Testpflicht für Unternehmen

Entscheidungen in Leitsätzen

SächsCoronaSchVO; IfSG § 28, § 28a, § 32; GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 20 Abs. 3

Leitsätze des Gerichts:

Der Landesverordnungsgeber ist voraussichtlich durch § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt, Testpflichten für Beschäftigte in Unternehmen anzuordnen. Wird statt einer voraussetzungsunabhängigen Gewerbeausübung eine solche an eine Testpflicht gekoppelt, zählt dies zu den Beschränkungen i. S. d. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG. Der Gesetzgeber wollte auch Auflagen zur Betriebsfortführung als Beschränkungen verstanden wissen.

 

Die verfolgte Teststrategie ist nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst festzulegen. Ein anderes folgt angesichts von Wahrscheinlichkeit und Gewicht auch nicht aus dem Risiko kurzzeitiger unberechtigter Quarantänemaßnahmen für durch Schnell- oder Selbsttests falsch-positiv Getestete.

 

Der Umstand, dass eine Testpflicht für Beschäftigte möglicherweise auch auf der Grundlage von § 18 Abs. 3 ArbSchG durch eine Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angeordnet werden könnte, steht dem Rückgriff auf die Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG gleichfalls nicht entgegen.

 

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm (hier: Bezugnahme auf den Stand der Technik trotz sehr kurzer Geltungsdauer der Norm, erschwerter Ermittlung des Norminhalts, Adressierung an Laien und Bußgeldbewehrung).

 

Gründe

 

I.

 

1 Der Antragsteller verfolgt mit seinem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO das Ziel, § 3a der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung – SächsCoronaSchVO) vom 5. März 2021 (SächsGVBl. S. 287) einstweilen außer Vollzug zu setzen. Die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung hat – soweit hier streitgegenständlich – nachfolgenden Wortlaut:

 

„§ 3a Testpflicht

 

(1) Arbeitgeber sind ab dem 22. März 2021 verpflichtet, ihren Beschäftigten, die an ihrem Arbeitsplatz präsent sind, ein Angebot zur Durchführung eines kostenlosen Selbsttests mindestens einmal pro Woche zu unterbreiten.

 

(2) Alle Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt sind ab dem 15. März 2021 verpflichtet, einmal wöchentlich eine Testung auf das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Die Tests sind vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Testung muss die jeweils geltende Mindestanforderung des Robert Koch-Instituts erfüllen. Der Nachweis über die Testung ist für die Dauer von vier Wochen aufzubewahren.

 

(3) Absatz 1 und 2 gilt nur, soweit ausreichend Tests zur Verfügung stehen und deren Beschaffung zumutbar ist. (…)

 

§ 12 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

 

(1) Diese Verordnung tritt am 8. März 2021 in Kraft.

 

(2) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 31. März 2021 außer Kraft.“

 

2 Der Antragsteller trägt mit Schriftsätzen vom 11., 15., 25. und 30. März 2021 im Wesentlichen vor: Er betreibe im Freistaat Sachsen eine Apotheke. § 3a SächsCoronaSchVO schränke ihn in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Er und seine Mitarbeiter wollten solche Verpflichtungen zu sog. kostenlosen Selbsttests, die vom Arbeitgeber zu bezahlen seien, nicht. Die Testpflicht des § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO treffe ihn hierbei auch persönlich. Bereits der übliche Aufwand für Corona-Maßnahmen sei – auch bezüglich der Kosten – enorm hoch. An der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bestünden schon deshalb gravierende Zweifel, weil die sog. „Schnelltests“, selbst wenn sie nur von fachkundigem Personal durchgeführt würden, meistens falsche Ergebnisse anzeigten. Wenn überhaupt, mache nur eine Testung bei konkreten Symptomen Sinn. Die Verordnung zwinge den Antragsteller jedoch, sich und seine Mitarbeiter auch ohne jeden Verdacht zu testen, also als Teil einer landesweit angeordneten Massentestung. Dies widerspreche den Empfehlungen des Robert-Koch-Institut (nachfolgend: RKI). Für die angegriffene Regelung fehle eine hinreichende parlamentarische Rechtsgrundlage. Angesichts der Vielzahl intensiver Grundrechtseingriffe durch § 3a SächsCoronaSchVO gälten strenge Maßstäbe, die nicht gewahrt seien. Die Verordnungsermächtigung sehe insbesondere keine Infektionsschutzmaßnahmen vor, die der Bürger selber insbesondere gegenüber anderen Bürgern gegen deren Willen zu veranlassen habe; die Normen gingen vielmehr erkennbar grundsätzlich davon aus, dass der Staat handele. Insbesondere rechtfertige die Erstellung eines Hygienekonzepts keinen, schon gar keinen regelmäßigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Dies entspreche auch nicht dem allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch. Durch die vielen falsch-positiven Testungen, insbesondere, wenn Laien die Testungen durchführten, werde kein Ansteckungsrisiko reduziert, sondern würden nur neue, unnötige Quarantäne-Fälle zumindest billigend in Kauf genommen. Wegen der hohen Grundrechtsintensität der Maßnahme habe hier der Gesetzgeber selber und ausdrücklich tätig werden müssen. Insoweit enthalte die gesetzliche Grundlage auch keine hinreichend normenklare und bereichsspezifische Regelung für die datenschutzrechtlichen Eingriffe des § 3a SächsCoronaSchVO.

 

3 Die Regelung könne auch nicht auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 29 IfSG gestützt werden, weil diese Normen nicht als Ermächtigungsgrundlage zitiert würden und auch weder der Antragsteller noch einer seiner Mitarbeiter krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig seien. § 3a SächsCoronaSchVO umfasse jedenfalls auch die Zwangstestung von Arbeitnehmern in Pflege- und Altersheimen und sei daher in Gänze aus den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschl. v. 2. März 2021 (- Az. 20 NE 21.353 -) dargelegten Gründen nichtig. Die Situation in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen Sachsens sei im Übrigen unverändert (und keinesfalls unmittelbar vor dem Zusammenbruch stehend). Auch die Grenzwerte i. S. d. § 28a Abs. 3 IfSG seien unwissenschaftlich, rein politischer Natur und dürften sich aufgrund der Ct-Wert-Thematik nur auf solche Positiv-Testungen beziehen, die unterhalb eines Grenzwerts von 30 lägen.

 

4 Gerügt werde auch eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Zwar werde Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG infolge des Änderungsgesetzes vom 18. November 2020 nunmehr förmlich zitiert. § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG werde jedoch im Verordnungsvorspann nicht i. S. d. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG zitiert. Aus den zitierten § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG könne nicht entnommen werden, dass diese Generalklausel auch zu staatlichen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit der Bürger legitimieren solle. Weil die im Verordnungsvorspann zitierten Normen nicht zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit legitimierten, entfalle die verfassungsrechtliche Basis des § 3a SächsCoronaSchVO. Dass eine medizinische Testpflicht zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle, der sowohl die freie Selbstbestimmung über den Körper als auch den gesamten physischen Bereich des Menschen vor staatlichen Eingriffen schütze, könne nicht streitig sein. Die Pflicht, sich zu untersuchen oder sich untersuchen zu lassen, stelle einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Die Tests wirkten in den geschützten körperlich-biologischen Bereich hinein, zumal Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch die freie Selbstbestimmung schütze. Die Entnahme von körpereigenen Substanzen, und mögen diese noch so geringfügigen Umfanges sein, stelle ebenfalls unproblematisch einen Eingriff dar.

 

5 § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO stelle ferner eine unzulässige dynamische Verweisung dar, die vom Verordnungsgeber nicht mehr kontrolliert werden könne. Dieser habe keinerlei Kontrolle mehr, wenn das RKI die „Mindestanforderungen“ verschärfe oder auch lockere. Es sei auch nicht angegeben, wo diese „Mindestanforderungen“ veröffentlicht würden. Für den Bürger sei daher weder der konkrete Norminhalt noch der Inhalt des bußgeldbewehrten Verhaltens hinreichend erkennbar; dies sei mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Es sei auch völlig unklar, was konkret unter „ausreichenden Tests“ und zumutbarer Beschaffung zu verstehen sein solle. Es sei möglich, diese Kriterien in der Norm zu definieren. Dies dürfe angesichts der Bußgeldbewehrung nicht der Behörde im Einzelfall überlassen bleiben. Es sei ferner völlig unklar, welche Testpersonen der Verordnungsgeber als medizinisch hinreichend kompetent ansehe für die korrekte Durchführung der Tests.

 

6 Auch die Verhältnismäßigkeit der Aufbewahrungspflicht sei zweifelhaft, weil es selbst keinen vorzeitigen Löschungsanspruch der Beschäftigten z. B. im Falle des Auslaufens des Arbeitsvertrages vor Ablauf der Frist von vier Wochen oder im Falle einer fristlosen Kündigung gebe. Schließlich enthalte die Regelung auch keine Verpflichtung, dass die Gesundheitsdaten vor unberechtigtem Zugriff zu sichern seien. Schließlich sei auch insoweit sehr fraglich, ob die im Vorspann der Verordnung genannten Normen eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellten. Denn in § 28a Abs. 1 Nr. 17 IfSG sei nur von Kontaktdaten von Kunden die Rede – nicht aber von medizinischen Testdaten von Beschäftigten oder selbstständigen Arbeitgebern. Der Arbeitgeber erfahre zudem in aller Regel, dass ein Schnelltest positiv ausgefallen ist, und erhalte damit medizinisch relevante Daten. Denn dann müsse und werde der Arbeitnehmer zu Hause bleiben. Daher gehe das ”Konzept“ der Gegenseite eines Grundrechtsschutzes durch den Bürger selbst ins Leere.

 

7 Die Verordnung verstoße auch gegen das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot aus Art. 28 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf. Das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 1. März 2021 (- Az. VerfGH 18/20 -) lege zudem dar, dass die §§ 32, 28 IfSG den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügten. Zwar könne das Oberverwaltungsgericht die Bußgeldbewehrung nicht außer Vollzug setzen. Die Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit des § 3a SächsCoronaSchVO hänge aber jedenfalls auch von der Frage ab, ob dessen Bußgeldbewehrung rechtlich „halte“, oder nicht. Im letzten Fall läge ein deutliches Indiz für die Annahme der Unverhältnismäßigkeit und Sinnlosigkeit der Vorschrift vor. Denn wenn diese Vorschrift nicht bußgeldbewehrt sei, könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Vorschrift in der Praxis kaum umsetzbar sein werde. Es sei befremdlich, wenn der Antragsgegner behaupte, dass die übergroße Mehrheit die Corona-Gebote und -verbote unabhängig davon, ob diese bußgeldbewehrt seien, einhalten würden. Es erschließe sich nicht, weshalb es dann eines dritten „Lockdowns“ bedürfe. Ein milderes Mittel gegenüber der Testpflicht für Beschäftigte und Selbstständige mit direktem Kundenkontakt seien zudem die üblichen Schutzmaßnahmen (Maskenpflicht, Plexiglasscheiben, Hygienekonzepte, Desinfizieren der Hände, regelmäßiges Lüften etc.). Dass die meisten Länder keine vergleichbare Regelung hätten, sei ein deutliches Indiz, dass es der Freistaat Sachsen schlicht und einfach übertreibe. In keinem der anderen Bundesländer habe irgendjemand behauptet, dass sich dort das Positiv-Test-Geschehen durch das Fehlen einer vergleichbaren Regelung verschlimmert habe. Nichts deute darauf hin, dass ausgerechnet in Apotheken trotz der dort gelebten umfangreichen Hygienekonzepte ein messbares, relevantes Ansteckungsrisiko bestehe. Es möge andere Arbeitgeber geben, bei denen ein gewisses Ansteckungsrisiko vorhanden sei. Dann sei es dem Verordnungsgeber zumutbar, eine differenzierte Regelung zu erlassen. Die vom Antragsgegner behaupteten Vorteile sehe er in der Regelung nicht.

 

8 Die Verordnung sei unter Verstoß gegen Art. 84 Abs. 2 SächsVerf zustande gekommen. Auch Art. 85 Abs. 2 SächsVerf sei verletzt, weil die Verordnung den erforderlichen Ausgleich für die Mehrbelastungen der kommunalen Arbeitgeber nicht vorsehe.

 

9 Auch eine Folgenabwägung gehe zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Folgen der Regelung für den Antragsteller und alle privaten wie staatlichen Arbeitgeber seien dramatisch. Es würden dauerhaft enorme Kosten für den Ankauf von Selbsttests entstehen. Es würden hunderttausendfach zu Unrecht medizinisch sensible Daten ohne hinreichende Schutzverpflichtung erhoben und aufbewahrt werden. Die Rechtssicherheit würde wegen der Unbestimmtheit der Norm massiv leiden. Eine große Anzahl rechtswidriger Bußgeldbescheide werde einen erheblichen Verfahrensaufwand nach sich ziehen und das Vertrauen der Bürger in die Justiz irreparabel schädigen.

 

10 Der Antragsteller beantragt,

 

§ 3a Abs. 1 bis 3 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 5. März 2021 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig außer Vollzug zu setzen.

 

11 Der Antragsgegner beantragt,

 

den Antrag abzulehnen.

