Abrechnung von Vitaminspritzen nach der Hilfstaxe
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2017

Entscheidungen in Leitsätzen
Az. L 4 KR 3408/15

AMPreisVO § 5 Abs. Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 5; Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (Hilfstaxe)

Leitsätze der Redaktion:

Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen und Abwägungen lässt.

 

Für in Apotheken hergestellte parenterale Lösungen gelten die Regelungen des zwischen Deutschem Apothekerverband und Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbarten Vertrags über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen – §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung (Hilfstaxe).

 

Auch in Apotheken hergestellte Vitaminspritzen, die subkutan injiziert werden, sind nach der Hilfstaxe zu berechnen. Die vertraglichen Bestimmungen beschränken sich nicht auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln, sondern erfassen alle parenteralen Lösungen, die individuell hergestellt werden.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Rezepturzuschlags für von der Klägerin hergestellte Vitaminspritzen.

 

Die Klägerin ist Apothekerin und betreibt eine Apotheke. Sie ist Mitglied des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg sowie im Besitz einer Versandhandelserlaubnis. Sie stellt Vitaminspritzen aus den fettlöslichen Vitaminen A, D3, E und K1 her. Bei der Herstellung verwendet sie keine Fertigarzneimittel. Eine Applikation hat ein Volumen von 1 ml. Sie versendet die Spritzen bundesweit. Auf ihrer Homepage informiert die Klägerin ihre Kunden über diese Vitaminspritzen. Die Vitaminspritzen entsprächen den ehemaligen „ADEK- Ampullen“ der Firma F., die nicht mehr im Handel erhältlich seien. Sie stelle die Spritzen individuell entsprechend der ärztlichen Verordnung her. Als Beispiel ist die Dosierung „nach ADEK-Falk“ angegeben:

 

Vitamin A 100.000 IE (=Internationale Einheit)

 

Vitamin D3 10.000 IE

 

Vitamin E 100 IE

 

Vitamin K1 10 mg

 

Trägerlösung ad.1 ml

 

Die bei der Beklagten krankenversicherte E. T. (T.) leidet an einer Magenresektion, Pankreatektomie und pankreoprivem Diabetes mellitus. Internist Dr. M. verordnete ihr unter dem 3. Juni 2009 und 8. September 2009 jeweils 3 Fertigspritzen der oben genannten Zusammensetzung. Für die Herstellung und Abgabe der Vitaminspritzen rechnete die Klägerin bei der Beklagten € 145,29 (Verordnung vom 3. Juni 2009) und € 145,30 (Verordnung vom 8. September 2009) ab. Der Berechnung legte sie Anlage 3 („Preisbildung für bestimmte Rezepturen“, in der ab dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung) des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen auf der Grundlage von §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) in der Fassung vom 15. April 1998, gültig ab

 

1. Februar 1999 (im Folgenden „Vertrag zur Hilfstaxe“) zugrunde. Der Rechnungsbetrag setzte sich aus den Nettoapothekeneinkaufspreisen für die verwendeten Substanzen und Materialien (Einmalspritze, Verschlusskonen), dem Zuschlag nach Ziff. 1.5 Buchst. e der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe für sonstige Lösungen in Höhe von € 40,00 pro applikationsfertiger Einheit (3 Spritzen x € 40,00 = € 120,00) sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % zusammen. Sie brachte bei der Verordnung vom 3. Juni 2009 eine Zuzahlung in Höhe von insgesamt € 10,00 zum Ansatz.

 

Unter dem 26. Januar 2010 verordnete Dr. M. seiner Patienten T. weitere 3 Fertigspritzen der genannten Zusammensetzung. Für die Herstellung und Abgabe der Vitaminspritzen rechnete die Klägerin bei der Beklagten einen Betrag von € 193,82 ab. Der Berechnung lag der ab dem 1. Oktober 2009 geltende Vertrag zur Hilfstaxe für Apotheken zugrunde, der in Anlage 3 die Preisbildung für parenterale Lösungen, gültig ab 1. Januar 2010, regelte. Der Rechnungsbetrag enthielt den Zuschlag nach Teil 7 Ziff. 6 der Anlage 3 „für die Herstellung sonstiger parenteraler Lösungen“ in Höhe von € 54,00 pro applikationsfertiger Einheit (3 Spritzen x € 54,00 = € 162,00).

 

10 Fertigspritzen derselben Zusammensetzung verordnete die hausärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. S. der bei der Beklagten versicherten E. K. (K.) unter dem 29. Januar 2010 zur Vitaminsubstitution. Hierfür rechnete die Klägerin insgesamt € 646,07 ab. In diesem Betrag war ebenfalls der Zuschlag nach Teil 7 Ziff. 6 der ab 1. Januar 2010 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe in Höhe von € 54,00 pro applikationsfertiger Einheit (10 Spritzen x€ 54,00 = € 540,00) enthalten. Sie brachte Zuzahlungen in Höhe von insgesamt € 10,00 zum Ansatz.

