Oberlandesgericht Frankfurt/M., Urteil vom 6. März 2025, Az.: 6 U 74/24

 

Wettbewerbsverstöße im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis

 

Leitsätze des Gerichts:

 

MBO-Ä § 31 Abs 1; HWG § 9, § 10; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3, § 3a, § 5 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 1; BGB § 830 Abs. 2

 

1. Gegen ein Dienstleistungsunternehmen, das sich vorsätzlich an einem vorsätzlichen Verstoß eines Arztes gegen die Berufungsordnung für Ärzte beteiligt (hier: berufswidriges Vermittlungshonorar für die Zuweisung von Patienten, § 31 Abs. 1 MBO-Ä), besteht ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 3a UWG.

 

2. Die Angabe zu einer Therapie mit medizinischem Cannabis, das Erstgespräch (erster Behandlungstermin) könne „vor Ort oder digital“ stattfinden, verstößt gegen das Werbeverbot für Fernbehandlung (9 Satz 1 HWG); die Ausnahme des § 9 Satz 2 HWG greift nicht.

 

3. Produktbezogene Internetwerbung für medizinisches Cannabis (Arzneimittel) verstößt gegen das sog. Laienwerbeverbot (§ 10 Abs. 1 HWG).

 

4. Der Wettbewerbszentrale steht die geltend gemachte Abmahnkostenpauschale auch bei nur teilweise berechtigter Abmahnung zu.

 

Gründe

 

I.

 

Der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, nimmt die Beklagte wegen unlauterer Handlungen im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis in Anspruch.

 

Die Beklagte betreibt die Internetseite www.(…).com. Dort vermittelte sie ärztliche Behandlungen mit medizinischem Cannabis. Der Kläger hält Teile der auf dieser Internetseite vor Inkrafttreten der Cannabisgesetze (KCanG und MedCanG) am 01.04.2024 getätigten Äußerungen für wettbewerbswidrig.

 

Mit Schreiben vom 24.04.2023 mahnte er die Beklagte erfolglos ab (vgl. Anlage K8).

 

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

 

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro – Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, geschäftlich handelnd

 

a) Raumnutzungs- und Serviceleistungsverträge wie aus Anlage K3 ersichtlich möglichen Vertragspartnern zur Verfügung zu stellen und/oder entsprechend abzuschließen und/oder entsprechend umzusetzen;

 

und/oder

 

b) für eine ärztliche Behandlung ohne persönlichen Kontakt zum Behandelnden zu werben, insbesondere für digitale Folgetermine, wenn dies geschieht wie unter www.(…).com und aus Anlage K4 und/oder Anlage K5 und/oder Anlage K10 zur Replik ersichtlich;

 

und/oder

 

c) als Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft mit den nachfolgenden Aussagen zu werben:

 

aa) „Naturmedizin vom Marktführer“,

 

wenn dies geschieht wie in Anlage K4;

 

und/oder

 

bb) „unsere Kooperationsärzte/Kooperationsärztinnen“,

 

wenn dies geschieht wie in Anlage K4;

 

und/oder

 

cc) „Algea Care Patienten“,

 

wenn dies geschieht wie in Anlage K4;

 

und/oder

 

dd) „Entdecke Algea Care: Naturmedizin als Medizin – dein Weg zur Behandlung bei unseren Ärzten“,

 

wenn dies geschieht wie in Anlage K4;

 

und/oder

 

ee) „Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei …“,

 

wenn dies geschieht wie in Anlage K7;

 

und/oder

 

d) außerhalb der Fachkreise für verschreibungspflichtiges Cannabis zu werben, wenn dies geschieht wie unter www.(…).com und aus Anlage K4 und/oder Anlage K5 und/oder Anlage K6 und/oder Anlage K7 ersichtlich;

 

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 374,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

 

