Zur Entgegennahme von ärztlichen Rezepten über einen Sammelkasten

Entscheidungen in Leitsätzen

ApoG § 11a; ApBetrO § 24 Abs. 1

Leitsätze der Redaktion:

Die Erlaubnis einer Apotheke zum Versandhandel mit Arzneimitteln umfasst auch die Möglichkeit, Verschreibungen und Medikamentenbestellungen in einer Sammeleinrichtung entgegenzunehmen und gebündelt von einem Apothekenkurier abzuholen. (Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 23. April 2020 – 3 C 16/18).

 

Diese Möglichkeit umfasst nicht nur das Aufstellen von Sammelboxen in einem Gewerbebetrieb; sie können auch ein einer öffentlichen Straße stehen.

 

Gründe

 

I.

 

Die Parteien sind – örtlich konkurrierende – Apotheker.

 

Die Antragsgegnerin unterhält außerhalb ihrer Apotheke an einer öffentlichen Straße einen Einwurfkasten für ärztliche Rezepte. Auf diesem Sammelkasten ist u.a. der folgende Schriftzug angebracht: „Die Rezepte werden Montag bis Freitag um 13.30 Uhr abgeholt und am gleichen Tag direkt an den Empfänger ausgeliefert. (…)“

 

Sowohl die Leerung des Kastens als auch die Medikamentenauslieferung an den jeweiligen Rezepteinlieferer erfolgen durch eigenes (Kurier-) Personal der Antragsgegnerin.

 

Die Antragsgegnerin verfügt – im Unterschied zum Antragsteller – nicht (mehr) über eine behördliche Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO, jedoch über eine Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 11a ApoG.

 

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin verstoße mit dem Betrieb des Sammelkastens gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO. Die Erlaubnis zum Betrieb einer Versandapotheke decke den vorliegenden Fall nicht ab. Notwendige Voraussetzung für die Zuordnung zum Versandhandel und damit zum Anwendungsbereich der vorbezeichneten Genehmigung sei, dass die Sammeleinrichtung unter Einschaltung eines Kooperationspartners betrieben werde. Der Sammelkasten müsse daher zwingend in einem Ladenlokal – etwa einem Drogerie- oder Supermarkt – aufgestellt werden.

 

Der Antragsteller hat beantragt, der Antragsgegnerin den Betrieb der Sammeleinrichtung im Wege einstweiliger Verfügung zu untersagen. Für die genaue Antragsfassung wird auf den verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom … Bezug genommen. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 08.02.2021 zurückgewiesen und der hiergegen mit Schriftsatz vom … eingelegten Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 17.02.2021 nicht abgeholfen.

 

II.

 

Die mit Blick auf § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Antragsgegnerin mit dem von ihr betriebenen Versandsystem nicht gegen den Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO verstößt. Damit kommt ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen Rechtsbruchs, wie hier vom Antragsteller reklamiert (§§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 Satz 1 UWG), nicht in Betracht.

 

1. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt:

 

„(…) Der Anwendungsbereich des § 24 ApoBetrO ist allerdings beschränkt. Für das Einsammeln von Verschreibungen im Rahmen des Versandhandels von Arzneimitteln gilt das Verbot nicht. Es ist insoweit auf die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 – 3 C 16/18 -, PharmR 2020, 562; Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27/07 -, MedR 2008, 572), der sich die Kammer ausdrücklich anschießt. Hintergrund ist, dass § 24 ApoBetrO von der räumlichen Bindung der Arzneimittelabgabe an die Apotheke ausgeht, welche jedoch bei dem nach § 11a ApoG erlaubten Versand aber fehle. Sammelbesteller seien ein typisches Element des Versandhandels. Die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln umfasst auch die Möglichkeit, Verschreibungen und Medikamentenbestellungen in einer Sammeleinrichtung entgegenzunehmen und gebündelt an die Apotheke zu übersenden. Das BVerwG bestätigt diese Auffassung in seiner neueren Entscheidung ausdrücklich auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Rechtsänderungen. Dabei ist, abweichend von der durch den Verfügungskläger in der Abmahnung geäußerten Rechtsauffassung, eine Sammlung der Verschreibungen nicht zwingend in bestimmten Räumlichkeiten oder durch Personen vorzunehmen. Diese Anforderungen lassen sich auch aus den durch das BVerwG entschiedenen Fällen nicht entnehmen. Entscheidend ist insoweit, dass es keine besonderen gesetzlichen Vorgaben für den Versandhandel mit Medikamenten gibt. Das mag zwar, wie auch das BVerwG feststellt, zu einer Ungleichbehandlung zwischen stationären Apotheken und dem Versandhandel mit Medikamenten führen. Für die Auflösung dieser Widersprüche ist jedoch der Gesetzgeber verantwortlich. Eine Reglementierung des Versandhandels von Medikamenten ohne gesetzliche Grundlage kommt hingegen nicht in Betracht. (…) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Form der Auslieferung der Medikamente durch einen Boten – die Beschriftung des Sammelkastens verweist auf diese – der Annahme eines Versandhandels mit Medikamenten nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020, a.a.O.). Auch die mögliche Abholung der Medikamente in der Apotheke steht einem Versandhandel nicht entgegen. Im „klassischen“ Versandhandel besteht diese Möglichkeit der Abholung, z.B. in Sammelbestellfilialen, seit je her. Anders, als die Rezepteinlösung in der Apotheke handelt es sich insoweit nur um die reine Abholung der bereits durchgeführten Bestellung. (…)“