 

Die Beklagte zahlte zunächst die in Rechnung gestellten Beträge. Mit Schreiben vom 11. August 2010 beanstandete die Beklagte die Abrechnungen und machte eine Rückforderung in Höhe von insgesamt € 1.004,48 geltend (Taxdifferenz von € 959,48 und fehlende Zuzahlungen von € 45,00). Die Taxdifferenz errechnete die Beklagte unter Streichung der Zuschläge nach Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe. Stattdessen legte sie der Preisberechnung den Rezepturzuschlag nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMPreisV zugrunde (je Spritze € 7,00).

 

Die Klägerin widersprach der geltend gemachten Rückforderung mit Schreiben vom 20. September 2010. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 mit, Anlage 3 der Hilfstaxe komme nicht zur Anwendung, weil es sich bei den Vitaminspritzen nicht um parenterale Zubereitungen als Infusionslösung handele.

 

Mit der Monatsabrechnung für den Monat Februar 2011 nahm die Beklagte die Retaxierung vor, in dem sie die Erstattungsforderung in Höhe von € 1.004,48 gegen unstreitige Vergütungsforderungen der Klägerin gegen die Beklagte aus Arzneimittelabgaben aufrechnete.

 

Am 15. Oktober 2012 erhob die Klägerin zum Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung der Beklagten komme der Zuschlag nach Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe zur Anwendung. Bei den Vitaminspritzen handele es sich um parenterale Lösungen im Sinne der Anlage 3. Die im Jahr 2009 geltende Fassung differenziere nicht zwischen Infusionen und Injektionen und schreibe auch keine bestimmte Volumengröße vor. Auch die Abrechnungen aus dem Jahr 2010 seien zu Recht nach Anlage 3 der Hilfstaxe erfolgt. Die in Teil 7 Ziff. 7 der ab 1. Januar 2010 geltenden Fassung formulierte Ausnahme, wonach für die Herstellung für Injektionslösungen bis 20 ml der Zuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV abrechnungsfähig sei, komme vorliegend nicht zur Anwendung. Zwar hätten die Vitaminspritzen nur ein Volumen von 1 ml. Ziff. 8 sehe aber eine Rückausnahme vor. Danach seien parenterale Zubereitungen mit fettlöslichen Vitaminen „sonstige parenterale Lösungen“ im Sinne der Anlage 3 Teil 7. Die Regelung in Ziff. 7 gelte nur für Injektionen, die nicht in Ziff. 8 genannt werden. Somit könne auch für Vitamininjektionen mit einem Volumen bis 20 ml der Zuschlag nach Anlage 3 abgerechnet werden. Es handele sich auch nicht um Rezepturen im Rahmen einer Defektur, sondern um Rezepturen im Sinne von § 7 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Sie würden nach Vorliegen einer ärztlichen Verordnung hergestellt. Aus der Menge der eingekauften Stoffe könne nicht auf eine Defektur geschlossen werden. Selbst wenn es sich aber um eine Defektur im Sinne von § 8 ApBetrO handeln würde, wären diese als Rezepturen gemäß Anlage 3 der Hilfstaxe abzurechnen. Zudem sei es nicht zutreffend, dass in der Hilfstaxe nur Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln geregelt seien.

 

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies zur Begründung auf ein „Gutachten“ der Pharmazeutischen Beratungs- und Prüfstelle im Land Bremen vom 11. Dezember 2012. Apothekerin Dr. M. führte darin sowie in weiteren Stellungnahmen aus, ein niedriger Arbeitspreis sei für die streitgegenständlichen Spritzen zutreffend, weil der Aufwand gering sei. Die Klägerin stelle die Vitaminspritzen nach einer Standardrezeptur her. Es handele sich nicht um individuelle parenterale Zubereitungen, sondern um eine Zubereitung als Defektur. In der Hilfstaxe seien speziell Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln geregelt, während in der AMPreisV Zubereitungen aus Stoffen geregelt seien. Die Formulierungen in der Hilfstaxe ließen erkennen, dass es die Absicht der Vertragspartner gewesen sei, die fettlöslichen Vitamine Teil 7 Ziff. 7 zuzuordnen. Teil 7 Ziff. 8 hätte um die fettlöslichen Vitamine erweitert werden müssen, wenn für diese nicht Ziff. 7 hätte gelten sollen. Weiter führte sie aus, die Abrechnungen der Klägerin seien widersprüchlich, weil der Rezepturzuschlag pro Applikation, die Zuzahlung jedoch pro Rezept abgerechnet worden sei. Außerdem finde die Auffassung der Klägerin, dass es sich bei Teil 7 Ziff. 8 um eine Rückausnahme von Ziff. 7 handele, im Wortlaut keine Stütze. Die Regelung enthalte lediglich eine Definition der „sonstigen parenteralen Lösungen“. Die Vergütung dieser Lösungen richte sich nach den Ziff. 6 und 7. Eine andere Auslegung führe dazu, dass Ziff. 7 keinen eigenen Anwendungsbereich hätte.