 

12 Er trägt vor: Der Antrag sei jedenfalls nicht begründet, weil § 3a SächsCoronaSchVO offensichtlich rechtmäßig sei. Zudem ergebe auch eine Folgenabwägung, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne. Formelle Mängel bestünden nicht. Die angegriffene Regelung finde ihre Rechtsgrundlage in § 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG. Danach gehöre zu den notwendigen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG unter anderem die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr. Dabei decke die Bestimmung nicht nur die Anordnung an Betriebe usw., ihrerseits Hygienekonzepte zu erstellen und gegebenenfalls zur Genehmigung vorzulegen, sondern auch die Regelung einzelner diesbezüglicher Aspekte in der jeweiligen gesetzesausführenden Verordnung selbst. Bei der streitigen Testpflicht der Arbeitnehmer mit direkten Kundenkontakt handele es sich um eben einen solchen Aspekt eines im Ergebnis integralen Hygienekonzepts für die betreffenden Einrichtungen. Entsprechendes gelte auch für die Angebotspflicht des Arbeitgebers nach § 3a Abs. 1 der Verordnung. Denn auch dieses Angebot solle zur Gewährleistung der Sicherheit vor betrieblicher Infektionsübertragung beitragen. Die gesetzliche Grundlage würde auch nicht fehlen, wenn man dies anders sehen wollte. Die Aufzählung der Maßnahmen in § 28a Abs. 1 IfSG sei nicht abschließend. Angesichts der sachlichen Nähe der hier streitigen Testpflicht zu der in § 28 Abs. 1 Nr. 4 IfSG genannten hygienekonzeptionellen Verhütung von Infektionen im Bereich der Einrichtungen und Angebote mit Publikumsverkehr würde diese Maßnahme daher den in § 28a Abs. 1 IfSG genannten Maßnahmen in Zielrichtung und Gewichtigkeit entsprechen, so dass sie auf diesem Wege über § 28a Abs. 1 IfSG bzw. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG gesetzlich gedeckt wäre. Die bundesrechtlichen Bestimmungen unterschieden nicht danach, wer die jeweilige Maßnahme nach Anordnung durch die zuständige Landesstelle durchführen solle. Auch eine angeordnete „Selbstvornahme“ – wie hier – sei daher von diesen gesetzlichen Grundlagen gedeckt. Auf Fragen bezüglich § 29 IfSG komme es nicht an, zumal die angegriffene Bestimmung nicht (auch) auf diese Vorschrift gestützt worden sei.

 

13 Auch der vom Antragsteller gerügte Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Zitiergebot liege nicht vor. Eine Zitierung von § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG in der angegriffenen Verordnung sei nicht erforderlich, weil diese bundesrechtliche Bestimmung die Erfüllung des in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG aufgestellten bundesverfassungsrechtlichen Zitiergebots enthalte, nicht dagegen selbst die konkreten Grundrechtseingriffe gestatte. Hinsichtlich der bundesgesetzlichen Bestimmungen ( § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 IfSG) finde sich die Zitierung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit, in das im Übrigen nicht eingegriffen werde, in § 28 Abs. 1 Satz 4. Eine Zitierung der Berufsfreiheit ( Art. 12 Abs. 1 GG) durch das IfSG sei nicht erforderlich. Eine Verletzung des landesverfassungsrechtlichen Zitiergebots aus Art. 37 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf liege gleichfalls nicht vor. Soweit ein bundesverfassungsrechtliches Zitiergebot überhaupt einschlägig sei, legitimiere dessen Erfüllung in der ermächtigenden Vorschrift des Bundesgesetzes (des IfSG) zugleich die Umsetzung der dort gestatteten Grundrechtseinschränkung durch die entsprechende Landesverordnung. Dies gelte auch insoweit, als das betreffende Grundrecht in der Verfassung des jeweiligen Landes seinerseits verfassungsrechtlich geschützt sei.

 

14 Die angegriffene Verordnungsregelung sei auch materiell rechtmäßig. Die angegriffene Bestimmung genüge insbesondere dem rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Dies gelte zum einen, soweit § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO verlange, dass die Testung die jeweils geltende Mindestanforderung des RKI erfülle. Dass dabei keine Fundstelle aus dem Internet-Auftritt des RKI genannt werde, schade nicht. Denn bei dem heutigen Stand der Informationstechnik beeinträchtige dies die Auffindbarkeit der diesbezüglichen Quelle nicht messbar. Die Angabe einer tieferen Fundstelle aus dem Internetauftritt des RKI durch die Verordnung zu verlangen, wäre zudem untunlich, da nicht auszuschließen sei, dass dieses Institut zwischenzeitlich seinen Internetauftritt neu gliedere und damit eine tiefer gestaffelte Fundstelle nunmehr ins Leere gehen würde. Auch sei es nicht zu beanstanden, dass in § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO auf „die jeweils geltende Mindestanforderung“ des Instituts zu den Tests verwiesen werde. Es handele sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht um eine unzulässige dynamische Verweisung, sondern um die unvermeidliche Auswirkung dessen, dass sich diese Anforderung je nach dem Fortschritt des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, wie er von diesem Institut ausgewertet werde, ändern könne. Im Übrigen erfolge hier die Verweisung – anders als bei normativen dynamischen Verweisungen – nicht auf die in einer Norm fixierte Willensbildung eines anderen, demokratisch legitimierten Entscheidungsträgers, die in ihren künftigen möglichen Veränderungen allein der Entscheidung dieses Trägers unterliege. Vielmehr handele es sich um die Bezugnahme auf fachwissenschaftliche Erkenntnisse, welche nicht durch politische Meinungsbildung zustande kämen. Insoweit greife daher nicht die für dynamische Normverweisungen begrenzende Erwägung ein, dass die politische Willensbildung von dem nach außen handelnden Verantwortungsträger selbst vorgenommen werde und nicht stattdessen – kompetenzwidrig – im Ergebnis an einen anderen Entscheidungsträger delegiert werden solle. Unklar sei auch nicht, welcher Art die geforderten Tests – im Rahmen der bereits erwähnten fachlichen Anforderung des RKI – sein müssten. § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO spreche hierzu für die erforderlichen Testangebote ausdrücklich von „Selbsttests“. § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO nehme für die Art der Tests auf den vorangehenden Absatz Bezug. Dies gelte umso mehr, als es sich bei diesen Selbsttests um die unaufwendigste Testungsart handele, und § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO nichts dafür zu entnehmen sei, dass insoweit strengere Anforderungen gestellt würden. Auf die Ausführungen des Antragsgegners in seinen „FAQ“ werde verwiesen. § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO fehle es auch nicht im Hinblick auf § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergäben sich aus § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO. Demgegenüber stelle § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO eine Erleichterung dar, indem er – wie geboten – Fälle der Unzumutbarkeit der Testbeschaffung von der entsprechenden Verpflichtung freistelle. Dass diese Fälle tatbestandlich nicht näher eingegrenzt würden, finde seinen Grund darin, dass sie im Vorhinein nicht verallgemeinernd umschrieben werden könnten. Es sei weder hilfreich noch zumutbar, stattdessen einen detaillierten Ausnahmekatalog aufzustellen. Daran ändere auch die Bußgeldbewehrung eines Verstoßes gegen § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO nichts, wie sie sich in § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d) und e) SächsCoronaSchVO finde. Insoweit handele es sich um keine andere Problematik, als sie stets bei bußgeldbewehrten Verboten oder Geboten vorliege, soweit die Unzumutbarkeit ihrer Erfüllung im Raume stehe.

 

15 Die Regelung sei zur Pandemiebekämpfung geeignet und erforderlich. Ein infektions-schutzrechtliches Gebot oder Verbot entbehre insbesondere nicht allein schon deshalb seiner Eignung zur Pandemiebekämpfung, weil es nicht bußgeldbewehrt sei. Dies gelte auch insoweit, als es sich um die Anordnung von echten Pflichten und nicht lediglich um Appelle der Art handele, wie sie sich etwa in § 1 Abs. 1 bis 4 der angegriffenen Verordnung fänden. Das hinter der Argumentation des Antragstellers stehende Denkmuster, dass die Bürger nur dann Gebote und Verbote befolgten, wenn ihnen andernfalls empfindliche Sanktionen drohten, verfehle bereits im Ansatz das grundgesetzliche Menschenbild. Dieses gehe nach der ständigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von einer Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des einzelnen Bürgers und damit von einem nicht bedingungslos durchzusetzenden Individualismus und Egoismus aus. Im Übrigen zeige auch die Praxis der nunmehr über ein Jahr andauernden Pandemielage, dass sich jedenfalls im Freistaat Sachsen die Bürger in ihrer übergroßen Mehrheit an die normativen Gebote und Verbote unabhängig davon hielten, ob diese bußgeldbewehrt seien oder nicht. Unbeschadet dessen könne der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs zu den Bestimmtheitsanforderungen an Bußgeldbestimmungen auch kaum gefolgt werden.

 

16 Die Durchführung von Coronatests, auch von selbst vorgenommenen Schnelltests, sei geeignet, Corona-Infektionen aufzudecken und damit deren Verbreitung zu verhüten. Die unsubstantiierte Behauptung des Antragstellers, derartige Tests würden fast nur falsche Ergebnisse zeitigen, entbehre jeder Grundlage. In der wissenschaftlichen Diskussion sei im Gegenteil zwar hervorgehoben worden, dass die Tests nicht die Präzision eines laborausgewerteten tiefen Rachen- oder Nasenabstrichtests erreichen könnten, dass sie aber nichtsdestoweniger sehr wohl zur Pandemiebekämpfung geeignet seien. Bei einem positiven Testergebnis bestehe die Möglichkeit und Notwendigkeit, dieses sodann durch einen Labortest verifizieren oder falsifizieren zu lassen. Dieser werde von fachkundigen Personen durchgeführt und ausgewertet und erbringe im Maße des derzeit naturwissenschaftlich Möglichen die Erkenntnis über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Infektion.

 

17 Die Angebotspflicht nach § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO schaffe für Arbeitnehmer jeglicher Branchen den Anreiz, sich diesem Test zu unterziehen und damit zugleich zu verhüten, dass Personen, mit denen sie während ihrer Arbeitstätigkeit zusammenkämen, durch sie möglichweise infiziert würden. Diese Verhütung könne durch rein betriebliche Hygieneschutzmaßnahmen nicht erreicht werden, da diese sich naturgemäß nicht nach den Verhältnissen des einzelnen Mitarbeiters richten könnten und müssten. Dass insoweit nicht zwischen den Branchen differenziert werde, finde seinen rechtfertigenden Grund zum einen darin, dass kein Arbeitnehmer – soweit er nicht zum Personenkreis nach § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO gehöre – verpflichtet sei, dieses Angebot anzunehmen. Zum anderen – was die Arbeitgeberseite angehe – sei die Pflicht zum Angebot dadurch gerechtfertigt, dass es generell und branchenübergreifend im wohlverstandenen Interesse der Arbeitgeber liege, nach Möglichkeit Infektionen im Kreise ihrer Beschäftigten zu verhüten, bei deren Gegebensein und Weiterverbreitung mit erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Abläufe und wirtschaftlichen Lage durch die entsprechenden Quarantänenotwendigkeiten zu rechnen wäre.

 

18 Die Selbsttestpflicht nach § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO finde unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ihre Rechtfertigung darin, dass in den entsprechenden Arbeitszusammenhängen eine gesteigerte Gefahr der Infektionsverbreitung bestehe. Auch insoweit seien betriebliche Hygieneschutzkonzepte nicht gleichermaßen zur Pandemieeindämmung geeignet, soweit die betriebliche Tätigkeit einen direkten Kundenkontakt erfordere.

 

19 Der Erforderlichkeit dieser Regelung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sie sich nicht in der Bund-Länder-Absprache vom 3. März 2021 finde. Diese Absprache entfalte keine rechtliche Bindungskraft. Zudem war zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Verordnung und sei bis heute die Infektionslage im Freistaat Sachsen ungleich gravierender als im Durchschnitt des Bundesgebiets und in den meisten anderen Bundesländern. Daher war und sei in Sachsen eine größere Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es bei einem direkten Kundenkontakt zu einer Infektionsverbreitung durch einen infizierten Mitarbeiter komme. Zum anderen schaffe die Regelung für die Kunden, die mit den Betriebsangehörigen in direkten Kontakt gelangten, eine zusätzliche Sicherheit, dass sie sich hierdurch wohl nicht der Gefahr einer Infektion mit dem Virus aussetzen. Dies schütze ihre Gesundheit und steigere ihre Bereitschaft, in Geschäften und Läden einzukaufen. Zugleich liege die solchermaßen angereizte Kaufbereitschaft im wohlverstandenen Interesse der entsprechenden Wirtschaftsbetriebe selbst, um dadurch ihren Umsatz und Gewinn nach den Monaten des „harten lock down“ zu stabilisieren.

 

20 Die Verpflichtungen nach § 3a Abs. 1 und Abs. 2 SächsCoronaSchVO seien auch nicht im engeren Sinne unverhältnismäßig. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden von vornherein nicht. Denn weder bei angebotenen Tests nach § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO noch bei pflichtigen Tests nach § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO erhalte der Arbeitgeber Testergebnisse. Vielmehr sei es stets allein die getestete Person, der dieses Testergebnis zugehe bzw. – bei eigener Durchführung eines Schnelltests – unmittelbar vorliege.

 

21 Es liege auch kein Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit vor. § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO regele lediglich die Angebotspflicht der Arbeitgeber, schaffe jedoch für die Arbeitnehmer keine Verpflichtung, ein solches Angebot anzunehmen. Die in den Fällen des § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO bestehende Durchführungspflicht ihrerseits führe nicht zu einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die inzwischen verfügbaren, für die Selbstdurchführung durch nicht geschulte Laien geeigneten Selbsttests, welche nach der Verordnungsbestimmung genügten, würden entweder ganz ohne Eindringen in den Körper abgenommen (Gurgeln und Ausspucken auf den Testkit) oder aber jedenfalls nicht – wie etwa bei den Labortests – durch Sekretgewinnung im tiefen Nasen- und/oder Rachenraum, sondern lediglich im vorderen Bereich der Nasenflügel. Dabei bestehe keine Verletzungsgefahr und es werde allenfalls ein Kribbel-Gefühl hervorgerufen. Es bedürfe daher vorliegend keiner Klärung, inwieweit das durch tiefe Abstriche ausgelöste Gefühl des Unangenehmseins schon den Wert eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit im Sinne der grundrechtlichen Bestimmung erreiche. Denn jedenfalls bei den Tests durch Gurgeln und Ausspucken oder durch bloßen, im vorderen Nasenbereich vorgenommenen Abstrich, der zudem von der betroffenen Person selbst durchgeführt werde und damit auch „dosiert“ werden könne, könne davon keine Rede sein.

 

22 Als Prüfungsmaßstab verbleibe daher nur die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 15 SächsVerf) der Getesteten. Diese werde aber durch die angegriffene Regelung nicht unzumutbar beschränkt, da die zeitlichen und inhaltlichen Belastungen durch die Testabnahme nur äußerst geringfügig seien.