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Zeugin A zum Mitgliederkreis des Klägers – abgesehen von den Klageanträgen zu 1 c) bb) und 1 d) – stattgegeben. Es hat angenommen, die Klage sei zulässig. Das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei durch die Bezugnahme auf die konkreten Verletzungshandlungen gewahrt. Der Kläger sei als eingetragener qualifizierter Wirtschaftsverband (§ 8b Abs. 2 UWG, vgl. Anlage K1), dem eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehöre, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG), gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Insoweit komme es nicht nur auf Cannabis-Therapien, sondern auf ärztliche Behandlungen bei chronischen Schmerzen, Migräne, Depressionen, ADHS und Schlafstörungen an. Über die Bundesärztekammer – deren Mitgliedschaft wie diejenige der Landesärztekammer Hessen und zwölf weiterer Ärztekammern nach Vernehmung der Zeugin A feststehe – gehörten dem Kläger mittelbar alle Ärzte in Deutschland an. Die Klage sei auch nicht rechtmissbräuchlich (§ 8c Abs. 1 UWG). Der Klageantrag zu 1 a) sei gemäß §§ 8, 3, 3a UWG begründet. Es sei als zugestanden anzusehen, dass die Beklagte mit Ärzten Verträge wie in Anlage K3 schließe. Sie habe dies – auch nach gerichtlichem Hinweis – unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Ein Beweisverwertungsverbot bestehe insoweit nicht. Die Verwendung solcher Verträge verstoße gegen § 2 Abs. 4, §§ 17, 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) in der Fassung der jeweiligen Berufsordnungen der Landesärztekammern als Marktverhaltensregelungen im Sinne von§ 3a UWG. Der Begriff der „Weisung“ in § 2 Abs. 4 MBO-Ä sei weit auszulegen. Er umfasse auch subtil geäußerte Erwartungen wie diejenige der Beklagten an die mit ihr kooperierenden Ärzte, medizinisches Cannabis zu verschreiben, da sonst die Patientenerwartung enttäuscht werde und eine außerordentliche Kündigung der Beklagten wegen Verstoßes gegen die „Grundsätze der Gesellschaft“ drohe (vgl. Anlage K3, § 3 Abs. 2). Die Ausgestaltung der Anmietung von Praxisräumlichkeiten als ad hoc-Nutzungsbefugnis nur für die Dauer der konkreten Behandlung (Anlage K3, § 1 Abs. 1 und 2) verstoße gegen die ärztliche Niederlassungspflicht (§ 17 MBO-Ä). Da die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten nach dem Vertrag die einzigen sein könnten, in denen die Ärzte Privatpatienten empfingen, sei unerheblich, ob die Ärzte alle einen „ordnungsgemäßen“ (i.S.v. anderweitigen) Praxissitz hätten. Die Honorarregelung in § 6 des Vertrags verstoße gegen das Verbot des § 31 MBO-Ä, für die Zuweisung von Patienten eine Gegenleistung zu gewähren. Bei wertender Betrachtung würden den Ärzten Patienten gegen Entgelt vermittelt. Jedenfalls ein Teil der von den Ärzten zu zahlenden Vergütung entfalle dabei auf die klassische, berufswidrige Patientenvermittlung. Ein Honoraranteil von 60 % bis zu 79 % sei kein Äquivalent mehr für andere Leistungen der Beklagten. Diese sei für die Berufsrechtsverstöße der Ärzte, die sie vorsätzlich fördere, als Teilnehmerin verantwortlich. Der Anspruch sie auch weder verjährt (§ 11 Abs. 1 und 2 UWG) noch verwirkt. Für die behauptete Kenntnisnahme des Klägers vom Vertrag in Anlage K3 in verjährungsschädlicher Zeit habe die Beklagte keinen Beweis angeboten. Eine frühere Kenntnis, etwa der Landesärztekammer Hessen, müsse sich der Kläger nicht nach § 166 BGB zurechnen lassen. Die mit dem Klageantrag zu 1 b) beanstandeten Angaben (vgl. Anlagen K10: „Erstgespräch vor Ort oder digital“, K4 und