 

Mit Urteil vom 15. Juni 2015 verurteilte das SG die Beklagte zur Zahlung von € 1.004,48 nebst Zinsen hieraus seit dem 15. Oktober 2012 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das SG an, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, gegen unstreitige Forderungen der Klägerin aufzurechnen. Ein Erstattungsanspruch habe der Beklagten nicht zugestanden. Die Klägerin habe Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Vitaminspritzen unter Zugrundelegung des Rezepturzuschlags pro applikationsfertiger Einheit in Höhe von € 40,00 für die Arzneimittellieferungsfälle vom 3. Juni 2009 und 8. September 2009 und in Höhe von € 54,00 für die Arzneimittellieferungsfälle vom 26. Januar 2010 und 29. Januar 2010. Unstreitig handele es sich bei den Vitaminspritzen nicht um Fertigarzneimittel, sondern um Rezepturarzneimittel, so dass § 5 AMPreisV zur Anwendung komme. Die Vergütung setze sich danach aus einem Festzuschlag, einem Rezepturzuschlag und der Mehrwertsteuer zusammen. Der Rezepturzuschlag betrage nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMPreisV € 7,00. Anderes gelte gemäß § 5 Abs. 5 AMPreisV, wenn der Vertrag zur Hilfstaxe zur Anwendung komme. Dies sei vorliegend der Fall. Es handele sich um parenterale Lösungen im Sinne der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe (beider Fassungen). Die Vitaminspritzen würden unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes intramuskulär verabreicht. Damit fänden die Regelungen der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe Anwendung. Die Auslegung der Vorschriften, die als Abrechnungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut zu erfolgen habe, ergebe, dass die darin geregelten Rezepturzuschläge angefallen seien. Die von der Beklagten angeführten Argumente gegen die Anwendbarkeit der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe überzeugten nicht. Die Menge der zur Zubereitung benötigten Stoffe stelle kein Kriterium zur Beurteilung der Frage des Vorliegens einer parenteralen Lösung nach Ziff. 1 der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe dar. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich um ein Rezeptur- oder Defekturarzneimittel handele. Dem Wortlaut der Hilfstaxe könne nicht entnommen werden, dass diese nicht auch für Defekturarzneimittel gelte. Die Vitaminspritzen seien eindeutig als sonstige Lösung im Sinne von Ziff. 1.5 Buchst. e der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe einzuordnen. Aus dem Wortlaut der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe ergebe sich auch keine Beschränkung auf parenterale Lösungen mit Fertigarzneimitteln. Die von der Beklagten angeführten Regelungen beträfen lediglich die Bestimmung der bei der Berechnung anzusetzenden Menge. Auch bezüglich der Verordnungen vom 26. Januar 2010 und 29. Januar

 

2010 seien vorliegend Rezepturzuschläge nach der ab dem 1. Januar 2010 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe angefallen. Die Vitaminspritzen fielen eindeutig unter die Regelung in Teil 7 Ziff. 8, mit der Folge, dass der Zuschlag nach Teil 7 Ziff. 6 zu berechnen sei. Die Tatsache, dass die Vitaminspritzen auch die Voraussetzungen von Teil 7 Ziff. 7 erfüllten, weil sie lediglich ein Volumen von 1 ml aufwiesen, stünde dem Ansatz des Rezepturzuschlags nicht entgegen. Ziff. 8 bilde eine Ausnahme von Ziff. 7. Dort würden Zubereitungen mit fettlöslichen Vitaminen ausdrücklich aufgeführt. Dies übersehe die Beklagte in ihrer Argumentation. Das Argument, dass die Zubereitung der streitgegenständlichen Vitaminspritzen einen geringen Arbeitsaufwand verursache und deshalb der Ansatz des Rezepturzuschlags nach dem Vertrag zur Hilfstaxe nicht gerechtfertigt sei, könne keine anderslautende Auslegung der Vorschriften begründen, weil im Bereich der Krankenversicherung das Prinzip der Mischkalkulation gelte. Der Zuschlag sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften auch pro Spritze und nicht pro Verordnung zu berechnen. Dies entspräche auch Sinn und Zweck des im Vergleich zu § 5 Abs. 3 AMPreisV erhöhten Zuschlags, der dem erhöhten Arbeitsaufwand Rechnung trage.

 