 

23 Die vom Antragsteller behauptete Aufbewahrungspflicht des Arbeitgebers für die Testergebnisse bestehe nicht, da diese ihm gar nicht zugingen.

 

24 Auch die Kostentragungspflicht der Arbeitgeber und damit auch des Antragstellers für die nach § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO anzubietenden ebenso wie für die nach § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO von den entsprechenden Personen durchzuführenden Tests beeinträchtige diesen nicht unzumutbar in seiner Berufsausübungsfreiheit. Vielmehr stelle sie eine zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf dar. Ebenso würde es sich um eine nicht entschädigungspflichtige zumutbare Sozialbindung seines betrieblichen Eigentums handeln, soweit man die Nutzbarkeit dieses Eigentums – unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs – als durch Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 31 Abs. 1 SächsVerf geschützt ansehen wollte. Tests der hier in Rede stehenden Art seien für einen geringen Eurobetrag auf dem Markt verfügbar. Die wirtschaftliche Belastung durch die Zahlungspflicht für die Tests stelle keine unzumutbare Belastung dar. Dies gelte zum einen deshalb, weil die Tests zugleich dem Arbeitgeber Vorteile brächten. Zum anderen und vor allem aber handele es sich insoweit im Interesse Dritter um Maßnahmen von der Art, wie sie auch ansonsten in zahlreichen gesetzlichen oder sonstigen normativen Bestimmungen etwa des Arbeitsschutzes oder der betrieblichen allgemeinen Hygieneanforderungen vorgesehen und oft mit nicht unerheblichen Kosten für die Betriebsinhaber verbunden seien. Es sei aber weder vom Antragsteller vorgetragen worden noch sonst zu erkennen, dass diese finanzielle Belastung für ihn, gemessen an seinen betrieblichen Verhältnissen (Umsatz und Ertrag), eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen würde. Bei alledem sei zu bedenken, dass es sich in steuerlicher Hinsicht bei den Kosten der Tests um Betriebsausgaben handele, die gewinnmindernd geltend zu machen seien.

 

25 Selbst wenn die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache vom Antragsteller gestellten Normenkontrollantrags als offen zu bezeichnen wären, würde dies den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht rechtfertigen. Denn die in diesem Fall erforderliche Folgenabwägung würde zulasten des Antragstellers ausfallen. Dies würde selbst für eine pandemiebedingte Betriebsschließung gelten, erst recht sei dies daher hier der Fall.

 

II.

 

26 Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 24 Abs. 1 SächsJG statthaft. Danach entscheidet das Sächsische Oberverwaltungsgericht über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen der Staatsregierung. Der Senat entscheidet gemäß § 24 Abs. 2 SächsJG hierüber in der Besetzung von fünf Berufsrichtern.

 

27 Der Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig.

 

28 Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. hierzu Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 387) und die für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 6 VwGO vorliegen. Beides ist hier der Fall.

 

29 Der Antragsteller ist auch antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da er geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein. Er kann sich auf eine mögliche Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 GG stützen.

 

30 Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist allerdings nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist er unbegründet.

 

31 Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der Verordnung des Antragsgegners vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut der Vorschrift an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze (BVerfG, Beschl. v. 8. November 1985 – 1 BvR 1290/85 -, juris Rn. 10, und v. 8. November 1994 – 1 BvR 1814/94 -, juris Rn. 21) auch bei § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen. Als Entscheidungsmaßstab dienen die Erfolgsaussichten eines anhängigen oder möglicherweise nachfolgenden Hauptsacheverfahrens. Ergibt die Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht geboten. Ist hingegen voraussichtlich von einem Erfolg des Normenkontrollantrags auszugehen, wird die angegriffene Norm einstweilen außer Vollzug zu setzen sein, wenn der (weitere) Vollzug der angegriffenen Norm bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, eine Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, einem anhängigen oder möglicherweise nachfolgenden Normenkontrollantrag aber der Erfolg zu versagen wäre. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (SächsOVG, Beschl. v. 15. April 2020 – 3 B 114/20 -, juris Rn. 11 und Beschl. v. 15. März 2018 – 3 B 82/18 -, juris Rn. 16 m. w. N.). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18. Mai 1998 – 4 VR 2.98 -, juris Rn. 3).

 

32 Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugset-zung von § 3a SächsCoronaSchVO nur bezüglich § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO Erfolg. Im Übrigen hat er keinen Erfolg, da die angegriffene Vorschrift im Normenkontrollverfahren voraussichtlich standhalten wird. Auch eine Interessenabwägung geht insoweit zu Lasten des Antragstellers aus.

 

33 1. Die in Bezug genommene Verordnungsermächtigung genügt voraussichtlich den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 2. Februar 2021 – 3 B 8/21 -, juris Rn. 28 ff. m. w. N., und Senatsbeschl. v. 4. März 2021 – 3 B 49/21 – ).

 

34 2. Formelle Mängel der Verordnung sind nicht ersichtlich.

 

35 2.1 Insbesondere hat eine Anhörung der Gemeinden und Gemeindeverbände oder ihrer Zusammenschlüsse gemäß Art. 84 Abs. 2 SächsVerf ausweislich des Verwaltungsvorgangs entgegen der ins Blaue hinein aufgestellten Behauptung des Antragstellers stattgefunden (vgl. Stellungnahme 3, E-Mail vom 4. März 2021).

 

36 2.2 Die Verordnung verstößt auch nicht gegen das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot aus Art. 28 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf. Dieses Zitiergebot gilt nur für Parlamentsgesetze, nicht für Verordnungen. Die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage ihrerseits unterfällt nur dem grundgesetzlichen Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, das eine Zitierung von Art. 12 GG ebenfalls nicht gebietet (SächsOVG, Beschl. v. 11. November 2020 – 3 B 3257/20 -, juris Rn. 26 m. w. N.).

 

37 3. Die Voraussetzungen der § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 3 und Abs. 6 IfSG für den Erlass der angegriffenen Regelung dürften erfüllt sein.

 

38 3.1 Zur gegenwärtigen Infektionslage hat der Senat in seinem Beschluss vom 17. März 2021 (- 3 B 53/21 – juris Rn. 16 ff.) anhand der Erkenntnisse und Bewertungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) Folgendes festgestellt:

 

„Es ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als sehr hoch ein. Die Inzidenz der letzten sieben Tage liegt – Stand 15. März 2021 – deutschlandweit bei 84 Fällen pro 100.000 Einwohner (EW). In Sachsen liegt diese nunmehr wieder deutlich über der Gesamtinzidenz. Aktuell weisen 327 von 412 Kreisen eine hohe Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 50 auf. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in 124 Kreisen bei mehr als 100 Fällen/100.000 EW, davon in sechs Kreisen bei mehr als 250 Fällen/100.000 EW. Die sieben-Tage-Inzidenz bei Personen zwischen 60-79 Jahren liegt aktuell bei 52 und bei Personen, die 80 Jahre oder älter sind, bei 54 Fällen/100.000 EW. Die Sieben-Tage-Inzidenz nimmt insbesondere in den Altersgruppen <60 Jahre, Kinder eingeschlossen, zu. Nachdem es in Deutschland im vierten Quartal 2020 zu einem starken Anstieg der Fallzahlen gekommen war, war auch die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Personen und die Anzahl der Todesfälle bis Ende Dezember 2020 stark angestiegen. Schwere Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, betreffen dabei auch Menschen unter 60 Jahren. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bei bestehenden Vorerkrankungen zu. Das individuelle Risiko, schwer zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten. Seit Jahresbeginn waren die Fallzahlen in Deutschland und die Zahl schwerer, intensivpflichtiger Erkrankungen langsam rückläufig. Nunmehr steigen Sieben-Tage-Inzidenz und Fallzahlen insgesamt im Bundesgebiet seit Mitte Februar tendenziell wieder an. In den letzten Tagen hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Das Risiko einer weiteren starken Zunahme der Fallzahlen ist deutlich erhöht. Aktuell kann oft kein konkretes Infektionsumfeld ermittelt werden. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in privaten Haushalten, zunehmend auch in Kitas, Schulen und im beruflichen Umfeld verursacht.

 

Am 11. März 2021 befanden sich 2.759 COVID-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung. Insgesamt wurden 24.209 Intensivbetten (Low- und High-Care) für Erwachsene als betreibbar gemeldet, wovon 20.564 (85%) belegt waren. 3.645 (15%) Erwachsenen-ITS-Betten werden als aktuell frei und betreibbar angegeben. In den meisten Bundesländern setzt sich der zuvor kontinuierliche Rückgang der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen nicht weiter fort, sondern die ITS-Belegung mit COVID-19-Fällen stagniert aktuell auf einem Plateau. Ein Drittel der Bundesländer verzeichnet sogar wieder einen leichten Anstieg. Die Belastung des Gesundheitssystems hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektionen, den hauptsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (z.B. Isolierung, Quarantäne, physische Distanzierung) ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands nach wie vor angespannt und kann sehr schnell wieder zunehmen, so dass das öffentliche Gesundheitswesen und die Einrichtungen für die stationäre medizinische Versorgung örtlich überlastet werden. Da die verfügbaren Impfstoffe einen hohen Schutz vor der Entwicklung einer COVID-19-Erkrankung bieten, wird voraussichtlich mit steigenden Impfquoten auch eine Entlastung des Gesundheitssystems einhergehen.

 

Auch in Deutschland sind seit Dezember 2020 Infektionen mit besorgniserregenden Virusvarianten nachgewiesen worden, speziell der Variante B.1.1.7. Die bisher vorliegenden Daten und Analysen zeigen, dass sich der Anteil der Virusvariante B.1.1.7 in den letzten Wochen deutlich erhöht hat. Es ist mit einer weiteren Erhöhung des Anteils auf über 50% der Virusvariante B.1.1.7 zu rechnen, wie dies in den letzten Wochen bereits aus anderen europäischen Ländern berichtet wurde. Das ist besorgniserregend, weil B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender ist und vermutlich etwas schwerere Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten.

 

Effektive und sichere Impfstoffe stehen seit Ende 2020 zur Verfügung, aber noch nicht in ausreichenden Mengen. Sie werden aktuell vorrangig den besonders gefährdeten Gruppen angeboten. Es wird erwartet, dass in den nächsten Wochen allen besonders gefährdeten Menschen ein Impfangebot gemacht und damit bereits ein Effekt auf die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Personen und Todesfällen erzielt werden kann. Bislang wurden insgesamt 6.712.195 Personen mindestens einmal (Impfquote 8.1 %) und 2.951.692 zwei Mal (Impfquote 3,5 %) gegen COVID-19 geimpft. (…)

 

Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen.

 

Zur Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand des RKI weiterhin der, dass diese Erkrankung grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Das Infektionsrisiko ist stark vom individuellen Verhalten (AHA+L-Regel: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltag mit Masken und regelmäßiges Lüften), vom Impfstatus, von der regionalen Verbreitung und von den Lebensbedingungen (Verhältnissen) abhängig. Hierbei spielen Kontakte in Risikosituationen und deren Dauer (wie z.B. langer face-to-face Kontakt) eine besondere Rolle. Dies gilt auch bei Kontakten mit Familienangehörigen oder Freunden außerhalb des eigenen Haushalts und im beruflichen Umfeld. Die besorgniserregenden Virusvarianten B.1.1.7, B.1.351 und P1 sind nach Untersuchungen aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika und gemäß Einschätzung des ECDC noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar. Masken stellen einen wichtigen Schutz vor einer Übertragung durch Tröpfchen bei einem engen Kontakt dar. Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Maske unterschritten wird, z. B. wenn Gruppen von Personen an einem Tisch sitzen oder bei größeren Menschenansammlungen, besteht auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko. Bei SARS-CoV-2 spielt die unbemerkte Übertragung über Aerosole eine besondere Rolle. Die Aerosolausscheidung steigt bei lautem Sprechen, Singen oder Lachen stark an. In Innenräumen steigt hierdurch das Risiko einer Übertragung deutlich, auch über einen größeren Abstand als 1,5 m. Im Alltag können Masken die Freisetzung von Aerosolen reduzieren, aber nicht sicher vor einer Ansteckung auf diesem Weg schützen. Regelmäßiges intensives Lüften führt zu einer Reduktion der infektiösen Aerosole und ist daher ein wichtiger Bestandteil der Schutzmaßnahmen. In welchem Maß die verfügbaren Impfstoffe nicht nur vor der Erkrankung schützen, sondern auch einen Effekt auf die Übertragung des Erregers haben, ist noch nicht abschließend geklärt. Es liegen aber zunehmend Daten vor, die darauf hinweisen, dass die Impfung auch das Risiko einer Übertragung reduziert, diese aber nicht vollständig blockiert (zum Ganzen: Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavi-rus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom 11. und vom 16. März 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-11-de.pdf?__blob=publicationFile und https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-16-de.pdf?__blob=publicationFile, und Risikobewertung zu COVID-19 vom 26. Februar 2021, 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, abgerufen am 12. März 2021).

 

Für den Freistaat Sachsen waren – Stand 17. März 2021 – in den letzten sieben Tagen 4.441 neue Fälle zu verzeichnen. Der Inzidenzwert für den gesamten Freistaat betrug 109 Fälle je 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen (RKI, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, Fallzahlen in Deutschland, Stand: 17. März 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html). Dabei weisen nunmehr wieder alle Landkreise und kreisfreien Städte Inzidenzwerte von über 50 je 100.000 Einwohner, hiervon vier Landkreise Inzidenzwerte von über 100 und ein weiterer Landkreis einen Inzidenzwert von 342 auf (RKI, COVID-19-Dashboard, https://www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html, Stand: 12. März 2021). Die Inzidenzwerte Sachsen zeigen dabei seit Ende Februar wieder eine stetig leicht und in den letzten Tagen erheblich steigende Tendenz (https://www.coronavirus.sachsen.de/infektionsfaelle-in-sachsen-4151.html#a-8996).