K5: „Digitale Folgetermine“ / „findet der weitere Therapieablauf nach Möglichkeit telemedizinisch statt“) verstießen gegen § 3a UWG i.V.m. § 9 HWG. Medizinisches Cannabis dürfe nur als letztes Mittel verschrieben werden. Die Ausnahme des § 9 Satz 2 HWG sei nicht die Regel. Hinweise der Beklagten auf das Erfordernis einer Erstbehandlung „in Person“ (z.B. in den FAQs) oder auf § 630a BGB als „Mouseover“ hinter einem blauen Sternchen seien nicht klar und unmissverständlich. Der Unterlassungsanspruch zu 1 c) folge unter dem Gesichtspunkt der Irreführung aus § 5 Abs. 1, 2 Ziff. 1, 3, § 5a Abs. 1 UWG. Die beanstandeten Aussagen riefen bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Fehlvorstellung hervor, die Beklagte führe die Behandlungen durch bei ihr angestellte Ärzte selbst durch bzw. biete unmittelbar selbst medizinische Leistungen an („Naturmedizin vom Marktführer“, „Algea Care: Naturmedizin als Medizin – dein Weg zur Behandlung bei unseren Ärzten“, Anlage K4) bzw. sie dürfe für sich die Kompetenz eines Mediziners in Anspruch nehmen („Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei […]“, Anlage K7). Die Angabe „Algea Care Patienten“ (Anlage K4) erwecke den Eindruck, Interessenten würden zu Patienten der Beklagten, diese sei also selbst medizinischer Dienstleister im engeren Sinne. Dieser Eindruck werde durch die Angaben zum „Team“ und durch das Erfordernis einer Einwilligung nach der DSGVO nicht beseitigt, da diese Informationen erst später, bei näherer Auseinandersetzung mit der Website, wahrgenommen würden, wenn die Irreführung durch die Startseite schon eingetreten sei; jedenfalls bei einem nicht zu vernachlässigenden Teil des Verkehrs bestehe der Irrtum fort. Die unzutreffende Vorstellung sei bei der Entscheidung des Verbrauchers auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge von besonderem Gewicht, da sie Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit ausstrahle. Die Unterlassungspflicht treffe antragsgemäß die Beklagte als „Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft“. Diese Zuschreibung sei sachlich berechtigt, da sich die Beklagte selbst so bezeichne (vgl. die Präambel des Vertrags in Anlage K3). Dagegen sei die Angabe „unsere Kooperationsärzte/Kooperationsärztinnen“ (Klageantrag zu 1 c) bb)) nicht irreführend. Mit der mit dem Klageantrag zu 1 d) angegriffenen Werbung habe die Beklagte auch nicht gegen § 14 Abs. 5 (Satz 2 und 3) BtMG oder § 10 Abs. 2 Satz 1 HWG verstoßen. Zwar seien dies Marktverhaltensregelungen, allerdings fehle es an einer „Werbung“ für Betäubungsmittel. Dafür genüge es nicht, dass die Beklagte medizinisches Cannabis als Behandlungsmethode anpreise (vgl. z.B. Anlage K10 zur Replik: „Mehr Lebensqualität mit medizinischem Cannabis“). Durch die Vermittlung an Ärzte, die erst eine Verschreibung vornehmen müssten, fehle die konkrete Bereitschaft und Möglichkeit, medizinisches Cannabis zu liefern und damit die erforderliche Absatzförderungsabsicht; diese lasse sich jedenfalls nicht feststellen. Das Werbeverbot erstrecke sich nicht auf den mittelbaren Effekt, dass es aufgrund des Werbeauftritts der Beklagten vermehrt zur Verschreibung und zum Absatz medizinischen Cannabis komme. Der Anspruch auf den gemäß § 287 ZPO angemessen erscheinenden Kostenersatz für die Abmahnung vom 24.04.2023 (Anlage K8) folge trotz Teilunterliegens des Klägers aus § 13 Abs. 3 UWG. Hierauf schulde die Beklagte seit dem 22.08.2023, dem Tag nach der Zustellung der Klageschrift, Zinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