Gegen das ihr am 8. Juli 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Juli 2015 beim SG, eingegangen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 11. August 2015, Berufung eingelegt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung des Senats die Reduzierung in Höhe der Zuzahlungen von € 45,00 und insoweit auch ihre Berufung zurückgenommen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe sei für die Abrechnung von parenteralen Lösungen aus Fertigarzneimitteln geschaffen worden, nicht für die Abrechnung von parenteralen Lösungen aus Grundstoffen. Für die bis 31. Dezember 2009 geltende Version ergebe sich dies z.B. aus Ziff. 1.3 Buchst. e, wonach es für die verordnete Menge auf die benötigte Menge Fertigarzneimittel ankomme. Auch aus den zur Hilfstaxe gehörenden Tabellen (sog. Taxhilfen) ergebe sich diese Auslegung. Die ab dem 1. Januar 2010 gültige Fassung der Anlage 3 sei ebenfalls nur sinnvoll in Verbindung mit Fertigarzneimitteln anzuwenden. Auch im Zusammenhang mit der Änderung der AMPreisV durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (AMGÄndG) vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1990) sei nur von Fertigarzneimitteln die Rede (BT-Drs. 16/12256). In § 1 Abs. 3 Nr. 8 AMPreisV sei neu festgelegt worden, dass die AMPreisV bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen nicht gelte. Die Sichtweise der Klägerin führe dazu, dass jegliche Zubereitung von parenteraler Lösung nach Anlage 3 der Hilfstaxe abzurechnen wäre. Dies werde jedoch von der Apothekerschaft so nicht praktiziert. § 5 AMPreisV wäre auch andernfalls zu einem wesentlichen Teil der Boden entzogen. Da die Frage der Anwendbarkeit der Anlage 3 für Nichtfertigarzneimittel immer wieder für Diskussionen gesorgt habe, sei nun zum 1. März 2012 in den Text der Anlage 3 aufgenommen worden, dass diese nur für (deutsche) Fertigarzneimittel gelte. Dass die Klägerin selbst nicht von der Anwendbarkeit der Anlage 3 überzeugt gewesen sei, zeige sich auch daran, dass sie die Rezepturen an Privatversicherte für € 19,95 pro Spritze verkauft habe. Die Argumentation des SG, Teil 7 Ziff. 8 der ab 1. Januar 2010 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe stelle eine Rückausnahme von Ziff. 7 dar, sei unzutreffend. Aus der Systematik der Regelungen ergebe sich vielmehr, dass bei Rezepturen, die wie vorliegend nur ein Volumen von 1 ml aufwiesen, auf Ziff. 7 abzustellen sei. Festzuhalten sei ferner, dass der Zuschlag nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV für die dort jeweils ausgewiesenen Grundmengen zu erheben sei und nicht für jede Applikationseinheit. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des LSG Thüringen vom 17. Dezember 2013 (L 6 KR 505/10, juris). Der Rezepturzuschlag sei daher entgegen der Auffassung des SG nicht für jede einzelne Vitaminspritze anzusetzen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung verweist die Klägerin auf ihren Vortrag beim SG und führt ergänzend aus, Anlage 3 der Hilfstaxe gelte für alle parenterale Zubereitungen, nicht nur für solche, in denen Fertigarzneimittel verarbeitet würden. Dies ergebe sich schon aus der offiziellen Überschrift der Hilfstaxe („Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitung von Stoffen“). Auch aus den einzelnen Bestimmungen des Vertrages ergebe sich keine Beschränkung auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln. Gleiches gelte für die von der Beklagten angeführten Taxhilfen. Im Gegenteil zeigten diese gerade die Anwendbarkeit auch auf „Stoffe“ und „Substanzen“. Die von der Beklagten angeführte Regelung in Ziff. 1.3 Buchst. e der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 definiere lediglich den Begriff der verordneten Gesamtmenge. In Ziff. 1.7 werde z.B. auch der Begriff „Stoff“ verwendet. Die von der Beklagten zitierte Regelung in der Hilfstaxe für 2012 (Teil 1 Ziff. 1), die ohnehin nicht auf die streitgegenständlichen Verordnungen aus den Jahren 2009 und 2010 Anwendung fände, beinhalte lediglich eine Regelung für den Fall, dass Fertigarzneimittel verwendet werden, beschränke die Anwendbarkeit der Hilfstaxe aber nicht auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln. Auch werde entgegen der Auffassung der Beklagten nicht § 5 AMPreisV der Boden entzogen, weil diese Vorschrift gerade nicht auf parenterale Zubereitungen beschränkt sei. Zudem sei die Ersetzung der Regeln der AMPreisV durch die in der Anlage 3 zur Hilfstaxe vertraglich vereinbarten Regeln in § 5 Abs. 5 Satz 1 AMPreisV gerade vorgesehen. Darüber hinaus fielen jedenfalls die Fälle des Teil 7 Ziff. 7 der ab 1. Januar 2010 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe (Injektionslösungen bis 20 ml) unter § 5 Abs. 3 AMPreisV. Die Behauptung, dass die gesamte übrige Apothekerschaft sonstige parenterale Lösungen aus Grundstoffen nach § 5 Abs. 3 AMPreisV abrechne, sei unsubstantiiert und werde bestritten. Die Ausführungen der Beklagten zum AMGÄndG sei nicht nachvollziehbar. Die für die Hilfstaxe maßgebliche Rechtsgrundlage (§ 5 Abs. 4 und 5 AMPreisV) gebe es schon seit dem Jahr 1998 und sei durch die Gesetzesänderung nicht beschränkt worden. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich vielmehr, dass sich die Regelungsbefugnis allgemein auf „Stoffe“ beziehe. Die abweichenden Preise der Vitaminspritzen für Versicherte der PKV erkläre sich daraus, dass der Vertrag zur Hilfstaxe nur für den GKV-Bereich gelte. Schließlich falle der Rezepturzuschlag entgegen der Auffassung der Beklagten auch je applikationsfertiger Einheit an. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Hilfstaxe.