 

In Sachsen sind ca. 1.500 Intensivbetten vorhanden. Davon sind derzeit – Stand 17. März 2021 – noch etwa 350 Intensivbetten frei. Der Anteil der CO-VID-19-Patienten an der Gesamtzahl der Intensivbetten beträgt in Sachsen 13,55 %. Von diesen 203 aktuell intensivmedizinisch behandelten Patienten müssen 110 invasiv beatmet werden (https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/kartenansichten, Stand: 17. März 2021).“

 

39 Diese Situation hat sich im Freistaat Sachsen seitdem erheblich weiter verschlechtert. Die Verbreitung des Corona-Virus nimmt wieder exponentiell zu. Auch die Belastung der Intensivstationen mit COVID-19-Patienten ist entgegen der Behauptung des Antragstellers bereits wieder deutlich gestiegen und nähern sich wieder dem kritischen Wert, ab dem die Kapazitäten ausgeschöpft sind. Bereits für April 2021 sagen Modellierungen der Zentralen Krankenhausleitstelle Sachsen am Universitätsklinikum Dresden eine Überlastung voraus (vgl. https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/corona-covid-fallzahlen-grafik-100.html, Stand 27. März 2021; https://medienservice.sachsen.de/medien/news/249435).

 

40 3.2 Angesichts dieser Infektionslage und der weiterhin für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland sehr hohen Gefährdungslage sind die zuständigen Behörden weiterhin zum Handeln verpflichtet. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 17. März 2021 (- 3 B 53/21 – juris Rn. 24 ff.) Folgendes ausgeführt, woran er festhält:

 

„Es dürfen einerseits weiterhin Maßnahmen ergriffen werden, um die Infektionszahlen auf ein Maß zu reduzieren, mit dem die personell aufgestockten Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung verlässlich und zeitnah durchführen können, sowie andererseits weiterhin Maßnahmen erfolgen, um auch die Ausbreitung des Virus und seiner Varianten in Sachsen möglichst so weit zu verzögern, bis jedem Bürger ein verlässliches Impfangebot gemacht werden kann (vgl. Beschluss vom 2. Februar 2021 – 3 B 8/21 -, juris Rn. 36 ff. m. w. N.).

 

Da nach dem Vorgesagten in allen sächsischen Landkreisen ferner der Schwellenwert von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – teilweise weiterhin massiv – überschritten wird, sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Weil diese Situation in Landkreisen bundes- und landesweit gegeben ist, sind bundes- und landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 9 und Satz 10 IfSG). Soweit in diesem Zusammenhang vermehrt bezweifelt wird, inwieweit der bundesgesetzlich festgelegte Schwellenwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner weiterhin von Sachgründen getragen ist, vermag der Senat im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angesichts der hohen Volatilität der aktuellen Pandemieentwicklung und des Fehlens einer verlässlichen und eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnislage zur gegenwärtig eingetretenen Situation nicht zu erkennen, dass der parlamentarische Bundesgesetzgeber die ihm auch im Rahmen seiner ihm in tatsächlicher Hinsicht zukommenden Einschätzungsprärogative bei der Bewertung der Gefahrenlage (BVerfG, Beschl. vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschl. v. 11. November 2020 – 3 B 357/20 -, juris Rn. 41) obliegende Pflicht zur Beobachtung, Überprüfung und Nachbesserung (vgl. BVerfG, Urt. v. 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 -, BVerfGE 150, 1, juris Rn. 174 ff.) seiner Regelungen (bereits) verletzt hätte. Die gegenwärtige Lage der Pandemie ist einerseits zwar durch die fortschreitende Durchimpfung der besonders vulnerablen Gruppen und eine verstärkte Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests, andererseits aber auch durch die schnelle Zunahme der Verbreitung risikoträchtigerer und insbesondere deutlich infektiöserer Virusvarianten gekennzeichnet, die in Irland und Portugal bekanntermaßen innerhalb sehr kurzer Zeit zu einem rapiden Anstieg der Infektionszahlen und einer Überlastung des Gesundheitssystems geführt hatten (vgl. https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/darstellung-der-entwicklung-des-infektionsgeschehens-in-irland/ und https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Portugal). Die Notwendigkeit einer Anpassung der Schwellenwerte des § 28a Abs. 3 IfSG kann derzeit angesichts dieser einander gegenläufigen und in den sich letztlich ergebenden Auswirkungen nicht sicher prognostizierbaren Tendenzen weder hinsichtlich der von einer Seite geforderten Erhöhung noch hinsichtlich der von anderer Seite diskutierten Absenkung als evident und völlig unzweifelhaft bezeichnet werden. Auch das RKI empfiehlt weiterhin eine Orientierung an den in § 28a Abs. 3 IfSG normierten Schwellenwerten bei der Einleitung oder Rücknahme von Öffnungsschritten des „Lockdowns“, wenngleich nunmehr ergänzt um weitere Indikatoren (vgl. ControlCOVID, Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18. Februar 2021), wofür § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG („insbesondere“) zudem bereits in der geltenden Fassung auch ohne Weiteres Raum bietet. Besonders schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Schwellenwertregelung des § 28a Abs. 3 IfSG, die diesbezüglich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 4. April 2007 – 19 CS 07.396 -, juris Rn. 31), sind danach nicht zu erkennen.“

 

41 Bezüglich des Vorbringens des Antragstellers, PCR-Testungen seien nur dann hinsichtlich einer Ansteckungsgefahr aussagekräftig, wenn sie sich auf einen Ct-Wert von unter 30 bezögen, dies werde aber nicht erfasst, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17. November 2020 (- 3 B 351/20 -, juris Rn. 41 f.) Folgendes ausgeführt:

 

„Soweit der Antragsteller vorträgt, dass ein positiver PCR-Test keinen Schluss darauf zulasse, ob eine Infektion oder Krankheit vorliege, mag dies grundsätzlich zutreffen. Daraus folgt aber nicht, dass die Zahl der positiven PCR-Tests vom Verordnungsgeber nicht zur Lageeinschätzung herangezogen werden könnte. Zum einem trägt schon der Antragsteller selbst nicht durch entsprechendes Zahlenmaterial belegt vor, dass eine nennenswerte Anzahl mittels des PCR-Tests positiv getesteter Menschen nicht infektiös wäre. Soweit er darauf verweist, dass viele positiv Getestete keine Symptome zeigen würden, spielt dies nach der Bewertung des Robert-Koch-Instituts jedenfalls keine Rolle, da eine hohe Infektiosität bereits vor Symptombeginn gegeben sein kann. Im Übrigen wird man den PCR-Test auch als allgemein anerkannt zum Nachweis für eine Infektion mit dem Coronavirus bezeichnen dürfen. Nach dem Robert-Koch-Institut gilt der PCR-Test als „Goldstandard“ für die Diagnostik des Coronavirus (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html). Eine noch zuverlässigere Testmethode ist nicht vorhanden (so auch BayVGH, Beschl. v. 8. September 2020 – 20 NE 20.2001 -, juris Rn. 28; NdsOVG, Beschl. v. 11. November 2020 – 13 M 485/20 -, juris Rn. 29).

 

42 Dass die von den Laboren übermittelten Nachweise positiver PCR-Tests wegen der regelmäßig nicht erfolgten Angabe des Ct-Werts keine Aussagekraft hätten, lässt sich ebenfalls nicht annehmen. Der Ct-Wert (cycle-threshold-Wert) dient als relatives Maß für die Menge der im Probenmaterial vorhandenen Virusmenge (Paul-Ehrlich-Institut, SARS-CoV-2-Testsysteme, veröffentlicht unter: https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-inhalt.html?cms_pos=6). Allerdings ist der vom Antragsteller insoweit beklagte fehlende Standard, woraus er einen unzulänglichen Aussagegehalt der Daten ableitet, wohl der Sache immanent. Das PCR-Verfahren ist nämlich kein in allen Laboren einheitlich angewandtes Verfahren, da sich das in die Extraktion eingesetzte Probenvolumen, der Anteil des Elutionsvolumens im PCR-Ansatz und Extraktions-, Elutions- und Amplifikationseffizienz zwischen verschiedenen PCR-Verfahren unterscheiden können (Paul-Ehrlich-Institut, a. a. O.), so dass auch die Ct-Werte nur bedingt vergleichbar sind. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Labore so unspezifisch testen würden, dass diese eine Sensitivität ansetzen würden, wonach durchgängig in tatsächlicher Hinsicht überhaupt keine relevante Viruslast vorhanden ist. Dagegen spricht im Übrigen schon die Positivquote. Denn wie der Antragsteller selbst vorträgt, wäre bei einer zu hohen Rundenzahl praktisch jeder Test positiv. Dann würde aber die Positivquote nicht nur 7,88 % betragen.“

 

42 Hieran hält der Senat fest (vgl. auch ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. März 2021 – 11 S 17/21 -, juris Rn. 41 ff. m. w. N.).

 

43 Der Senat hat im vorgenannten Beschluss vom 2. Februar 2021 (- 3 B 8/21 -) weiter darauf abgestellt, dass dem Verordnungsgeber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, welcher durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird. Wenn – wie hier – die Freiheits- und Schutzbedarfe der verschiedenen Grundrechtsträger in unterschiedliche Richtung weisen, haben der Gesetzgeber und auch die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen einen Spielraum für den Ausgleich dieser widerstreitenden Grundrechte. Die Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers muss dabei erkennbar und plausibel vom Prinzip der größtmöglichen Schonung der Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabeeinschränkungen Betroffenen geleitet sein; Unsicherheiten über die Ursachen der Ausbreitung des Coronavirus dürfen nicht ohne Weiteres „im Zweifel“ zu Lasten der Freiheits- und Teilhaberechte aufgelöst werden. Die Zumutung konkreter Einschränkungen bedarf umso mehr der grundrechtssensiblen Rechtfertigung, je unklarer der Beitrag der untersagten Tätigkeit zur Verbreitung des Coronavirus ist und je länger diese Einschränkung dauert (SächsVerfGH, Beschl. v. 11. Februar 2021 – Vf. 14-II-21 [e.A.] -, juris Rn. 31; VerfGH NRW, Beschl. v. 29. Januar 2021 – VerfGH 21/21.VB -3 -, S. 9). Der Verordnungsgeber ist aber auch nicht gehalten, die Gefahr einer (neuerlichen) signifikanten Gefahrerhöhung hinzunehmen, sondern aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sogar prinzipiell zu Maßnahmen des Gesundheits- und Lebensschutzes verpflichtet (SächsVerfGH, Beschl. v. 11. Feb-ruar 2021 – Vf. 14-II-21 [e.A.] -, juris Rn. 31; BVerfG, Beschl. v. 11. November 2020 – 1 BvR 2530/20 -, juris Rn. 16 zu Art. 2 Abs. 2 GG; BayVerfGH, Entsch. v. 30. Dezember 2020 – Vf. 96-VII-20 -).

 

44 Auch die speziellen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 und Abs. 3 IfSG für Verordnungsregelungen zu besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 sind erfüllt. Es liegt eine vom Bundestag festgestellte (BT-PlPr 19/215, S. 27052C) epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vor, weil eine dynamische Ausbreitung dieser bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland stattfindet (§ 5 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 IfSG).

 

45 3.3 Der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung liegt die in der Beratung der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin vom 3. März 2021 beschlossene und damit eine bundesweit abgestimmte Maßnahmekonzeption zugrunde. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 17. März 2021 (- 3 B 53/21 – juris Rn. 29 ff.) Folgendes ausgeführt:

 

„Die Konzeption berücksichtigt als neue Faktoren der pandemischen Lage die zunehmende Menge an Impfstoff und die Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests in sehr großen Mengen. Die Maßnahmekonzeption legt zugrunde, dass das Impfen eine Reduzierung der schweren Verläufe bewirkt und zudem in dem Maße, in dem zunehmend auch die Personengruppen und Jahrgänge geimpft werden, die viele Kontakte haben, das Impfen auch kontinuierlich immer stärker der Ausbreitung des Virus entgegen wirkt. Schnelltests geben tagesaktuell zusätzliche Sicherheit bei Kontakten. Regelmäßige Testungen können dabei unterstützen, auch Infektionen ohne Krankheitssymptome zu erkennen. Infizierte Personen können so schneller in Quarantäne gebracht und ihre Kontakte besser nachvollzogen werden. Der Effekt ist dabei umso größer, je mehr Bürgerinnen und Bürger sich konsequent an dem Testprogramm beteiligen.

 

Auch wenn die vulnerabelsten Gruppen bald geimpft sein werden, geht die Maßnahmekonzeption weiterhin davon aus, dass keine beliebigen Neuinfektionsraten toleriert werden können. Wenn die Infektionszahlen erneut exponentiell ansteigen, kann das Gesundheitswesen mit dann jüngeren Patienten schnell wieder an seine Belastungsgrenzen stoßen. Zahlreiche Berichte über COVID-19-Langzeitfolgen („long COVID“) mahnten ebenfalls zur Vorsicht. Bund und Länder sehen aber eine Chance, dass durch die deutliche Ausweitung von Tests und ein Testprogramm in Verbindung mit einer besseren Nachvollziehbarkeit der Kontakte im Falle einer Infektion Öffnungsschritte auch bei höheren sieben-Tage-Inzidenzen mit über 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner möglich werden.

 

Beschlossen wurde ein gemeinsames Vorgehen von Ländern und Bund bei den Öffnungsschritten nach einheitlichen Maßstäben und ein schnelles und entschiedenes regionales Gegensteuern, sobald die Zahlen aufgrund der verschiedenen COVID19-Virusvarianten in einer Region wieder hochschnellen, um erneute bundesweit gültige Beschränkungen zu vermeiden.

