischen den Mitgliedstaaten ist.

 

Mit Blick auf das Vorstehende entspricht § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG nur dann europarechtlichen Vorgaben, wenn das Fehlen einer Genehmigung im Sinne von Art. 77 der Richtlinie 2001/83/EG maßgeblich ist. Damit kann Anknüpfungspunkt für ein Einschreiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG auch eine fehlende Genehmigung nach der auf Art. 77 der Richtlinie 2001/83/EG beruhenden nationalen Vorschrift eines anderen EU-Mitgliedstaates sein.

 

Zutreffend und mit überzeugender Begründung geht das VG davon aus, dass § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG einen abstrakten Gefährdungstatbestand regelt und demzufolge der Tatbestand bereits dann erfüllt ist, wenn – wie im vorliegenden Fall – die erforderliche Großhandelserlaubnis in der Lieferkette fehlt. Des Nachweises einer konkreten Gesundheitsgefahr oder eines Gefahrenverdachts bedarf es deshalb nicht. Auf die entsprechenden Ausführungen des VG (Beschlussabdruck S. 14 f.) kann verwiesen werden (vgl. hierzu auch Bay. VGH, Beschluss vom 24.8.2009 – 9 CS 09.1023 -, juris Rdnr. 14 – zu § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG -; BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 – 3 C 8.10 -, juris, sowie Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 129. Akt.-Lief. 2015, § 69 Anm. 34 zu § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AMG; (beide ebenfalls als Gefährdungstatbestände normiert)).

 

Demzufolge musste auch die Behörde hier weder weitere Feststellungen zur möglichen Qualitätsminderung und zur möglichen Fälschung treffen noch musste sie diese belegen.

 

Die Untersagung des Inverkehrbringens der betreffenden Arzneimittel ist hier mögliche Maßnahme, die Antragsstellerin auch mögliche Adressatin.

 

Entgegen dem Beschwerdevorbringen widerspricht diese Auslegung von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG nicht (anderen) europarechtlichen Vorschriften und führt insbesondere nicht zu einer mit Art. 34, 36 AEUV unvereinbaren Beschränkung des freien Warenverkehrs. Aus der Gesetzessystematik, insbesondere den Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG zur Genehmigung zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Titel III – Art. 6 ff.) in Verbindung mit den in Art. 76 Abs. 1 dieser Richtlinie eingeräumten Befugnissen der Mitgliedstaaten für den Fall, dass die Genehmigung fehlt, lässt sich nicht die von der Antragstellerin aufgezeigte Folge ableiten, Maßnahmen gegen den Vertrieb von danach genehmigten Arzneimitteln seien nicht erlaubt. Im Gegenteil ermächtigt Art. 117 der Richtlinie 2001/83/EG die Mitgliedstaaten gerade auch unabhängig vom Vorliegen einer Genehmigung i. S. v. Art. 6 ff. der Richtlinie 2001/83/EG u. a. zum Untersagen des Inverkehrbringens von Arzneimitteln. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterschied zwischen der produktbezogenen Genehmigung des Inverkehrbringens von Arzneimitteln und der personenbezogenen Genehmigung zum Betrieb einer Arzneimittelgroßhandlung trägt nicht den daraus gezogenen Schluss, beim Fehlen der (personenbezogenen) Großhandelsgenehmigung seien produktbezogene Maßnahmen unzulässig. Das lässt sich weder aus der Systematik der Richtlinie noch des Arzneimittelgesetzes ableiten.

 

Die von der Antragstellerin geltend gemachte Einschränkung der möglichen Maßnahmen – auf einen Rückruf gegenüber dem handelnden Großhändler ohne Genehmigung und ein Bezugsverbot gegenüber demjenigen, der von einem solchen Händler Arzneimittel erwirbt – ergibt sich auch nicht aus der Begründung zur Einführung des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG. Dort heißt es: „In Analogie zu Nummer 6 muss die Anordnung zur Betriebsschließung bei Fehlen der Großhandelserlaubnis auch ohne konkrete Gefährdung der Bevölkerung zulässig sein, um den „grauen Arzneimittelmarkt“ einzudämmen.“ (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das 14. Änderungsgesetz vom 9.6.2005, BT-Drs. 15/5656, S. 11).