 

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die Akte des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch nicht der Zulassung, denn die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von € 1.004,48 an die Klägerin.

 

2. Die Berufung der Beklagten ist – soweit über sie noch nach der teilweisen Rücknahme zu entscheiden war – nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der Vergütung von € 959,48 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2012 verurteilt.

 

a) Die auf Zahlung von (zunächst) € 1.004,48 gerichtete Klage stellt eine zulässige Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG dar. Denn es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 16/11 R – juris, Rn. 8; Urteil vom 25. November 2015 – B 3 KR 16/15 R, juris, Rn. 14). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

 

b) Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von € 959,48.

 

(1) Der Klägerin stehen die mit der Monatsabrechnung für Februar 2011 geltend gemachten Zahlungsansprüche wegen laufender Arzneimittellieferungen an Versicherte der Beklagten zu. Die Klageforderung (Hauptforderung) steht weder dem Grunde noch der Höhe nach im Streit, weshalb es hierzu keiner weiteren tatsächlicher Feststellungen bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 7/05 R –, juris, Rn. 12 m.w.N.).

 

Rechtsgrundlage des Zahlungsbegehrens ist § 129 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen den damaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung in den Fassungen vom 17. Januar 2008 (für die Arzneilieferungen aus dem Jahr 2009) und 7. Dezember 2009 (für die Arzneilieferungen ab Januar 2010) sowie dem nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V zwischen den baden-württembergischen Landesverbänden der Krankenkassen und dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg für das Land Baden-Württemberg abgeschlossenen Arzneiliefervertrag (ALV) vom 1. April 1978 in der Fassung vom 1. April 2005. Die Klägerin ist als Mitglied des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg an diesen Vertrag gebunden. Die Beklagte ist nicht vertragsschließende Krankenkasse. Nach § 2 Abs. 4 Satz 2 des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V ist jedoch der für den Sitz der Apotheke geltende Vertrag nach § 129 Abs. 5 SGB V der jeweiligen Kassenart (hier: Allgemeine Ortskrankenkassen) anzuwenden.

 

Nach § 129 SGB V geben die Apotheken nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und Landesverträge vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der GKV ab. § 129 SGB V begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Im Gegenzug erwerben die Apotheken einen vertraglich näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R – juris, Rn. 16).

 

(2) Die Hauptforderung ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Voraussetzung ist gemäß § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (Retaxierung) gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Dies ist nicht der Fall. Der Beklagten stand der behauptete Rückzahlungsanspruch gegen die Klägerin nicht zu.

 

(a) Zwar ist die Beklagte grundsätzlich zur Aufrechnung berechtigt. Bei rechtsgrundlosen Vergütungszahlungen der Krankenkasse an Apotheker folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, der sich in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff. BGB entwickelt hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R – juris, Rn. 10 m.w.N.). Das Recht zur Rechnungs- und Taxberichtigung und die damit verbundene Möglichkeit zur Aufrechnung gegen spätere Zahlungsansprüche aus Arzneilieferungen ist umfassend und betrifft nicht nur die Korrektur von sog. Abrechnungsfehlern (BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 7/05 R – juris, Rn. 16). Die in den Verträgen nach § 129 SGB V enthaltenen Regelungen für die Retaxierung sind allerdings zu beachten. Dies ist vorliegend der Fall. Insbesondere wurde die in § 18 Abs. 1 ALV geregelte Ausschlussfrist zur Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs eingehalten.

 

(b) Der Beklagten stand jedoch kein Erstattungsanspruch zu. Die Vergütungszahlung in Höhe von € 959,48 ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung der Arzneilieferungen aus den Verordnungen vom 3. Juni 2009, 8. September 2009, 26. Januar 2010 und 29. Januar 2010 unter Ansatz des Rezepturzuschlages nach der (jeweils geltenden) Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe je Spritze.

 

Die Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 11/09 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris, Rn. 27; für den Arzneimittelbereich BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 7/05 R – juris, Rn. 20).

 

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (bis 7. September 2015: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates u.a. Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, festzusetzen. Von dieser Verordnungsermächtigung ist mit der AMPreisV Gebrauch gemacht worden. § 1 AMPreisV differenziert zwischen der Festlegung von Preisspannen und Preisen für „Fertigarzneimittel“ (Abs. 1) und für „in Apotheken hergestellte“, apothekenpflichtige Arzneimittel (Abs. 2). Ausgenommen von der Anwendbarkeit der AMPreisV sind die Preisspannen und Preise u.a. für die Abgabe von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 AMPreisV eingefügt zum 23. Juli 2009 durch Art. 7 Nr. 1 Buchst. d AMGÄndG).