 

In einem „Vierklang“ aus Impfen, Testen, Kontaktnachvollziehung und Öffnungen wurde beschlossen, die Möglichkeiten der Einbeziehung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte bei den Impfungen weiterzuentwickeln und ab Ende März/Anfang April die haus- und fachärztlichen Praxen umfassend in die Impfkampagne einzubinden. Auch Betriebsärztinnen und Betriebsärzte und die Unternehmen sollen im Laufe des zweiten Quartals verstärkt in die Impfkampagne eingebunden werden. Die für die Zweitimpfung zurückgehaltenen Dosen sollen noch weiter deutlich reduziert werden. Für stark betroffene Regionen sollen Impfkontingente des jeweiligen Bundeslandes prioritär für Ringimpfungen genutzt werden können. Testkonzepte sollen über wöchentliche Schnelltests einen sicheren Schulbetrieb und eine sichere Kinderbetreuung ermöglichen. Auch die Unternehmen sollen als gesamtgesellschaftlichen Beitrag für einen umfassenden Infektionsschutz ihren in Präsenz Beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest machen. Allen asymptomatischen Bürgerinnen und Bürgern wird mindestens einmal pro Woche ein kostenloser Schnelltest ermöglicht.

 

Im Übrigen bleibt der Grundsatz, Kontakte zu vermeiden, das wesentliche Instrument im Kampf gegen die Pandemie. Gleichzeitig sollen Planungsperspektiven gegeben werden, wie und wann Beschränkungen wieder aufgehoben werden können. Weil diese Perspektive besonders bedeutend für Kinder, Jugendliche und deren Eltern ist, entscheiden die Länder in Eigenverantwortung über die sukzessive Rückkehr der Schülerinnen und Schüler in den Präsenzunterricht (unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen wie etwa Wechselunterricht und Hygienemaßnahmen). Da der Anteil der Virusvarianten an den Infektionen in Deutschland schnell ansteigt, wodurch die Zahl der Neuinfektionen wieder zu steigen beginnt, soll ein erneutes Hochfahren des öffentlichen Lebens vorsichtig erfolgen.

 

Die Möglichkeit zu privaten Zusammenkünften mit Freunden, Verwandten und Bekannten wird – in Abhängigkeit von der Entwicklung der Inzidenzen – wieder erweitert. Im Übrigen werden die bestehenden Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder beibehalten. Nachdem erste Öffnungsschritte insbesondere im Bereich der Schulen und Friseure in den Ländern bereits vollzogen wurden, werden nunmehr in einem zweiten Öffnungsschritt im öffentlichen Bereich Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte zukünftig einheitlich in allen Bundesländern dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet und können somit mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder öffnen. Darüber hinaus können ebenfalls die bisher noch geschlossenen körpernahen Dienstleistungsbetriebe sowie Fahr- und Flugschulen mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder öffnen, wobei für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen, bei denen nicht dauerhaft eine Maske getragen werden kann, ein tagesaktueller COVID-19-Schnell- oder Selbsttest der Kundin oder des Kunden und ein Testkonzept für das Personal Voraussetzung ist. In einem dritten Öffnungsschritt kann ein Land in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen den Einzelhandel, Museen, Galerien, zoologische und botanische Gärten sowie Gedenkstätten wieder öffnen und kontaktfreien Sport in kleinen Gruppen im Außenbereich zulassen, bei sieben-Tage-Inzidenzen von über 50 und unter 100 Neuinfektionen aber nur mit weiteren Einschränkungen, insbesondere nur für sog. Terminshopping-Angebote. Mit den benachbarten Gebieten mit höheren Inzidenzen sind gemeinsame Absprachen zu treffen, um eine länderübergreifende Inanspruchnahme der geöffneten Angebote möglichst zu vermeiden. Steigt die sieben-Tage-Inzidenz in dem Land oder der Region auf über 100, treten die Regelungen, die bis zum 7. März 2021 gegolten haben, wieder in Kraft (Notbremse). Ein vierter Öffnungsschritt kann in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen erfolgen, wenn sich die sieben-Tage-Inzidenz nach dem dritten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage lang nicht verschlechtert hat. Dies betrifft die Öffnung der Außengastronomie, die Öffnung von Theatern, Konzert- und Opernhäusern sowie Kinos, kontaktfreien Sport im Innenbereich, Kontaktsport im Außenbereich, auch insoweit – je nach Inzidenzwert – ggf. mit Einschränkungen wie der Anforderung einer Terminbuchung oder eines tagesaktuellen Selbsttests. Ein weiterer fünfter Öffnungsschritt kann – wiederum in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen – erfolgen, wenn sich die sieben-Tage-Inzidenz nach dem vierten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage lang nicht verschlechtert hat. Dies betrifft dann – je nach Inzidenz – Freizeitveranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Außenbereich, Sport in Innen- und Außenräumen sowie den Verzicht auf Beschränkungen für den Einzelhandel.

 

Die Verpflichtung der Arbeitgeber, nach Möglichkeit eine Tätigkeit im Homeoffice anzubieten, wird verlängert.

 

Darüber hinaus wurde beschlossen, die existierenden Hilfsprogramme zu verlängern und für Unternehmen, die hiervon bislang nicht profitieren konnten, zu erweitern.

 

Nach dieser Maßnahmekonzeption werden damit nun – in Abhängigkeit von einem Unterschreiten einer Inzidenz von 100 – von den Öffnungsuntersagungen und sonstigen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen, mittels derer bislang die Reduktion von Kontakten erfolgt ist, sozial und gesellschaftlich besonders gravierende Beschränkungen der Freiheits- und Teilhaberechte wie die Schulschließungen für die Sekundarstufe und die Begrenzung der privaten Kontakte auf eine haushaltsfremde Person zurückgenommen. Im Übrigen enthält das Konzept eine gestufte Öffnungskonzeption für zahlreiche weitere bislang untersagte Betriebe und Angebote, die „Ob“ und „Wie“ der Öffnung vom Erreichen und der Stabilität zunächst v. a. der Inzidenzwerte 50 bzw. 100 abhängig macht und ein schnelles Rückfallen auf die Regelungen des „Lockdown“ bei einem Überschreiten der Inzidenz von 100 vorsieht. Begleitet wird dies durch eine angestrebte sehr breite Infektionsermittlung mittels zum Teil freiwilliger, zum Teil verpflichtender (mindestens) wöchentlicher Tests für die gesamte Bevölkerung, insbesondere in den Schulen und Unternehmen.

 

Dieses Konzept verfolgt dabei ersichtlich das Ziel einer größtmöglichen Schonung der Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabeeinschränkungen Betroffenen, indem in der bestehenden volatilen Pandemielage trotz der evidenten Risiken einer Ausbreitung infektiöserer Virusvarianten deutliche Öffnungsschritte bereits oberhalb einer Inzidenz von 50 unter Erprobung der noch unsicheren Realisierbarkeit und Effektivität breiter Testungen unternommen werden, obwohl schon die im Februar 2021 unternommenen ersten Öffnungsschritte aus dem „Lockdown“ dazu geführt hatten, dass die Ausbreitung von SARS-CoV-2 im Bundesgebiet und im Freistaat Sachsen nicht mehr abnahm, sondern stagnierte und sodann wieder stieg. Der Verordnungsgeber nimmt damit nun erhebliche Unsicherheiten über die tatsächliche Beherrschbarkeit der Ausbreitung des Coronavirus mittels breiter Testungen zugunsten einer Aufhebung oder Verringerung der Beschränkungen von Freiheits- und Teilhaberechten in Kauf.

 

Dass er ein stufenweises Vorgehen wählt, welches ihm die Möglichkeit gibt, die Auswirkungen einzelner Öffnungsmaßnahmen zunächst zu beobachten, bevor weitere Schritte folgen, ist hierbei angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Pandemielage und der nach den Pandemieverläufen in Irland und Portugal evidenten Gefahren einer überaus schnellen Ausbreitung infektiöserer Virusvarianten, insbesondere der Virusvariante B.1.1.7, nicht zu beanstanden. Es entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen des RKI, bei der De-Eskalation vorsichtig und langsam vorzugehen (RKI, ControlCOVID Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18. Februar 2021, S. 3). Es handelt sich daher nicht um eine willkürliche, sondern um eine von sachlichen Erwägungen getragene Entscheidung, gestufte, an der Entwicklung der Pandemielage ausgerichtete, insgesamt aber noch begrenzte Öffnungsschritte insbesondere für gesellschaftlich und wirtschaftlich besonders bedeutsame Bereiche vorzusehen, an den weitergehenden Beschränkungen für eine Vielzahl der Lebens- und Wirtschaftsbereiche zum Zweck der Kontaktreduzierung aber festzuhalten. Diese Regelungskonzeption steht auch nach wie vor im Einklang mit den Vorgaben des § 28a Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 IfSG, wonach bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist (vgl. dazu im Einzelnen SächsOVG, Beschl. v. 7. Januar 2021 – 3 B 424/20 -, juris Rn. 36).

 

Der Verordnungsgeber ist dabei voraussichtlich auch nicht durch höherrangiges Recht aufgrund der aktuell nicht mehr unmittelbar drohenden Überlastung des Gesundheitssystems darauf verwiesen, nunmehr schnellere und weitere Öffnungsschritte vorzusehen, die eine Kontrolle des Infektionsgeschehens nicht mehr erwarten und eine exponentielle Zunahme der Infektionen besorgen lassen, und erst nach einem erneuten erheblichen Anstieg der Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen zu – dann notwendig wieder deutlich tiefgreifenderen – Kontaktbeschränkungsmaßnahmen zurückzukehren. Mit der Regelung des § 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG, der auch nach einer Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes die Aufrechterhaltung der in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen erlaubt, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, macht bereits das Bundesgesetz deutlich, dass es mit dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers in Einklang steht, keinen solchen Jo-Jo-Effekt von aufeinander folgenden exponentiellen Epidemiewellen und massiven Kontaktbeschränkungsmaßnahmen zuzulassen. Ein solches Vorgehen ist auch nicht in gleicher Weise zur Pandemiebekämpfung geeignet. Die gegenwärtige volatile Pandemielage ist durch die neuen Faktoren einer fortschreitenden Impfung, der zwar einerseits breiter als vormals verfügbaren Tests aber einer andererseits in ihrer Effektivität noch nicht verlässlich beurteilbaren Teststrategie, sowie deutlich infektiöserer Virusvarianten gekennzeichnet. Für die Auswirkungen von Maßnahmen und Strategien in dieser neuen Situation existieren weder eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse noch Erfahrungswerte. Da Hospitalisierungen und Einweisungen auf die Intensivstationen (ITS) erst mit einem zeitlichen Verzug nach der Infektion erfolgen und somit der Infektionsentwicklung ohnehin stets hinterherlaufen, und da auch Kontaktbeschränkungsmaßnahmen erfahrungsgemäß erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu wirken beginnen, ist es – allzumal angesichts der in Irland und Portugal zu verzeichnenden rasanten Pandemieentwicklungen im Rahmen der Ausbreitung der Virusvariante B.1.1.7 (vgl. https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/darstellung-der-entwicklung-des-infektionsgeschehens-in-irland/ und https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Portugal) – nicht evident und zweifelsfrei, dass es dem Verordnungsgeber möglich ist, eine exponentielle Ausbreitung des Virus so gesteuert zuzulassen, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems sicher vermieden wird. Ohnehin liegt der Anteil der COVID-ITS Fälle an der ITS-Kapazität im Freistaat Sachsen noch über 12 % und damit über dem Schwellenwert, den das RKI für die Einleitung von Lockerungsmaßnahmen empfiehlt (RKI, ControlCOVID, a. a. O., S. 6). Eine bloße Fokussierung auf eine Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems vernachlässigt zudem zu Unrecht, dass dies nur einer der Aspekte ist, unter dem in der gegenwärtigen Pandemielage besondere Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung drohen. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt sind hingegen die Folgen der bislang nicht hinreichend behandelbaren Erkrankung COVID-19 selbst, die auch jenseits der mittlerweile zu einem hohen Anteil geimpften Hochrisikogruppen mit einer zwar geringeren, aber gleichwohl signifikanten statistischen Häufigkeit zu tödlichen Verläufen und gravierenden gesundheitlichen Folgeschäden führt. Allzumal angesichts der in wenigen Monaten in Aussicht stehenden „Durchimpfung“ der Bevölkerung stellt es ebenfalls ein legitimes Ziel des Verordnungsgebers dar, hohe Pandemiewellen auch in der nicht zur Hochrisikogruppe zählenden Bevölkerung zu verhindern, weil auch dort eine massive Verbreitung des Virus letztlich unweigerlich eine entsprechend quantitativ hohe Anzahl von Todesfällen und erheblichen gesundheitlichen Folgeschäden nach sich zieht, die bei einer erfolgreichen Begrenzung der Pandemie bis zur „Durchimpfung“ wohl vermeidbar wären. Es ist schließlich auch nicht evident und eindeutig, dass epidemiologisch verfrühte Öffnungen mit dem dann absehbar eintretenden „Jojo-Effekt“ milder und grundrechtsschonender gegenüber einem zeitlich zwar verzögerten, dafür aber prognostisch nachhaltigeren Öffnungsschritt sind. Denn auch der Nachvollzug von Öffnungen und Schließungen ist für die Betriebe und Einrichtungen mit einem zum Teil erheblichen Aufwand verbunden, der sich bei nur kurzen Phasen einer Öffnung kaum lohnen dürfte. Auch insoweit ist daher dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen hier nicht überschritten sein dürften und der daher nicht durch die eigene Wertung des Gerichts ersetzt werden kann.“

 

46 Auch hieran hält der Senat unter Berücksichtigung der Einwände des Antragstellers fest. Es bestehen insbesondere entgegen der Auffassung des Antragstellers keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Teststrategie im Freistaat Sachsen, mit der die erfolgten Öffnungsschritte begleitet werden, übertrieben breit angelegt wäre. Das rasante Ansteigen der Infektionszahlen in den letzten Wochen im Freistaat Sachsen und die deutliche Zunahme der Belastung der Krankenhäuser mit COVID-19-Patienten belegen vielmehr das Gegenteil, dass die Teststrategie keineswegs in einem solch breiten Umfang greift, der für eine Beherrschung der Infektionslage bei Beibehaltung von Öffnungsschritten erforderlich wäre.

 

47 3.4 Der Verordnungsgeber ist hierbei voraussichtlich auch durch § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt, die in § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO angeordnete Testpflicht zu erlassen.