 

Hier ist zwar nur die Betriebsschließung aufgeführt. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber damit eine Einschränkung möglicher Maßnahmen verbinden wollte. Im Übrigen hätte eine solche Einschränkung im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Als Maßnahme beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG ist in der Norm ausdrücklich aufgeführt, dass die zuständige Behörde das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen kann.

 

Als mögliche Adressaten einer Untersagungsverfügung kommen nicht nur der Großhändler in Betracht, der ohne Genehmigung handelt, und derjenige, der seine Arzneimittel von einem Großhändler bezieht, der nicht über die erforderliche Genehmigung verfügt (so die Auffassung der Antragstellerin), sondern auch alle anderen Großhändler, die diesen in der Lieferkette nachfolgen, und damit auch die Antragstellerin. Sie hat die Arzneimittel von der über eine Großhandelserlaubnis verfügenden Fa. D. erworben, die diese von ebenfalls über eine Erlaubnis verfügenden rumänischen Großhändlern bezogen hat. Diese jedoch haben die Arzneimittel von – nicht zum Großhandel mit Arzneimitteln zugelassenen – Apotheken erhalten.

 

Eine solche Auslegung entspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben. Dies hat das VG unter Berufung auf die Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 2001/83/EG zutreffend ausgeführt. Ein wirksamer Gesundheitsschutz kann mit Blick darauf, dass der Handel mit Arzneimitteln oftmals über mehrere Großhändler in mehreren Mitgliedstaaten der EU abgewickelt wird, nur dann erreicht werden, wenn das Inverkehrbringen von Arzneimitteln nicht nur gegenüber demjenigen Großhändler untersagt werden kann, der über keine Erlaubnis verfügt, sondern gegenüber jedem Großhändler, der zu der Lieferkette gehört, in der ein Teilnehmer ohne erforderliche Erlaubnis agierte. Die Gefahr, dass Arzneimittel darunter sind, die aufgrund nicht ordnungsgemäßer Behandlung qualitätsgemindert sind, ändert sich nicht etwa dadurch, dass diese nunmehr (über mehrere Zwischenschritte) bei einem Großhändler angelangt sind, der über die entsprechende eigene Genehmigung verfügt und sie auch von einem Großhändler mit Genehmigung erworben hat. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Gefahr des Einschleusens gefälschter Arzneimittel. Allerdings ist die Annahme des VG unzutreffend, dass die aus dieser Lieferkette stammenden Arzneimittel nicht mehr verkehrsfähig sind. § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AMG normiert ‑ anders als etwa § 8 Abs. 2 oder § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG ‑ kein (gesetzliches) Verkehrsverbot für Arzneimittel. Das Verkehrsverbot ist erst Folge der (im Ermessen der Behörde stehenden) Untersagungsverfügung.

 