 

Bei den streitgegenständlichen Vitaminspritzen handelt es sich um Arzneimittel im Sinne von § 1 Abs. 2 AMPreisV. Sie erfüllen die Voraussetzungen eines Arzneimittels (vgl. § 2 Abs. 1 AMG). Die Zubereitungen sind zur Anwendung im menschlichen Körper und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Vitaminspritzen sind auch apothekenpflichtig, weil sie auf ärztliche Verordnung abgegeben werden (§ 43 Abs. 3 AMG). Sie werden außerdem in der Apotheke der Klägerin hergestellt. Es handelt sich zur Überzeugung des Senats um Rezepturarzneimittel im Sinne von § 7 ApBetrO, weil die Vitaminspritzen nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin nicht bereits im Voraus hergestellt werden, sondern individuell nach Vorlage der ärztlichen Verordnung. Allein der Umstand, dass die Klägerin die Vitaminspritzen in großen Mengen und in der Regel mit derselben Rezeptur herstellt und bundesweit versendet, begründet keine Defektur im Sinne von § 8 ApBetrO. Abgesehen davon differenziert die AMPreisV nicht zwischen Rezeptur- und Defekturarzneimitteln. Sie ordnet die Defekturarzneimittel auch nicht den Fertigarzneimitteln zu (vgl. etwa § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG), sondern differenziert vielmehr nach dem Herstellungsort. Für alle in der Apotheke hergestellten, apothekenpflichtigen Arzneimittel gilt § 1 Abs. 2 AMPreisV. Dies schließt sowohl Rezeptur- als auch Defekturarzneimittel mit ein.

 

Für „in Apotheken hergestellte“ Arzneimittel gelten die Bestimmungen der §§ 4 bis 6 AMPreisV (s. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV). Nach § 5 Abs. 1 AMPreisV in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung des Art. 24 Nr. 5 Buchst. a Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) sind bei der Abgabe einer Zubereitung aus einem Stoff oder mehreren Stoffen, die in Apotheken angefertigt wird, (1.) ein Festzuschlag von 90 Prozent auf die Apothekeneinkaufspreise ohne Umsatzsteuer für Stoffe und erforderliche Verpackung, (2.) ein Rezepturzuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV sowie die Umsatzsteuer zu erheben. Nach Abs. 2 ist von den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln auszugehen, wobei (1.) bei Stoffen der Einkaufspreis der üblichen Abpackung und (2.) bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis nach § 3 Abs. 2 AMPreisV der erforderlichen Packungsgröße, seit 23. Juli 2009 (eingefügt durch Art. 7 Nr. 3 Buchst. a AMGÄndG) höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt, maßgebend ist. Der Rezepturzuschlag beträgt nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMPreisV in der bis 12. Mai 2017 geltenden Fassung des Art. 24 Nr. 5 Buchst. b) GMG für die Anfertigung von Arzneimitteln mit Durchführung einer Sterilisation, Sterilfiltration oder aseptischen Zubereitung bis zur Grundmenge von 300 g € 7,00. Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 AMPreisV in der bis 12. Mai 2017 geltenden Fassung des Art. 33 Nr. 2 Buchst. b Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I, S. 378) gilt: Trifft die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen Vereinbarungen über die Höhe des Fest- oder Rezepturzuschlages nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AMPreisV, so sind die vereinbarten Zuschläge abweichend von § 5 Abs. 1 oder Abs. 3 AMPreisV bei der Preisberechnung zu berücksichtigen.

 

Solche Vereinbarungen haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30. Juni 2008 die Bundesverbände der Krankenkassen) und der Deutsche Apothekerverband im „Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen – §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung“ (Vertrag zur Hilfstaxe) getroffen. Im Zeitraum bis 30. September 2009 galt der Vertrag zur Hilfstaxe vom 15. April 1998, gültig ab 1. Februar 1999. Ab dem 1. Oktober 2009 galt die im Haupttext unveränderte Fassung vom 10. September 2009. Nach § 1 des Vertrages zur Hilfstaxe ist Gegenstand des Vertrages die Bildung der Preise nach §§ 4 und 5 AMPreisV für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die in Apotheken angefertigt werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist. Für bestimmte Rezepturen werden Fest- oder Rezepturzuschläge sowie Stoff- und Gefäßpreise nach § 5 Abs. 5 AMPreisV auf Vorschlag der technischen Kommission nach § 3 des Vertrages zur Hilfstaxe vereinbart (§ 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages zur Hilfstaxe). Die Regelungen zu diesen Rezepturen sind als Anlage 3 Bestandteil des Vertrages und der Abrechnung zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages zur Hilfstaxe).

 

Die Anlage 3 in der vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung enthält Regelungen für die „Herstellung und Abrechnung bestimmter Rezepturen“. In Ziff. 1 dieser Anlage sind die parenteralen Lösungen geregelt.