Dagegen richten sich die Berufungen der Beklagten, soweit diese verurteilt worden ist, und des Klägers, mit dem dieser den Klageantrag zu 1 d) weiterverfolgt. Dagegen ist die Abweisung des Klageantrags zu 1 c bb) rechtskräftig.

 

Die Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Allerdings betreibt die in „C GmbH“ umfirmierte Beklagte ihr Portal nunmehr unter www.(c).de, auf die die Internetseite www.(…).de verlinkt.

 

Der Kläger macht zum Klageantrag zu 1 d) geltend, das Landgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen § 14 Abs. 5 BtMG aF und § 10 Abs. 2 Satz 1 HWG verneint. Die Internetseite der Beklagten diene nur dazu, Patienten für die Cannabis-Therapie zu gewinnen und an die „Cannabis-Ärzte“ weiterzuleiten, damit diese ihnen Cannabis verschrieben. Die Beklagte führe weder eine rein wissenschaftliche Diskussion um Cannabis noch betreibe sie bloße Image-Werbung oder schaffe lediglich „disease awareness“ (Krankheitsbewusstsein). Ziel ihrer Internetseite sei der Absatz von Cannabis-Präparaten auf Rezept. Insoweit betreibe sie produktbezogene Werbung für verschreibungspflichtiges Cannabis als zumindest indirekt identifizierbare/s Arzneimittel. Dies verstoße seit dem 01.04.2024 jedenfalls gegen § 10 HWG.

 

Der Kläger beantragt,

 

I. das am 27.02.2024 verkündete und ihm am 28.02.2024 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 3-08 O 540/23, teilweise, nämlich soweit hierdurch die Klage zu Ziff. 1 d) abgewiesen worden ist, abzuändern und die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen,

 

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

 

außerhalb der Fachkreise für verschreibungspflichtiges Cannabis zu werben, wenn dies geschieht wie unter www.(…).com und aus der Anlage K4 und/oder Anlage K5 und/oder Anlage K6 und/oder Anlage K7 ersichtlich;

 

II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

I. das am 27.02.2024 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 3-08 O 540/23, aufzuheben und die Klage abzuweisen;

 

II. die Berufung des Klägers („Berufungsklägers“) zurückzuweisen.

 

Die Beklagte macht zum Klageantrag zu 1 d) geltend, sie sei als Servicedienstleistungsunternehmen mit zahlreichen entgeltlichen Dienstleistungen für Ärzte tätig und betreibe eine Informationsplattform für Medizinal-Cannabis. Weder sie noch die Interessenten könnten beeinflussen, ob und wenn ja, welche Therapie der Arzt wähle und welches Arzneimittel er verschreibe. Bei Cannabis hätten die Patienten freie Apothekenwahl (darunter auch die entgeltlich auf ihrer Internetseite werbenden Apotheken mit Vorteilen für die Kunden wie eines spezialisierten, breiten Cannabis-Sortiments). Die Apotheken ihrerseits könnten sich ihren Großhändler aussuchen. Eine zusammenfassende Darstellung der Cannabis-Therapie, selbst wenn darin Cannabis-Blüten als Pflanze abgebildet seien, sei keine Werbung für ein konkret individualisiertes Arzneimittel außerhalb von Fachkreisen im Sinne von § 10 Abs. 1 HWG. Wegen der Gleichschaltung von Cannabis (KCanG) und Medizinal-Cannabis (MedCanG) sei in der objektiven Darstellung einer ärztlichen Behandlung mit Medizinal-Cannabis – soweit nicht eine bestimmte Sorte bzw. Pflanze und/oder ein bestimmter THC-Gehalt werblich herausgestellt werde – nicht die Absicht zur Förderung des Absatzes eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels zu sehen. Sie mache nur auf die allgemein bekannten (guten) Wirkungen von Cannabis (in bestimmten Krankheitsfällen) aufmerksam, ohne produktbezogen zu werben. Gegen eine Werbung im Sinne von § 10 HWG spreche auch, dass sich Patienten verschreibungspflichtiges Cannabis nicht ohne ärztliches Rezept selbst beschaffen könnten; eine unsachliche Patientenbeeinflussung durch Werbung komme insoweit nicht in Betracht.

 

B.

 

Die Berufungen sind zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, allerdings haben sie nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

 

I. Das Landgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist.

 

1. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt und zugleich aktivlegitimiert. Er ist in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen, auch gehört ihm nach der für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellung des Landgerichts, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, mittelbar eine erhebliche Zahl von mit der Beklagten um Patienten (u.a.) mit chronischen Schmerzen, Migräne, Depressionen, ADHS und etwa Schlafstörungen konkurrierenden Ärzten an.