Mit ihrem weiteren Vorbringen zur Prüfung etwaiger Ermessensfehler und der Beachtung des Übermaßverbots durch das VG dringt die Antragstellerin ebenfalls nicht durch. Weder hat das VG über den Umweg der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Regelungskonzept von § 69 AMG in sein Gegenteil verkehrt, noch belegen die Ausführungen zum Fälschungsverdacht im Rahmen der Prüfung der Ermessensausübung ein grundlegendes Missverständnis der Normenkette (§ 69 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 52a AMG). § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG enthält abstrakte Gefährdungstatbestände (z.B. Nr. 1, 6 und 7), konkrete Gefährdungstatbestände (z.B. Nr. 2 und 3) sowie in Nr. 4 die Normierung eines Gefahrenverdachts. Während bei den konkreten Gefährdungstatbeständen die Behörde auf Tatbestandsebene die Gefahr nachweisen muss, dass das Arzneimittel nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist (Nr. 2) oder ihm die therapeutische Wirksamkeit fehlt (Nr. 3), reicht beim Gefahrenverdacht in Nr. 4 bereits der begründete Verdacht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Aber auch die Tatsachen, auf die sich der begründete Verdacht stützt, muss die Behörde feststellen und nachweisen. Bei den abstrakten Gefährdungstatbeständen, wie z. B. in Nr. 1, 6 und Nr. 7, erfordert der Tatbestand schließlich nicht (einmal) den Verdacht, dass von dem betreffenden Arzneimittel eine Gefahr ausgeht. Diese Systematik hat das VG beachtet, indem es die Tatbestandsvoraussetzungen bereits aufgrund der fehlenden Großhandelserlaubnis bei den rumänischen Apotheken bejahte. Allerdings räumt § 69 Abs. 1 AMG der Behörde Ermessen ein, so dass auf der Rechtsfolgeseite richtigerweise zu prüfen ist, ob die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei – insbesondere verhältnismäßig – ist.

 

Das könnte sie ausnahmsweise dann nicht sein, wenn von den sich in Quarantäne befindenden Arzneimitteln keinerlei Gefahren für die Arzneimittelsicherheit ausgingen. Dies müsste allerdings, wie das VG richtig feststellt, die Antragstellerin nachweisen. Unter Berücksichtigung des Vertriebswegs sowie der Tatsache, dass im Rahmen dieser Lieferkette bereits in drei Fällen gefälschte Arzneimittel entdeckt worden sind, kann weder ausgeschlossen werden, dass sich noch weitere gefälschte Arzneimittel darunter befinden, noch dass sich darunter qualitätsgeminderte Arzneimittel befinden. Die Schlussfolgerung der Antragstellerin, aufgrund der vorhandenen Fachkenntnisse hinsichtlich Lagerung und Transport bei den nicht zum Großhandel berechtigten Apotheken sei eine solche Qualitätsbeeinträchtigung ausgeschlossen, ist unzutreffend. Sowohl die Apotheken als auch die daran in der Lieferkette anschließenden Großhändler haben sich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewusst über geltendes Recht hinweggesetzt. Schon deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch andere arzneimittelrechtliche Vorschriften – etwa solche zur Lagerung und zum Transport – missachtet haben. Im Übrigen steht nach den vorliegenden Unterlagen – wie das VG ausführt – nicht einmal die Lieferkette fest. U. a. ist immer noch unklar, von wem die Apotheken die Arzneimittel bezogen haben. Daher kann auch die Beteiligung weiterer Dritter an der Lieferkette ohne erforderliche Großhandelsgenehmigung nicht ausgeschlossen werden – auch nicht, dass diese gerade keine entsprechenden Fachkenntnisse haben. Im Übrigen reichen die Anforderungen an den Betrieb eines Großhandels über die eines Apothekenbetriebs hinaus, vgl. § 52a Abs. 2 AMG. Durch die erforderlichen Räumlichkeiten, Anlagen und Einrichtungen, sachverständige Personen sowie über das in den Leitlinien vom 7.3.2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzeimitteln (ABL C 343, 1 ff.) geregelte verpflichtende Qualitätssicherungssystem in Verbindung mit der behördlichen Überwachung wird die Qualität und Unversehrtheit des gelieferten Produkts gewährleistet.

 

Die von der Antragstellerin durchgeführten äußerlichen Überprüfungen sind – wie bereits das VG zutreffend ausgeführt hat – nicht ausreichend. Sie können weder belegen, dass sich unter den Arzneimitteln nicht solche befinden, die hinsichtlich der Zusammensetzung gefälscht sind noch solche mit beachtlichen Qualitätsminderungen. Beides ist nur zuverlässig auszuschließen, wenn eine Inhaltsanalyse jedes einzelnen Arzneimittels durchgeführt wird, womit es aber gleichzeitig unbrauchbar gemacht wird.