 

Vorliegend handelt es sich um parenterale Lösungen. Hierzu zählen nach Ziff. 1.1 der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe zytostatikahaltige Lösungen, antibiotika- und virustatikahaltige Lösungen, parenterale Ernährungslösungen, Lösungen mit Schmerzmitteln und sonstige Lösungen. Lösung ist eine flüssige homogene Mischung von einem oder mehreren gelösten Stoffen (Pschyrembel Online, letzte Aktualisierung: 19. April 2017). Die von der Klägerin hergestellten Vitaminspritzen enthalten eine flüssige Mischung mehrerer, in der Trägersubstanz gelöster Vitamine. Parenteral bedeutet „unter Umgehung des Gastrointestinaltrakts, in der Regel durch Injektion oder Infusion“ (Pschyrembel Online, letzte Aktualisierung: 3. Mai 2017). Die Vitaminzubereitungen werden subkutan injiziert. Damit fallen sie unter den Anwendungsbereich der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe. Entgegen der Annahme der Beklagten wird darin nicht zwischen Injektionen und Infusionen differenziert oder Injektionen vom Anwendungsbereich ausgenommen. Die Regelungen gelten gleichermaßen für beide Applikationsarten.

 

Es werden auch nicht nur Rezepturen aus Fertigarzneimitteln vom Anwendungsbereich der bis 31. Dezember 2009 geltenden Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe erfasst. Aus den vertraglichen Bestimmungen ergibt sich keine Beschränkung auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln. Die von der Beklagten herangezogene Ziff. 1.3 Buchst. e der Anlage 3 nimmt zwar auf die benötigte Menge Fertigarzneimittel Bezug und ist deshalb direkt nur auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln sinnvollerweise anwendbar. Sie betrifft aber lediglich den – vorliegend nicht strittigen – Festzuschlag nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AMPreisV. Die Regelung zum Rezepturzuschlag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV in Ziff. 1.5 der Anlage 3 enthält keinerlei Hinweis darauf, dass Rezepturen ohne Fertigarzneimittel nicht erfasst sind. Entsprechendes ist auch weder dem Haupttext des Vertrages zur Hilfstaxe noch den übrigen Bestimmungen der Anlage 3 zu entnehmen. Im Gegenteil sprechen die vorangestellten allgemeinen Regelungen der Hilfstaxe vielmehr für den Einschluss aller parenteraler Lösungen, die in der Apotheke hergestellt werden. Ziff. 1.1 legt im Wortlaut eindeutig den Anwendungsbereich des 1. Abschnitts der Anlage 3 fest („Hierzu zählen…“). Eine Differenzierung nach der Art der zur Herstellung verwendeten Substanzen (Fertigarzneimittel oder andere) findet nicht statt. Den Begleittexten (Vorwort und Einführung zur Hilfstaxe vom Deutschen Apothekerverband, abgedruckt in „Hilfstaxe für Apotheken“, 27. Ergänzungslieferung 2006) ist vielmehr zu entnehmen, dass alle parenteralen Lösungen, die individuell hergestellt werden, erfasst werden (zur Entstehungsgeschichte der Hilfstaxe vgl. auch den Kommentar zur Hilfstaxe für Apotheken in Gerdelmann/Rostalski, Arzneimittel – Rezeptprüfung, Beratung und Regress, Stand: Juni 2017, Band I, S. 245). Anderes lässt sich auch nicht aus den sog. Taxhilfen, den tabellarischen Übersichten über die Preisbildung der Hilfstaxe ableiten. Der dort unter Ziff. 6 gelistete Rezepturzuschlag wird unabhängig von den verwendeten Stoffen angesetzt. Darüber hinaus lässt die Tabelle erkennen, dass die Vertragspartner auch beim Festzuschlag von der Möglichkeit von Rezepturen ohne Fertigarzneimittel ausgehen („Aufschlag auf Fertigarzneimittel/Stoffe“, vgl. Ziff. 4 der Tabelle zu den sonstigen Lösungen).

 

Dem steht nicht entgegen, dass damit – wie die Beklagte behauptet – ein wesentlicher Teil der Rezepturarzneimittel in den Anwendungsbereich des Vertrages zur Hilfstaxe fällt und für § 5 Abs. 3 AMPreisV nur wenige Fälle übrig bleiben. § 5 Abs. 5 AMPreisV lässt ausdrücklich die Vereinbarung von Zuschlägen abweichend von Abs. 3 zu. Der Gesetzgeber wünscht sogar ausdrücklich entsprechende Vereinbarungen für parenterale Lösungen, wie sich an § 5 Abs. 6 AMPreisV (zum 23. Juli 2009 eingefügt durch Art. 7 Nr. 3 Buchst. e AMGÄndG) zeigt, der eine Auffangregelung bis zum Zustandekommen von Vereinbarungen nach § 5 Abs. 5 AMPreisV über Zuschläge für parenterale Lösungen enthält. Auch hier differenziert der Normgeber nicht nach der Art der verwendeten Stoffe. Für „sonstige Lösungen“ ist pauschal ein Zuschlag in Höhe von € 55,00 zu zahlen (€ 70,00 nach § 5 Abs. 6 AMPreisV des Art. 8 Nr. 3 Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung [AMNOG] vom 22. Dezember 2010 [BGBl. I, S. 2262], gültig seit 1. Januar 2011).