 

48 Nach § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG kann die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel als eine mögliche notwendige Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 angeordnet werden. Die in § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO vorgesehene Testpflicht stellt jedenfalls eine Beschränkung i. S. d. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG dar. Ob eine solche Testpflicht auch Bestandteil eines Hygienekonzepts i. S. d. § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG sein kann und ob daher auch auf diese Norm als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden könnte, kann der Senat vor diesem Hintergrund offenlassen.

 

49 Eine Beschränkung ist der Wortbedeutung nach jede Einschränkung oder Begrenzung. Die die Auslegung begrenzende Wortlautgrenze wird mithin nicht überschritten, wenn statt einer voraussetzungsunabhängigen Gewerbeausübung eine solche nunmehr an eine Testpflicht gekoppelt wird. Zwar mag in Hinblick auf die Gesetzessystematik auf den ersten Blick auffallen, dass § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG in Bezug auf Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 IfSG, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen nicht den Begriff der „Beschränkungen“ verwendet, sondern der Gesetzgeber insoweit die „Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebes“ vorgesehen hat, was ausgehend vom Wortlaut das Vorsehen einer Testpflicht näher legen könnte als die Verwendung des Worts „Beschränkungen“. Insoweit zeigt eine Analyse des Gesetzgebungsverfahrens jedoch, dass der Gesetzgeber auch Auflagen zur Betriebsfortführung als Beschränkungen verstanden wissen wollte.

 

50 Der Bundesgesetzgeber hat mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) § 28 Abs. 1 IfSG geändert und § 28a IfSG eingefügt. Ausgangspunkt war der am 3. November 2020 vorgelegte Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der in § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG-E die Schutzmaßnahme „Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen oder Schließung von Einzel- oder Großhandel oder Beschränkungen und Auflagen für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel“ vorsah. Zu diesem empfahl der federführende Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 16. November 2020 die schließlich in das Gesetz übernommene abweichende Formulierung (BT-Drs. 19/24334, S. 22). Ausweislich der vom Ausschuss angeführten Begründung (BT-Drs. 19/24334, S. 72) war mit der Umformulierung jedoch keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Straffung beabsichtigt. Dies lässt nur den Rückschluss zu, dass der Begriff der Auflagen vom Gesetzgeber unter den dann nur noch in § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG aufgenommenen Begriff der Beschränkungen subsumiert wurde. Der Annahme, dass eine Testpflicht eine Beschränkung in diesem Sinn darstellt, steht auch nicht entgegen, dass sich der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drs.19/23944 S. 29) nicht mit diesem Instrument auseinandergesetzt hat. Dies liegt einerseits darin begründet, dass zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens noch nicht absehbar war, dass Selbsttests einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten können, denn diese standen damals nicht zur Verfügung und es war daher nicht offensichtlich, dass diese zu einem wesentlichen Bestandteil des bundesweiten Schutzkonzepts erwachsen würden. Zum anderen sind die in § 28a Abs. 1 IfSG im Einzelnen benannten Schutzmaßnahmen in Hinblick auf die Regelungsintention, der Schaffung eines möglichst weitreichenden Handlungsspielraums vor dem Hintergrund der sich dynamisch entwickelnden und in tatsächlicher Hinsicht ständig neue Fragen aufwerfenden Pandemiesituation, auch bewusst nicht ganz eng gefasst, sondern nur schlagwortartig bezeichnet worden, um auf tatsächlich wirksame Instrumente zur Pandemiebekämpfung zurückgreifen zu können. Dass der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund von einer allzu detaillierten Regelung abgesehen hat und die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber, überlassen wollte, ist ein legitimes Vorgehen und insbesondere auch nicht in Hinblick auf die gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zur fordernde Normbestimmtheit zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 -, BVerfGE 143, 38 [61], juris Rn. 57 m. w. N.; ThürVerfGH, Urt. v. 1. März 2021 – 18/20 -, juris Rn. 387). Vor diesem Hintergrund wird man auch aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 36 Abs. 10 Nr. 1c IfSG eine Verordnungsermächtigung in Hinblick auf die Vorlage eines Testergebnisses geschaffen hat, nicht den Rückschluss ziehen können, dass aus der Nichtaufnahme einer solchen Vorschrift in § 28a Abs. 1 IfSG folgt, dass sich die Anordnung einer Testpflicht außerhalb von Auflagen oder Beschränkungen i. S. d. § 28a Abs. 1 IfSG und damit außerhalb auch der Ermächtigung des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG bewegt. Insoweit ist zu sehen, dass § 36 Abs. 10 IfSG eine Verordnungsermächtigung für einen gegenüber § 28a Abs. 1 IfSG viel spezielleren Lebenssachverhalt, nämlich die Einreise aus ausländischen Risikogebieten nach Deutschland, regelt. Daher war es dem Gesetzgeber aufgrund des viel enger umrissenen zu regelnden Lebenssachverhalts auch möglich und wohl auch erforderlich, insoweit detailliertere Regelungen zu treffen als in Zusammenhang mit den Fragen, die sich hinsichtlich des breiten Bündels besonderer Schutzmaßnahmen des § 28a Abs. 1 IfSG und hierunter insbesondere bezüglich der Ausübung von Handel und Gewerbe stellen. Der Gesetzesbegründung zu § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG lässt sich aber jedenfalls entnehmen, dass „je nach Art der bei Arbeitsprozessen in Betrieben zu erwartenden Kontakten (…) angemessene Schutz- und Hygienekonzepte“ vorgesehen werden sollen, was Vorgaben für den Betriebsablauf impliziert. Eine solche stellt die Testpflicht dar, welche, der Gesetzesbegründung entsprechend, auch auf einen Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus in Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit zielt.

 

51 Strengere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage ergeben sich diesbezüglich voraussichtlich auch nicht aus den Auswirkungen falsch-positiver Tests. Zwar trifft es zu, dass statistisch ein breites, nicht anlass- oder symptombezogenes Testen – je seltener eine Erkrankung auftritt, je öfter – damit einhergeht, dass von der sich nach Sensitivität und Spezifität des Tests ergebenden Gesamtanzahl positiver Tests ein höherer Anteil falsch-positiv ist (vgl. für ein Berechnungsbeispiel https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Infografik_Antigentest_PDF.pdf?__blob=publicationFile). Hierbei schließen sich auch an falsch-positive Schnell- oder Selbsttests regelmäßig bis zum Abschluss einer anschließenden PCR-Testung für die Betroffenen Quarantänemaßnahmen an. Diese statistisch je nach konkreter Pandemielage in unterschiedlich ausgeprägtem Ausmaß erwartbaren Auswirkungen anlassloser breiter Testungen führen indes nicht dazu, dass die verfolgte Teststrategie vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst festzulegen wäre. Die Teststrategie ist eines der Bestandteile des Konzepts der Pandemiebekämpfung, das gerade in hohem Maße von den sich wandelnden aktuellen Rahmenbedingungen, den Entwicklungen wissenschaftlicher Erkenntnis und technischen Fortschritts sowie der vorhandenen Kapazitäten abhängig ist. Die Ausgestaltung dieser Strategie darf der parlamentarische Gesetzgeber daher der Exekutive vorbehalten. Das Risiko unberechtigter Quarantänemaßnahmen für falsch-positiv Getestete ist seiner Wahrscheinlichkeit und seinem Gewicht nach zudem auch selbst bei breiten Testungen nicht so hoch, dass dieser Aspekt der Teststrategie eine eigene Entscheidung des Gesetzgebers erfordern würde. Das Risiko für Getestete, bei einer Testung überhaupt ein falsch-positives Resultat zu erhalten, bemisst sich nach der Spezifität der Tests und ist gering. An einen positiven Schnell- oder Selbsttest schließt sich zudem, jedenfalls wenn nicht der Betroffene selbst hierauf verzichtet, eine PCR-Testung an, die innerhalb weniger Tage ein falsch-positives Ergebnis korrigieren kann. Der Betroffene hat es deshalb in der Hand, dass eine sich ex-post als unberechtigt erweisende Quarantäne jedenfalls wenige Tage nicht überschreitet. Die Folgen falsch-positiver Testungen gehen damit nicht über das hinaus, was derzeit etwa angesichts der sehr leichten Übertragbarkeit von COVID-19 ohnehin bei jeder Atemwegserkrankung vorsorglich von der Bevölkerung gefordert und in aller Regel auch eingehalten wird. Dass auch ein breites Testen dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers durchaus entspricht, zeigt im Übrigen auch die Regelung des § 36 Abs. 10 Nr. 1c IfSG.

 

52 Der Umstand, dass eine solche Testpflicht möglicherweise auch auf der Grundlage von § 18 Abs. 3 ArbSchG durch eine Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angeordnet werden könnte, steht dem Rückgriff auf die Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG gleichfalls nicht entgegen. Beide Verordnungsermächtigungen verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen. Während sich § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG im Sinne eines umfassenden Schutzes der Bevölkerung darauf richtet, sämtliche in Zusammenhang mit der Öffnung von Betrieben, Gewerben sowie dem Handel entstehende Gefahren einer Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken und hierbei insbesondere auch eine spezifische Bekämpfung des erheblichen Beitrags erlaubt, den Ausbrüche im beruflichen Umfeld derzeit zur hohen Zirkulation der Erkrankung in der Bevölkerung leisten (RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 23. März 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-23-de.pdf?__blob=publicationFile), besteht die Zielrichtung des § 18 Abs. 3 ArbSchG in der Ermöglichung besonderer Arbeitsschutzanforderungen (BR-Drs. 426/20, S. 22) und zielt mithin auf den betrieblichen Arbeitsschutz. Inwieweit § 18 Abs. 3 ArbSchG in Bezug auf Schutzmaßnahmen mit vorgenannter Zielrichtung eine Sperrwirkung gegenüber auf Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 32 Satz 1 IfSG erlassenen Verordnungen entfaltet, kann vorliegend dahinstehen, da die in § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO angeordnete Testpflicht in ihrer primären Ausrichtung nicht einen Schutz am Arbeitsplatz verfolgt. Ausweislich der Verordnungsbegründung zu § 3a SächsCoronaSchVO soll es sich nämlich bei der Testpflicht vielmehr um einen „gesamtgesellschaftlichen Beitrag im Interesse eines umfassenden Infektionsschutzes“ handeln, wodurch der Verordnungsgeber eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass die Testpflicht nicht primär dem Arbeitnehmerschutz dient und diese die Weiterverbreitung des Virus nicht nur innerhalb eines Betriebs verhindern soll, sondern dass es auch und vor allem darum geht, in Betrieben bestehende Infektionsketten zu durchbrechen, um einen Eintrag von dort in die anderen Teile der Bevölkerung, insbesondere eine Ansteckung von Kunden zu vermeiden. Dies spiegelt sich auch im Wortlaut des § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO wider, welcher einen „direkten Kundenkontakt“ als Voraussetzung für das Entstehen der Testpflicht normiert. Von dem Ziel des Schutzes der Gesamtbevölkerung muss der Landesverordnungsgeber die Beschäftigten hierbei nicht ausnehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 -, juris Rn. 98). Eine abschließende Regelung aller in Bezug auf die SARS-CoV-2-Pandemie zum Schutz von Beschäftigen veranlassten Maßnahmen wollte der Bundesverordnungsgeber im Übrigen auch mit der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nicht treffen. Deren § 1 Abs. 2 lässt vielmehr abweichende Vorschriften der Länder zum Infektionsschutz unberührt.

 

53 3.5 Die Geltungsdauer der Sächsischen Corona-Schutzverordnung vom 5. März 2021 beschränkt sich ferner nach ihrem § 12 Abs. 1 und 2 auf weniger als vier Wochen und überschreitet den von § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG vorgegebenen Regelgeltungszeitraum nicht.

 

54 4. Die angegriffene Regelung ist auch darüber hinaus nur in ihrem § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO mit höherrangigem Recht voraussichtlich nicht vereinbar, steht im Übrigen aber voraussichtlich mit höherrangigem Recht in Einklang.

 

55 4.1 Nur § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO verstößt voraussichtlich gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art 20 Abs. 3 GG.

 

56 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen gesetzliche Regelungen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm dann überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfG, Beschl. v. 27. November 1990 – 1 BvR 402.87 -, juris Rn. 45). Es ist auf die Sicht des durchschnittlichen Normadressaten abzustellen, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist (SächsOVG, Beschl. v. 12. Mai 2020 – 3 B 177/20 -, juris Rn. 10). Der Normgeber ist gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht für den Normzweck möglich ist (BVerfG, Urt. v. 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 -, juris Rn. 91; SächsOVG, Beschl. v. 7. Januar 2021 – 3 B 446/20 – Rn. 20).

 

57 Hier hat der Verordnungsgeber mit der Anforderung des § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO, wonach die Testung die „jeweils geltende Mindestanforderung des Robert Koch-Instituts“ erfüllen muss, dem Regelungsgehalt nach die Anforderung normiert, dass die Tests dem Stand der Technik entsprechen müssen, diesen aber auf die sachkundige Bewertung des RKI begrenzt. Eine solche Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die für Entwicklungen und neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik offen ist, steht dem Normgeber hierbei grundsätzlich durchaus frei, auch wenn die tatsächlichen Grundlagen derartiger Tatbestandsmerkmale in hohem Maße aufklärungsbedürftig sind (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 -, juris Rn. 105 ff.). Jene normgeberischen Bedürfnisse, die grundsätzlich die Hinnahme eines solchen Regelungsdefizits bezüglich technischer Sicherheitsfragen und ähnlicher Tatbestandsmerkmale zulasten der Rechtssicherheit rechtfertigen, sind vorliegend allerdings nicht einschlägig. Denn hier ist eine Regelung von „in die Zukunft hin offenen technischen Anforderungen“ im Interesse eines dynamischen Grundrechtsschutzes (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 -, juris Rn. 111) nicht erforderlich, da sich die Geltungsdauer der Verordnung nur auf einen kurzen Zeitraum von wenigen Wochen beschränkt und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Entwicklungen daher vom Normgeber ohnehin auf praktikable Art und Weise zeitnah in einer nachfolgenden Verordnung berücksichtigt werden können. Es ist deshalb hier kein besonderes Bedürfnis erkennbar, weshalb der Verordnungsgeber die Mindestanforderungen der Testung nicht näher bestimmt.