 

Dass die Beklagte tatsächlich nur Verträge zwischen Patienten und Ärzten vermittelt und Servicedienstleistungen für Ärzte erbringt, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei an Berufsrechtsverstößen der Ärzte beteiligt bzw. erwecke den unzutreffenden Eindruck, sie biete die Behandlungen mit medizinischem Cannabis selbst durch bei ihr angestellte Ärzte an.

 

Dass der Kläger entgegen seinem Satzungszweck überwiegend gewerblich tätig und daher zu Unrecht als qualifizierter Wirtschaftsverband eingetragen wäre, ist nicht ersichtlich. Das Landgericht hat insoweit zu Recht keinen Aussetzungsbedarf gesehen.

 

2. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG sind nach zutreffender Ansicht des Landgerichts auch nicht missbräuchlich (§ 8c Abs. 1 und 2 UWG).

 

3. Die Klage ist auch nicht wegen unbestimmter Klageanträge ganz oder teilweise unzulässig.

 

a) Diejenigen Klageanträge zu 1 a) bis d) mit abstrakten Obersätzen, die noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, sind wegen des Verweises auf die konkreten Verletzungsformen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die darin in Bezug genommenen Anlagen enthielten in weiten Teilen zulässige Angaben. Aus dem zur Auslegung heranzuziehenden Klägervortrag geht eindeutig hervor, was jeweils Gegenstand der Beanstandung ist.

 

b) Dass der Kläger (insbesondere) den Klageantrag zu 1 a) alternativ auf verschiedene Verstöße gegen die Berufsordnung/en der Ärzte gestützt hat, verstößt auch nicht gegen die sog. TÜV-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Kläger begehrt jeweils aus verschiedenen Rechtsgründen ein einheitliches Verbot. Insoweit liegen keine unterschiedlichen Streitgegenstände vor (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 13.09.2012 – I ZR 230/11, juris Rn. 24 – Biomineralwasser; Urteil vom 26.04.2018 – I ZR 121/17, juris Rn. 13 – Applikationsarzneimittel).

 

c) Auf Grundlage des Klägervortrags steht auch eindeutig fest, dass mit der Wendung „als Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft“ im Obersatz der Klageanträge zu 1 c) der bloße Betrieb einer Vermittlungsplattform für ärztliche Leistungen und die Erbringung von Serviceleistungen für Ärzte, insbesondere wie aus den streitgegenständlichen Anlagen ersichtlich, gemeint ist.

 

d) Der Klageantrag zu 1 d) bezieht sich, wie der Kläger in der Berufungsverhandlung auf Rückfrage des Senats vorsorglich klargestellt hat, auf den Internetauftritt der Beklagten unter www.(…).com, wie aus den Anlagen K4 und/oder K5 und/oder K6 und/oder K7 ersichtlich, nimmt vorgenannte Internetseite also nicht auch isoliert in Bezug.

 

II. In der Sache haben die Berufungen der Parteien nur teilweise Erfolg.

 

1. Der Klageantrag zu 1 a), gerichtet auf das Verbot, Raumnutzungs- und Serviceleistungsverträge wie aus Anlage K3 ersichtlich möglichen Vertragspartnern zur Verfügung zu stellen und/oder entsprechend abzuschließen und/oder entsprechend umzusetzen, ist nur hinsichtlich der Variante des „Umsetzens“ eines derartigen Vertrags – nicht aber des Zurverfügungstellens und Vertragsschlusses – aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 31 Abs. 1 MBO-Ä in der Fassung der Berufsordnungen der Länder in Verbindung mit § 830 Abs. 2 BGB begründet.

 

a) Soweit dieser Antrag zulässigerweise auf verschiedene, insoweit der MBO-Ä entsprechende, Verstöße gegen die Berufsordnungen der Länder gestützt ist, folgt die Verurteilung zur Unterlassung aus einer Beteiligung der Beklagten am Verstoß zumindest eines ihrer Kooperationsärzte (m/w/d) gegen die § 31 Abs. 1 MBO-Ä (1997 in der zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Handelns und Erlasses der erstinstanzlichen Entscheidung geltenden wie auch in der aktuellen Fassung des 128. Deutschen Ärztetages vom 09.05.2024) entsprechenden, für die Ärzte unmittelbar geltenden Vorschriften der Berufsordnungen der Länder, wie etwa § 31 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (Stand: 01.01.2025, zuletzt geändert am 26.11.2024, nachfolgend: BO Hessen).