 

Auch die ab 1. Januar 2010 gültige Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe lässt eine Beschränkung auf Rezepturen aus Fertigarzneimitteln nicht erkennen. Teil 1 der Anlage 3 enthält allgemeine Bestimmungen „für die Herstellung und Abrechnung parenteraler Lösungen“. Eine Differenzierung nach der Zusammensetzung der Rezepturen wird nicht vorgenommen. Soweit in den Regelungen für die einzelnen Lösungen auf Fertigarzneimittel Bezug genommen wird (z.B. für sonstige parenterale Lösungen in Teil 7 Ziff. 2 der Anlage 3) betreffen diese wiederum lediglich die Berechnung des Festzuschlags, nicht den Rezepturzuschlag, der pauschal in Höhe von € 54,00 „für die Herstellung sonstiger parenteraler Lösungen“ anfällt (vgl. Teil 7 Ziff. 6 der Anlage 3).

 

Anderes ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesänderungen durch das AMGÄndG. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 8 AMPreisV in der seit 23. Juli 2009 gültigen Fassung sind von der Anwendbarkeit der AMPreisV die Preisspannen und Preise für die Abgabe von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen ausgenommen. Die Änderungen ermöglichten lediglich die freie Vereinbarung der Einkaufspreise für Fertigarzneimittel, die in parenteralen Zubereitungen verarbeitet werden. Der Gesetzgeber versprach sich dadurch Kostenvorteile für die Krankenkassen (BT-Drs. 16/12256, S. 62). Mit dieser Gesetzesänderung war nicht verbunden, dass der seit 1999 bestehende Vertrag zur Hilfstaxe fortan nur noch für Rezepturen aus Fertigarzneimitteln galt.

 

Schließlich kann auch nichts Abweichendes aus der zum 1. März 2012 erfolgten Ergänzung der Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass diese Fassung auf die streitgegenständlichen Verordnungen aus den Jahren 2009 und 2010 keine Anwendung findet, ergeben sich aus der von der Beklagten angeführten Regelung in Teil 1 Ziff. 1, wonach nur Fertigarzneimittel zu verwenden sind, die nach dem AMG in Deutschland zugelassen und verkehrsfähig sind, lediglich Beschränkungen hinsichtlich der verwendeten Fertigarzneimittel, aber keine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Hilfstaxe auf Rezepturen mit Fertigarzneimitteln.

 

Der Anwendung der ab 1. Januar 2010 gültigen Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe steht vorliegend auch nicht entgegen, dass es sich bei den Vitaminspritzen um Injektionslösungen mit einem Volumen von nur 1 ml handelt. Zwar ist nach Teil 7 Ziff. 7 der Anlage 3 für die Herstellung von Injektionslösungen bis 20 ml der Zuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV abrechnungsfähig. Nach Teil 7 Ziff. 8 der Anlage 3 sind jedoch als sonstige parenterale Lösungen – neben den unter Buchst. a und b genannten Injektionslösungen mit den Wirkstoffen Deferoxamin und Aldesleukin – „parenterale Zubereitungen mit fettlöslichen Vitaminen“ abrechnungsfähig. Für diese Zubereitungen gilt der Rezepturzuschlag von € 54,00 nach Teil 7 Ziff. 6 unabhängig davon, ob es sich um Injektionslösungen mit einem Volumen bis 20 ml oder darüber handelt. Ziff. 7 gilt nicht auch für die Fälle der Ziff. 8. Die in Ziff. 8 aufgeführten Lösungen sind unabhängig von ihrem Volumen als „sonstige parenterale Lösung“ im Sinne der Anlage 3 zu behandeln. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass Ziff. 8 keinen nennenswerten Anwendungsbereich hätte. Injektionslösungen haben in aller Regel kein größeres Volumen als 20 ml. Größere Mengen werden mittels Infusion verabreicht („Infusion = parenterale kontinuierliche Applikation von Flüssigkeiten über 20 ml“, Pschyrembel Online, Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2017). Die Regelungen sind sinnvoll nur so zu verstehen, dass als Injektionslösungen nach Anlage 3 Teil 7 nur die in Ziff. 8 Buchst. a und b aufgeführten Lösungen und parenterale Zubereitungen mit fettlöslichen Vitaminen abgerechnet werden können; im Übrigen gilt für Injektionslösungen der Zuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV (vgl. auch „Erläuterungen zur Hilfstaxe“, gültig ab dem 1. Januar 2010, S. 5, „Sonderfälle bei der Preisbildung“).

 

Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten den Rezepturzuschlag nach Anlage 3 der jeweiligen Hilfstaxe auch zutreffend je Applikationseinheit angesetzt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen (vgl. Ziff. 1.5 der bis 31. Dezember 2009 gültigen Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe und Teil 7 Ziff. 6 der ab 1. Januar 2010 gültigen Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe). Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des LSG Thüringen vom 17. Dezember 2013 (L 6 KR 505/10, juris) betrifft den hier nicht einschlägigen Rezepturzuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV und ist deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.

 

c) Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 291 BGB (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 7/06 R – juris, Rn. 10).

 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.