 

58 Es tritt hinzu, dass sich die Regelung in ihrer Anwendung vor allem auch unmittelbar an Laien richtet, die ad hoc zu ihrer Umsetzung verpflichtet werden und wenig zeitlichen Spielraum für eine Klärung des Norminhalts haben. Verstöße gegen diese Verpflichtung sind zudem nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e SächsCoronaSchVO bußgeldbewehrt. Dies führt zu gesteigerten Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm (SächsOVG, Beschl. v. 7. Januar 2021 – 3 B 446/20 – a. a. O.). Dem entgegen ist aber nicht einmal eine eindeutige und klar erkennbare Bewertung des RKI zu „Mindestanforderungen“ von Testungen in dessen Veröffentlichungen mit einer üblichen Internet-Recherche auffindbar. Auffindbar hierzu sind vielmehr v. a. Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts (https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/testsysteme.html) und des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (https://antigentest.bfarm.de/ords/f?p=101:100:6080785480258:::::; https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/_node.html). Auf letztere verweist im Übrigen auch der Antragsgegner zwar in seinen FAQ (https://www.coronavirus.sachsen.de/haeufige-fragen-zu-den-ausgangsbeschraenkungen-und-einschraenkungen-des-oeffentlichen-lebens-5074.html?_cp=%7B%22accordion-content9734%22%3A%7B%222%22%3Atrue%7D%2C%22previousOpen%22%3A%7B%22group%22%3A%22accordion-content-9734%22%2C%22idx%22%3A2%7D%7D#a-9733-), nicht aber in der Norm. Hintergrund dieser recherchierbaren Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte ist zudem die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 der Coronavirus-Testverordnung, die dem Verordnungsgeber bekannt war, von ihm aber gerade nicht übernommen wurde. Dieser Umstand wirft für den Rechtsanwender ebenfalls Zweifel hinsichtlich der Übertragbarkeit der dort normierten Anforderungen auf § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO auf. Das RKI selbst hingegen äußert sich in per Internet zugänglichen Veröffentlichungen zu den Anforderungen an Tests, soweit für den Senat ersichtlich, vielmehr nur spezifisch im Zusammenhang mit Reisen (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Tests.html). Der Aussagegehalt dieser Bewertung des RKI für das Verständnis von § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO lässt sich für den Rechtsanwender deshalb ebenfalls nicht verlässlich beurteilen.

 

59 Danach spricht Überwiegendes dafür, dass der Inhalt von § 3a Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO nicht so klar formuliert ist, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht für den Normzweck geboten ist. Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Norm hat deshalb insoweit Erfolg.

 

60 Weitere Bestimmtheitsmängel des § 3a SächsCoronaSchVO liegen hingegen voraussichtlich nicht vor. Dies gilt insbesondere auch für § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO. Soweit sich ein Betroffener darauf berufen will, dass er danach den Regelungen des § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO nicht unterliegt, weil nicht ausreichend Tests zur Verfügung stehen oder deren Beschaffung nicht zumutbar ist, hat er entweder darzutun und nachzuweisen, dass er die gebotenen Anstrengungen zur Beschaffung von Tests unternommen hat und woran diese gescheitert sind, oder darzulegen und zu belegen, welche atypischen individuellen Umstände in seinem Einzelfall zu einer Unangemessenheit der Testpflicht des § 3a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO führen. Insbesondere beim Rechtsbegriff der „Zumutbarkeit“ handelt es sich dabei um einen eingeführten, von der Rechtsprechung in allen Regelungsbereichen mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden präzisierten und ausgeformten Rechtsbegriff, der im Rahmen von abstrakt-generellen Regelungen eine Abwägung besonderer Interessenlagen im Einzelfall ermöglicht und so im Einzelfall unangemessene Folgen von Normen vermeidet. Strengere Anforderungen an die Bestimmtheit dieses Rechtsbegriffs folgen insoweit auch nicht aus dem Umstand, dass § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d und e SächsCoronaSchVO von Relevanz für die Erfüllung eines Bußgeldtatbestands sein kann (vgl. zu den – hier erfüllten – verfassungsrechtlichen Anforderungen BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 -, juris Rn. 71 ff.). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Betroffenen und den zuständigen Behörden über die Einschlägigkeit von § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO ist eine etwa notwendige Klarstellung hierbei Aufgabe der Rechtsprechung (BVerfG, Beschl. v. 14. November 1989 – 1 BvL 14/85 -, juris Rn. 60). Tatsächliche Umstände des Einzelfalls, die bereits dem Senat im vorliegenden Verfahren Anlass geben würden, die Anwendbarkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO auf konkrete Fallgestaltungen klarzustellen, benennt der Antragsteller allerdings nicht. Weitere Ausführungen dazu sind daher für den Senat nicht veranlasst.

 

61 Ein rechtserheblicher Bestimmtheitsmangel der Norm ergibt sich ferner auch nicht daraus, dass unklar wäre, welche Testpersonen der Verordnungsgeber als medizinisch hinreichend kompetent ansieht für die korrekte Durchführung der Tests. Diese Frage ist nicht Regelungsgegenstand der Verordnung, sondern des bundesrechtlich geregelten Medizinprodukterechts (§ 3, § 4 Abs. 2 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung; § 3 Abs. 4a der Medizinprodukte-Abgabeverordnung).

 

62 4.2 Die angegriffene Vorschrift ist auch nicht deswegen unwirksam, weil sie mit einem Eingriff in das die körperliche Unversehrtheit schützende Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbunden ist, der nicht von der in Rede stehenden Verordnungsermächtigung gedeckt ist.

 

63 Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Satz 2 der Vorschrift durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. § 32 Abs. 3 IfSG bestimmt, dass die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz) und des Brief- und Postgeheimnisses (Art. 10 GG) insoweit eingeschränkt werden können.

 

64 Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit) gehört nicht zu den in § 32 Satz 3 IfSG ausdrücklich aufgeführten einschränkbaren Grundrechten. Dies ist hier aber schon deswegen unschädlich, weil der Schutzbereich dieses Grundrechts bereits nicht eröffnet ist.

 

65 Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet zum einen die Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne, einschließlich der Integrität der Körpersphäre. Über den Wortlaut hinaus garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit auch das psychisch-seelische Wohlbefinden. Dieses erweiterte Verständnis ergibt sich aus dem Zusammenhang des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit der Menschenwürde, die den Schutz der Identität und der Integrität ebenfalls nicht auf den körperlichen Bereich beschränkt, und aus der Entstehungsgeschichte des Grundrechtsartikels, denn Psychoterror, seelische Folterungen und entsprechende Verhörmethoden, die im Dritten Reich zu den Verbrechen jener Zeit gehörten, sollten unter der Geltung des Grundgesetzes geächtet werden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt damit jedenfalls vor solchen psychischen Beeinträchtigungen, die in ihren Wirkungen körperlichen Schmerzen gleichkommen. Dazu gehören z.B. psychische Folterungen und seelische Quälereien. Die Gesundheit umfasst auch die Freiheit von Schmerz (vgl. hierzu Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 33. Aufl., 2017, Rn. 472). Die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfGE 65, 317 [322] = FamRZ 1984, 139).

 

66 Die in Rede stehende Norm berührt den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht.

 

67 Soweit es § 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO anbelangt, folgt dies daraus, dass danach Testungen für die Beschäftigten freiwillig sind und zudem durch Selbsttests erfolgen, die voraussichtlich keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bewirken (vgl. Beschl. des Senats v. 9. März 2021 – 3 B 81/21 -, juris Rn. 55). Denn Selbsttests sind aller Voraussicht nach nicht mit Beeinträchtigungen verbunden, die in ihren Wirkungen körperliche Schmerzen hervorrufen. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob Spuk-, Lollytests oder solche Tests Anwendung finden, bei denen ein Abstrich im vorderen Nasenbereich erfolgt (vgl. hierzu (vgl.https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/infektionskrankheiten/coronavirus/corona-nachweis-die-testverfahren-im-ueberblick-724147.html., abgerufen am 19. März 2021).

 

68 Ebenso stellt es § 3a Abs. 2 Satz 1 SächsCoronaSchVO den Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt für die Erfüllung der wöchentlichen Testpflicht frei, hierfür auf einen solchen Selbsttest zurückzugreifen. Hierbei kommt es auf die Frage, ob demgegenüber der Arbeitgeber möglicherweise seine zumutbare Beschaffungspflicht aus § 3a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SächsCoronaSchVO auch dadurch erfüllen kann, dass er den Arbeitnehmern kostenfrei nur andere Tests zur Verfügung stellt, die in ihren Wirkungen ev. körperliche Schmerzen hervorrufen können, nicht an. Selbst wenn der Arbeitgeber hiernach nicht verpflichtet sein sollte, sich in seiner Beschaffungspflicht an einem Wunsch der Arbeitnehmer nach Selbsttests auszurichten, bliebe es den Arbeitnehmern auch dann rechtlich und faktisch unbenommen, ihre wöchentliche Testpflicht durch einen mit sehr überschaubarem Aufwand auf eigene Kosten erwerbbaren Selbsttest und damit ohne einen gegen ihren Willen erfolgenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu erfüllen. Auch dann liegt ein finaler oder auch nur mittelbarer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG mithin nicht vor.

 

69 Ist hier der Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schon nicht berührt, hatte der Senat nicht zu prüfen, ob § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG den Verordnungsgeber ungeachtet des Wortlauts von § 32 IfSG ermächtigt, dieses Grundrecht einzuschränken.

 

70 4.3 Es trifft ferner offenkundig nicht zu, dass § 28a IfSG nicht zu Infektionsschutzmaßnahmen ermächtigt, die der Bürger selber insbesondere gegenüber anderen Bürgern gegen deren Willen zu veranlassen habe. Im Gegenteil ergibt sich bereits aus der Ermächtigung des § 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG, Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten zu verpflichten, dass der Verordnungsgeber Privaten auch infektionsschutzrechtliche Maßnahmen auferlegen darf, die diese ihrerseits in ihren Rechtsbeziehungen gegenüber anderen Privaten auch dann durchzusetzen haben, wenn jene hiermit nicht einverstanden sind. Anders sind eine funktionierende Rechtsordnung und insbesondere eine Pandemiebekämpfung im Übrigen auch schlechterdings nicht möglich. Abgesehen davon normiert § 3a SächsCoronaSchVO auch keine Maßnahmen, die der private Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer durchzusetzen hätte. Insbesondere obliegt dem Arbeitgeber nicht nach § 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVO die Durchsetzung der durch Verordnung auferlegten Testpflicht.

 

71 4.4 Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auch auf datenschutzrechtliche Mängel der Norm.

 

72 Der Antragsgegner verweist diesbezüglich zu Recht darauf, dass § 3a SächsCoronaSchVO einen datenschutzrechtlichen Eingriff schon nicht begründet, weil die Norm eine Offenlegung des Testergebnisses gegenüber dem Arbeitgeber oder sonst eine Datenverarbeitung durch einen anderen als den Getesteten selbst nicht vorschreibt. Dahingehende Offenlegungspflichten können sich bei einem positiven Testergebnis zwar aus arbeitsrechtlichen Vertrags- oder beamtenrechtlichen Dienstpflichten ergeben. Sie unterliegen dann jedoch den entsprechenden arbeitsrechtlichen und beamtenrechtlichen Datenschutzbestimmungen. Dass ein Arbeitgeber oder Dienstherr aus einem infektionsrechtlich zwingenden Verhalten eines Beschäftigten – wie etwa hier aus einem Verlassen der Arbeitsstelle nach einem positiven Test – faktisch Rückschlüsse auf Gesundheitsdaten des Beschäftigten zu ziehen vermag, begründet ebenfalls keine andere Bewertung der Norm. Denn werden vom Arbeitgeber oder Dienstherrn solche Rückschlüsse gezogen, stellt dies einen allgemeinen Fall der Verarbeitung von Gesundheitsdaten des Beschäftigten dar und unterfällt – wie auch sonst eine Verarbeitung von Daten zu einem dienstlichen Verhalten, das auf Erkrankungen hinweist – den entsprechenden arbeitsrechtlichen und beamtenrechtlichen Datenschutzbestimmungen für Gesundheitsdaten. Weitergehender Regelungsbedarf für den Verordnungsgeber, insbesondere hinsichtlich einer bereichsspezifischen Regelung für – nach dem oben Gesagten nicht gegebene – datenschutzrechtliche Eingriffe oder hinsichtlich der Sicherung der – vom Betroffenen nach eigenem Gutdünken selbst verwahrten – Gesundheitsdaten vor unberechtigtem Zugriff, besteht insoweit deshalb voraussichtlich nicht. Desgleichen bedarf es keiner spezifischen Ermächtigungsgrundlage für eine Anordnung der Verarbeitung von Gesundheitsdaten der Beschäftigten, weil die Verordnung, wie ausgeführt, keine solche Datenverarbeitungsanordnung regelt und die sich mittelbar infolge der Testungen rechtlich und faktisch ergebenden Verarbeitungen von Gesundheitsdaten bereits hinreichend und abschließend in den arbeitsrechtlichen und beamtenrechtlichen Datenschutzbestimmungen normiert sind.

 

73 Es begründet auch keine Bedenken gegenüber der Verhältnismäßigkeit der Aufbewahrungspflicht des § 3a Abs. 2 Satz 4 SächsCoronaSchVO, dass die Aufbewahrungsfrist nicht im Falle des Endes des Arbeitsvertrages gleichfalls vorzeitig endet. Denn diese Aufbewahrungspflicht dient der Überprüfbarkeit der Erfüllung der Testverpflichtung; für dahingehende Kontrollbedürfnisse ist das Ende des Arbeitsverhältnisses jedoch unerheblich.

 

74 4.5 Soweit § 3a SächsCoronaSchVO in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit, in die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG) eingreift, sind die Eingriffe jedenfalls verhältnismäßig.