 

aa) Soweit der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch nur begründet ist, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 25.07.2024 – I ZR 143/23, GRUR 2024, 1345 Rn. 7 – durchschnittliche Sternebewertung), sind mit den Änderungen der MBO-Ä bzw. der Berufsordnungen der Länder keine hier relevanten Inhaltsänderungen einhergegangen. Nachfolgend werden daher jeweils nur die aktuellen Vorschriften der MBO-Ä und – rein exemplarisch – der BO Hessen zitiert.

 

bb) Nach zutreffender Auffassung der Beklagten kann diese zwar nicht (Mit-/) Täterin eines Verstoßes gegen die (Landes-) Berufsordnungen der Ärzte sein, da es sich um Sonderrecht handelt (vgl. z.B. BGH, NJW 1995, 3504, 3505 [3. a)]). Allerdings ist die Beklagte nach den für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch entsprechend heranzuziehenden deliktischen Teilnahmeregeln (§ 830 Abs. 2 BGB, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24.06.2003 – KZR 32/02, juris Rn. 21 – Buchpreisbindung) als Anstifterin, jedenfalls aber Gehilfin, für Verstöße der mit ihr kooperierenden Ärzte gegen § 31 Abs. 2 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen (mit-) verantwortlich. Diesbezüglich ist anerkannt, dass eine Teilnehmerhaftung auch dann möglich ist, wenn der Teilnehmer selbst nicht Adressat der Marktverhaltensregelung ist, jedoch Normadressaten dazu auffordert oder ihnen dabei behilflich ist, gegen ein Sonderdelikt zu verstoßen (vgl. § 28 StGB, BGH, Urteil vom 12.03.2015 – I ZR 84/14, GRUR 2015, 1025 Rn. 15 – TV Wartezimmer; Urteil vom 13.12.2018 – I ZR 3716, GRUR 2019, 298 Rn. 63 mwN – Uber Black II)

 

Die Beklagte (bzw. Beklagtenseite) hat die Vertragsentwürfe in Anlagen K3 und K13 entworfen und potenziellen Kooperationsärzten zur Verfügung gestellt. Insofern liegt eine Anstiftung durch sie nahe (§ 830 Abs. 2 Alt. 1 BGB i.V.m. 26 StGB analog). Jedenfalls aber ist die Beklagte als Gehilfin (§ 830 Abs. 2 Alt. 2 BGB i.V.m. § 27 StGB analog) für die Verstöße ihrer Kooperationsärzte gegen § 31 Abs. 1 MBÖ-Ä/(u.a.) BO Hessen mitverantwortlich.

 

(1) Die Gehilfenhaftung setzt neben einer beihilfefähigen Haupttat eine objektive Beihilfehandlung und einen zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 23.10.2024 – I ZR 112/23, GRUR 2024, 1809 Rn. 76 mwN – Manhattan Bridge).

 

(2) Die beihilfefähige Haupttat besteht vorliegend in der Umsetzung einer dem Vertrag(/-sentwurf) in Anlage K3 entsprechenden Vergütungsregelung (EA LG 34; siehe dagegen die abweichende Fallgestaltung in der Rechtssache OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.11.2023 – 6 U 82/23, juris Rn. 27 – Rabattaktion des Ärztevermittlers).

 

(a) Die Umsetzung einer Vergütungsregelung wie in Anlage K3 verstößt nach zutreffender Auffassung des Landgerichts gegen das Verbot des Gewährens eines Entgelts in § 31 Abs. 1 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen. Nach dieser Vorschrift ist es Ärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.

 

(aa) Jedenfalls ein Teil der der Beklagten nach dem Vertrag(/sentwurf) in Anlage K3 zustehenden Vergütung stellt der Sache nach ein Entgelt für die Zuweisung von Patienten dar.