 

In seiner Nichtabhilfeentscheidung hat das Landgericht weiter ausgeführt:

 

„(…) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist im Rahmen des zulässigen Versandhandels von Medikamenten das Einsammeln von Rezepten nicht nur durch das Aufstellen von Sammelboxen in einem Gewerbebetrieb zulässig. Eine derartige Einschränkung lässt sich aus keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Nachdem die Beschränkung des § 24 ApoBetrO zum Einsammeln von ärztlichen Verordnungen im Rahmen des Versandhandels grundsätzlich keine Anwendung findet, lassen sich Beschränkungen der Art und Weise des Einsammelns, wie sie der Antragsteller vorträgt, mangels Rechtsgrundlage nicht rechtfertigen. Es besteht aber auch keine Notwendigkeit und damit keine sachliche Rechtfertigung einer solchen Einschränkung der Sammlung nur über eine Sammelstelle in einem Gewerbebetrieb. Es handelt sich lediglich um eine Art der Übermittlung der ärztlichen Verordnung an die Versandapotheke. Ob die Sammelbox in einer bestimmten Räumlichkeit aufgestellt wird oder an einer frei zugänglichen Stelle außerhalb eines Gebäudes ist insoweit ohne Bedeutung. Soweit der Antragsteller auf die zitierten Entscheidungen des BVerwG Bezug nimmt, ist es zwar zutreffend, dass in den dortigen Fällen jeweils Sammelboxen in einem Gewerbebetrieb aufgestellt gewesen sind. Den Entscheidungen ist die Beschränkung der Zulässigkeit auf derartige Konstellationen aber nicht zu entnehmen. Das BVerwG hat dies weder ausdrücklich ausgeurteilt, noch hat es eine entsprechende Voraussetzung anklingen lassen. (…)“

 

2. Dem schließt sich der Senat vorbehaltlos an.

 

a) Mit dem Landgericht vermag auch der Senat den beiden in Rede stehenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts – Urteil vom 13.03.2008 (Az.: 3 C 27/07) und Urteil vom 23.04.2020 (Az.: 3 C 16/18) – keinen Anhalt dafür zu entnehmen, das Bundesverwaltungsgericht mache die Verortung des Sammelkastens in einem Ladenlokal – bzw., in der Terminologie des § 24 Abs. 2 ApoBetrO, einem „Gewerbebetrieb“ – zur Voraussetzung seines Entscheidungssatzes. Richtig ist lediglich, dass in beiden Fällen der Sammelkasten tatsächlich an einem solchen Ort – in dem einen Fall in einem Drogerie- und in dem anderen Fall im Eingangsbereich zu einem Supermarkt – aufgestellt war. Dass dieser Umstand für die Entscheidung ausschlaggebend oder auch nur von Bedeutung gewesen wäre, lässt sich den jeweiligen Entscheidungsgründen weder dem Wortlaut noch dem Sinnzusammenhang nach entnehmen. Dass es auf den Ort der Aufstellung aus dem rechtlichen Blickwinkel des Bundesverwaltungsgerichts nicht angekommen sein kann, zeigt sich vielmehr schon daran, dass – in der jüngeren Entscheidung – eine ausdrückliche Parallele zum bürgerlichrechtlichen Versandhandelsbegriff bzw. dem Kreis der in § 312c Abs. 2 BGB aufgezählten Fernkommunikationsmittel gezogen wird (Tz. 13, 16 bei Juris). Danach käme es nicht einmal darauf an, ob überhaupt – irgendwo – ein Sammelkasten aufgestellt wird, weil die Bestellung jedenfalls im Ausgangspunkt – vorbehaltlich der aus der Verschreibungspflichtigkeit resultierenden Notwendigkeit zur Rezeptvorlage – auch telefonisch oder elektronisch erfolgen könnte (Tz. 13 bei Juris; ferner BVerwG, Urteil vom 24.06.2010 – 3 C 30/09, GesR 2010, 567 = MedR 2011, 173 [Juris; Tz. 14]).