 

75 Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Eingriffe in die o. a. Grundrechte nur gerechtfertigt, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12 -, juris Rn. 53 ff.; Beschl. v. 11. Februar 1992 – 1 BvR 1531/90 -, juris Rn. 56). Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein weiter Beurteilungsspielraum (Einschätzungsprärogative) zu. Infolge dieses Beurteilungsspielraums können Maßnahmen, die der Gesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Abwehr von Gefahren für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. März 2007 – 1 BvR 2228/02 -, juris Rn. 42 m. w. N.).

 

76 Die Regelung einer wöchentlichen Testungsmöglichkeit aller Beschäftigten, die an ihrem Arbeitsplatz präsent sind, wie auch einer wöchentlichen Testungspflicht aller Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt ist geeignet, das mit der Verordnung verfolgte legitime Ziel zu fördern, die Weiterverbreitung des Virus SARS-CoV-2 gerade auch im beruflichen Umfeld zu vermeiden, das derzeit erheblich durch Ansteckungen zur hohen Zirkulation der Erkrankung in der Bevölkerung beiträgt. Ohne diese Testmöglichkeit bzw. -pflicht wäre das Risiko, dass sich durch unmittelbare persönliche Kontakte im Arbeitsbereich die Ausbreitung des Virus verstärkt, wesentlich höher.

 

77 Gegen diese Einschätzung spricht nicht der Umstand, dass ein Corona-Test immer nur eine Momentaufnahme ist. Nach der angegriffenen Vorschrift können oder müssen die Betroffenen den Nachweis, dass keine Infektion besteht, in hinreichend kurzen Abständen erbringen. Die Annahme, die angegriffene Norm weise die erforderliche Eignung zur Verhinderung der Ausbreitung der Pandemie auf, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie einen Corona-Selbsttest zulässt, der gegenüber den PCR-Tests eine höhere Fehlerrate aufweist (vgl. hierzu https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronatest/faq-schnelltests.html). Es ist davon auszugehen, dass Selbsttests vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte nur zugelassen werden, wenn sie ein hinreichendes Diagnosepotential aufweisen (vgl. Beschluss des Senats vom 19. März 2021 – 3 B 81/21 – juris Rn. 55).

 

78 Dieser Bewertung lässt sich voraussichtlich auch nicht entgegenhalten, dass das RKI in seiner nationalen Teststrategie ein gezieltes Testen empfiehlt und, soweit ersichtlich, keine Empfehlung für Massentestungen ausspricht. Die Empfehlung des RKI für ein gezieltes Testen beruht auf den Erwägungen, dass so ausreichende Testkapazität für die Versorgung von symptomatischen COVID-19-Fällen und zum Schutz vulnerabler Gruppen sichergestellt werden soll, dass Testen ohne begründeten Verdacht das Risiko falsch-positiver Ergebnisse erhöht sowie dass es zu einem falschen Sicherheitsgefühl führt, welches sich seinerseits für die Weiterverbreitung des Virus problematisch auswirken kann (vgl. RKI, Nationale Teststrategie – wer wird in Deutschland auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2 Infektion getestet?, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Nat-Teststrat.html). Inwieweit ausreichende Testkapazitäten für ein breites Testen auf dem Markt zur Verfügung stehen, unterliegt jedoch der originären tatsächlichen Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers. Dem befürchteten falschen Sicherheitsgefühl falsch-negativ Getesteter wird zudem durch intensive Informationsarbeit entgegengewirkt, die insbesondere betont, dass auch ein negatives Testergebnis nur eine Momentaufnahme ist und nicht von Hygiene- und Schutzmaßnahmen entbindet. Die Abwägung, ob die epidemiologischen Vorteile eines mittels Massentestungen breiter möglichen Ermittelns auch asymptomatischer Infizierter gegenüber den danach noch verbleibenden Gefahren einer mangelnden Beachtung der Schutzmaßnahmen nach nur falsch-negativen Tests überwiegen, obliegt ebenfalls dem normgeberischen Beurteilungsspielraum des Antragsgegners und ist hier nicht offensichtlich fehlsam getroffen worden. Auch die Problematik vermehrter falsch-positiver Ergebnisse bei breit und anlasslos angewendeten Selbsttests und Schnelltests wird mit der verfolgten Teststrategie durch eine dann nachgelagerte PCR-Testung in zumutbarer Weise gelöst. Zwar trifft es, wie ausgeführt, zu, dass die vom Antragsgegner nun verfolgte breite Teststrategie in höherem Maße als eine anlassbezogene Testung das Risiko begründet, dass sich Personen nach einem falsch-positiven Selbsttest oder Schnelltest zunächst für einen kurzen Zeitraum – rückblickend betrachtet objektiv zu Unrecht – in Quarantäne begeben müssen, bis der PCR-Test durchgeführt ist. Indes überwiegen diese zwar gewichtigen, aber letztlich doch begrenzten Nachteile und Erschwernisse für eine kleine Gruppe von Betroffenen nicht gegenüber den vom Normgeber verfolgten öffentlichen und subjektiven Interessen, mittels dieser breiten Teststrategie unter Wahrung des Gesundheitsschutzes die bereits mehrere Monate andauernden gravierenden Grundrechtseingriffe für die von Schließungen betroffenen breiten Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche zurücknehmen bzw. Öffnungen aufrecht erhalten zu können.

 

79 Der Antragsteller kann auch nicht mit seinem Vortrag durchdringen, die Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit des § 3a SächsCoronaSchVO hänge von der Frage ab, ob dessen Bußgeldbewehrung rechtlich „halte“, oder nicht, weil sie andernfalls in der Praxis kaum umsetzbar sei. Seine Auffassung, Rechtspflichten seien zur Erreichung des bezweckten Ziels ungeeignet und dürften deshalb nicht auferlegt werden, wenn sie nicht zugleich einer Pönalisierung unterworfen werden, ist – wie der Antragsgegner zu Recht ausführt – offenkundig fernliegend. Für die Eignung einer Maßnahme genügt es, wenn der verfolgte Zweck durch die Maßnahme gefördert werden kann, ohne dass die vollständige Zweckerreichung gesichert sein muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. Februar 2001 – 1 BvR 781/98 -, juris Rn. 22; Beschl. v. 26. April 1995 – 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94 -, juris Rn. 52; SächsOVG, Beschl. v. 3. März 2021 – 3 B 15/21 -, juris Rn. 49). Jenseits der ohnehin verbreiteten Bereitschaft, sich an geltendes Recht zu halten, und jenseits des unmittelbaren Normvollzugs durch die zuständigen Behörden ergeben sich zudem auch nachteilige Folgen, die die Normunterworfenen zu einer Einhaltung dieser Rechtspflicht anhalten können, aus möglichen arbeitsrechtlichen, dienstrechtlichen, gewerberechtlichen oder – etwa für Apotheker – berufsrechtlichen und standesrechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes. Diese sind unabhängig von den bestehenden Rechtsunsicherheiten bezüglich der Bußgeldbewehrung. Die Beteiligten gehen in diesem Zusammenhang im Übrigen zu Recht davon aus, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nicht über die Bußgeldvorschrift selbst entscheidet (SächsOVG, Beschl. v. 17. November 2020 – 3 B 369/20 -, juris Rn. 14).

 

80 Die Regelung zur Testpflicht ist bei Gewährleistung des Präsenzbetriebs in den Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel zur Bekämpfung der Pandemie auch erforderlich. Eine andere Maßnahme, die weniger stark in die betroffenen Grundrechte eingreifen würde, aber ebenfalls in gleicher Weise das Ziel fördern könnte, die Ausbreitung der Pandemie bei einem Präsenzbetrieb in diesen Einrichtungen zu verhindern, ist nicht erkennbar. Durch die Implementierung einer wöchentlichen Testmöglichkeit bzw. Testpflicht wird die Wahrscheinlichkeit, dass mit Corona infizierte Personen während ihrer Präsenz am Arbeitsplatz andere Personen, insbesondere Kunden, mit dem Virus infizieren und sich so weitere Infektionsketten in die Bevölkerung ergeben, stark reduziert. Andere Maßnahmen, die die gleiche Wirkung haben, sind nicht offensichtlich. Insbesondere die Maskenpflicht, die Verwendung von Plexiglasscheiben, Hygienekonzepte, das Desinfizieren der Hände und regelmäßiges Lüften dürften für sich genommen nicht die gleiche Wirkung haben. Dass diese Maßnahmen jedenfalls unter den Rahmenbedingungen der kälteren Jahreszeit in der gelebten Realität nicht ausreichend sind, die Verbreitung des Corona-Virus auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen, haben bereits die Erfahrungen des letzten Herbsts und Winter gezeigt und belegt auch nun wieder das eingetretene exponentielle Wachstum der Verbreitung der britischen Virusvariante insbesondere im Freistaat Sachsen. Insoweit besteht auch für Apotheken keine grundlegend andere Sachlage, weil auch in Apotheken Beschäftigte und Kunden in Innenräumen zusammentreffen, in denen in besonderer Weise das Risiko einer Infektionsübertragung über Aerosole besteht. Angesichts der sehr leichten Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 bei jeglichen unmittelbaren persönlichen Kontakten ist auch sonst nicht erkennbar, dass es sich dem Verordnungsgeber im Rahmen der zulässigen Typisierungsbefugnisse hätte aufdrängen müssen, bestimmte Arbeitgeber, deren Beschäftigte, an ihrem Arbeitsplatz präsent sind, von den Testpflichten des § 3a SächsCoronaSchVO auszunehmen.

 

81 Schließlich dürfte die in Rede stehende Regelung auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Einerseits schränkt sie die Grundrechte der zu wöchentlichen Tests Verpflichteten aus Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) und aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) kaum ein. Auch der sich für Arbeitgeber und Selbstständige aus § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SächsCoronaSchVO ergebende finanzielle und organisatorische Aufwand für das wöchentliche Zurverfügungstellen von Tests ist jedenfalls bezüglich des möglichen Erwerbs von Selbsttests überschaubar und bleibt überdies in seinem Gewicht evident hinter den Folgen einer sonst zur Infektionsbekämpfung (weiterhin und länger) nötigen weitreichenden Schließung von Betrieben, Einrichtungen und Angeboten zurück. Auch das Risiko der Getesteten, sich nach einem falsch-positiven Test bis zum Abschluss des nachgelagerten PCR-Tests für wenige Tage objektiv zu Unrecht in Quarantäne begeben zu müssen, ist gering und hat auch in der Sache aus den oben genannten Gründen gegenüber den gegenläufigen gravierenden grundrechtlichen Belangen kein besonders herausgehobenes Gewicht. Demgegenüber leistet die Regelung des § 3a SächsCoronaSchVO der staatlichen Verpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Vorschub, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Sie dient zugleich dem Ziel, die Grundrechtsausübung in allen von infektionsschutzrechtlichen Schließungen betroffenen Bereichen, die bereits mehrere Monate gravierendster Grundrechtseinschränkungen hinnehmen mussten, möglichst dauerhaft bzw. bald wieder zu ermöglichen. Demgegenüber müssen die durch § 3a SächsCoronaSchVO beeinträchtigten, deutlich geringer gewichtigen Belange der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Selbstständigen zurücktreten.

 

82 Im Übrigen ist gemäß § 3a Abs. 3 SächsCoronaSchVO sichergestellt, dass keine unzumutbaren Belastungen für die Betroffenen entstehen.

 

83 4.6 Weitere Gesichtspunkte, die auf die Unwirksamkeit der angegriffenen Regelung schließen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.

 

84 Insbesondere scheidet auch eine Verletzung von Art. 85 Abs. 2 SächsVerf schon deshalb aus, weil durch § 3a SächsCoronaSchVO keine Übertragung der Erledigung bestimmter staatlicher Aufgaben auf Träger der Selbstverwaltung i. S. d. Art. 85 Abs. 1 SächsVerf erfolgt (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 23. Juni 1994 – Vf. 1-VIII-93 -). Vielmehr sind die Kommunen als Arbeitgeber von den in § 3a SächsCoronaSchVO geregelten Rechtspflichten nur als Normunterworfene betroffen wie alle anderen Arbeitgeber auch. Eine unzureichende Kostendeckungs- und Finanzausgleichsregelung hätte zudem auch nicht die Verfassungswidrigkeit der Aufgabenübertragung zur Folge, sondern würde nur entsprechende Regelungs- und Ausgleichspflichten des Freistaates begründen (SächsVerfGH, Urt. v. 23. Juni 1994 – Vf. 1-VIII-93 -).

 

85 Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Antragstellers, aus den Erwägungen des Beschlusses des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. März 2021 (- 20 NE 21.353 -) folge eine Gesamtnichtigkeit des § 3a SächsCoronaSchVO, weil diese Norm auch eine Testpflichtregelung für Arbeitnehmer in Pflege- und Altersheimen beinhalte. Bereits letzteres trifft nicht zu. Die Testung der Beschäftigten in Alters- und Pflegeheimen ist vielmehr speziell in § 7 Abs. 4 SächsCoronaSchVO geregelt. Im Übrigen sind die tragenden Erwägungen des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs auch offensichtlich nicht auf die sächsische Rechtslage übertragbar, weil die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung die Testpflichten nicht auf die vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof beanstandete Ermächtigungsgrundlage der §§ 32, 29 IfSG stützt.

 

86 5. Überdies wäre der Antrag auch dann im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unbegründet, wenn die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags bei summarischer Prüfung als offen anzusehen wären.

 

87 Die vom Antragsteller angegriffene Norm bewirkt schon keinen gravierenden Eingriff in die in Rede stehenden Grundrechte. Keinesfalls können seine Belange die gegenläufigen Interessen in Bezug auf den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und auf das Ziel einer Ermöglichung der Grundrechtsverwirklichung der von infektionsschutzrechtlichen Schließungen betroffenen Rechtsträger überwiegen, welche angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens in überaus hohem Maße gefährdet sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. November 2020 – 1 BvR 2530/20 -, juris Rn. 13 ff.; BbgVerfG, Beschl. v. 11. Dezember 2020 – 21/20 EA -, juris Rn. 17 ff.).

 

88 Nach alledem war der Antrag überwiegend abzulehnen.

 

89 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Regelung mit Ablauf des 31. März 2021 außer Kraft tritt, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass für das Eilverfahren eine Reduzierung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht veranlasst ist.

 

90 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).