 

b) Der Senat hält diesen Ansatz in der Sache auch für richtig. Allein aus dem Umstand, dass im konkreten Fall ein Lebenssachverhalt vorliegt – Rezeptannahme über einen Sammelkasten mit Belegenheit außerhalb eines „Gewerbebetriebs“, Leerung des Kastens durch eigene Mitarbeiter und anschließende Arzneiauslieferung durch eigenes Personal ohne Einschaltung eines externen Logistikdienstleisters –, der für sich betrachtet dem Betriebsablauf entspricht, den mit Blick auf § 24 Abs. 2, Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 ApoBetrO der Betreiber einer Rezeptsammelstelle i.S.d. § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO einzuhalten hätte, den Schluss zu ziehen, es bedürfe der Genehmigung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO (so allerdings im Ergebnis OLG Hamm, Urteil vom 12.05.2015 – I-4 U 53/15, WRP 2015, 990 = GRUR-RR 2015, 385 [Juris; Tz. 52 ff.]), stellt Tatbestand und Rechtsfolge auf den Kopf. Für die Antragsgegnerin kann eine (zusätzliche) Erlaubnispflichtigkeit (auch) nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO nicht daraus resultieren, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – ein Prozedere wählt, mit dem sie einer etwaigen Genehmigung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO genügen würde. Entscheidend kann – mit Blick auf § 3a UWG – nur sein, dass die Antragsgegnerin die Voraussetzungen und Maßgaben der ihr erteilten Erlaubnis für den Versandhandel – hier konkret § 11a Satz 1 ApoG i.V.m. § 17 Abs. 2a Satz 1 ApoBetrO – erfüllt. Das aber ist, soweit ersichtlich, der Fall; Gegenteiliges macht jedenfalls auch der Antragsteller nicht geltend.

 

III.

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO und § 3 ZPO i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.

 

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) – über die angesichts der Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts zumindest nachgedacht werden könnte – ist mit Blick auf die Instanzenzugbegrenzung des § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO schon im Ansatz kein Raum (BGH, Beschluss vom 27.02.2003 – I ZB 22/02, WRP 2003, 658 = MDR 2003, 529 [Juris; Tz. 9]; BGH, Beschluss vom 08.05.2003 – I ZB 40/02, WRP 2003, 895 = MDR 2003, 1195 [Juris; Tz. 15]), was mittlerweile auch der Gesetzgeber mit § 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich klargestellt hat (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 574 Rn. 8). Unabhängig davon spricht viel dafür, dass ein Zulassungsgrund i.S.d. § 574 Abs. 2 ZPO in der Sache auch nicht vorläge, weil das Oberlandesgericht Hamm in der oben zitierten Entscheidung (Tz. 51 bei Juris) zu erkennen gegeben hat, es habe Zweifel, ob das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 angesichts der ApoBetrO-Novelle aus dem Jahr 2012 aufrechterhalte. Dass durch die Verordnungsnovelle aus dem Jahr 2012 keine für den vorliegenden Kontext maßgebliche Änderung bewirkt worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 23.04.2020 (Tz. 32 bei Juris) klargestellt. Das Oberlandesgericht Hamm hat seine Entscheidung zwar (ausweislich Tz. 52 a.a.O.) nicht tragend auf die geänderte Verordnungslage gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht, von dessen Rechtsprechung das Oberlandesgericht Hamm ersichtlich nicht hat abweichen wollen, hat aber durch das Urteil vom 23.04.2020 weitergehend auch klargestellt, dass eine Erlaubnisbedürftigkeit nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO nicht deshalb eintritt, weil der Apotheker die Arzneimittel durch einen eigenen Kurierdienst zustellt und damit ein notwendiges Merkmal des von dieser Norm in den Blick genommenen Vertriebssystems erfüllt. Vor diesem Hintergrund dürfte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm überholt sein.