 

Nach § 6 Abs. 1 („Nutzungsentgelt“; die nachfolgend zitierten Vorschriften beziehen sich jeweils auf Anlage K3) setzt die Beklagte („Gesellschaft“) für die von ihr erbrachten Leistungen (Terminservice-, Infrastruktur-, Abrechnungs- und Administrationsaufgaben) Kostenquoten pro empfangenem Patienten fest. Der Arzt verpflichtet sich ihr gegenüber für die Durchführung des Vertrags zur Zahlung folgender Anteile (in Prozent) der Bruttohonorare für seine ärztlichen Leistungen: a) 60% bei Erstgesprächen vor Ort b) 79% bei Folgeterminen vor Ort oder per Videosprechstunde bis zum 4. Folgetermin inklusive c) 74% bei Folgeterminen vor Ort oder per Videosprechstunde ab dem 5. Folgetermin inklusive. Nach § 6 Abs. 2 wird die Beklagte in ihrer Abrechnung dem Arzt gegenüber die Kostenpunkte bezüglich ihrer Leistungen für den Arzt inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen Umsatzsteuer so anpassen, dass diesem netto 40%, bzw. 21% oder 26% der Honorare verbleiben.

 

Nach § 7 Satz 1 beauftragt der Arzt die Beklagte mit der Abrechnung der von ihm erbrachten privatärztlichen Leistungen in seinem Namen gegenüber dem jeweiligen Patienten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ermächtigt er die Beklagte ausdrücklich dazu, nach erfolgter Abrechnung gegenüber dem Patienten den auf ihn entfallenden Kostenanteil für die Erfüllung des Vertrages einzubehalten. Die Zahlungsansprüche der Beklagten für die Durchführung des Vertrages gegenüber dem Arzt werden unmittelbar nach Abschluss der Behandlung des jeweiligen Patienten pro Tag fällig (§ 8 Abs. 2).

 

Nach den gemäß § 529 Nr. 1 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, ist ein Anteil zwischen 60 % und 79 % des ärztlichen Bruttohonorars, der der Beklagten nach Anlage K3 zusteht, keine annähernd äquivalente Gegenleistung für von ihr vertraglich geschuldete Serviceleistungen, sondern der Sache nach jedenfalls teilweise ein berufswidriges Vermittlungshonorar für die Zuweisung von Patienten über ihr Portal. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Höhe der Mietzahlung für von der Beklagten im Bedarfsfall für den Arzt angemieteten Räumlichkeiten zur Errichtung einer privatärztlichen Praxis nach § 1 Abs. 1 Satz 3 in der Vergütung (§ 6) inbegriffen ist.

 

Soweit nach der Konzeption der auf der Internetseite www.(…).com beworbenen Behandlung ärztliche Folgetermine so weit wie möglich digital stattfinden sollten, ist wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagten für Videotermine ein größerer Teil des ärztlichen Honorars als bei Erstbehandlungen/-gespräche zustehen sollte, wenn ihr Vergütungsanteil nicht zumindest auch eine Provision für die (längerfristige) Patientenvermittlung ist.

 

Der Arzt ist für die Ausstattung seiner Praxis (Medizinzubehör (Pulsoximeter, Brutdruckmessgerät, Stethoskop) Praxisstempel, Nadeldrucker) und für die Hardware für Videosprechstunden (Computer mit Mikrophon) nach § 5 Abs. 1 und 3 grundsätzlich selbst verantwortlich. Daher ist nicht erkennbar, dass für Leistungen der Beklagten wie Terminservice, Infrastruktur, Abrechnung und Administration Kosten anfielen, die annähernd die in § 6 Abs. 1 und 2 vorgesehenen Anteile am Bruttohonorar des Arztes für jeden einzelnen Patienten rechtfertigen könnten. Nach zutreffender Auffassung des Klägers und des Landgerichts spricht insoweit unter anderem ihre Beteiligung am Honorar für jeden einzelnen Patienten für eine verdeckte Vermittlungsprovision. Dass die Beklagte eine solche bestreitet (vgl. EA LG 153 f.), ist unerheblich. Sie ist dem Klägervortrag nicht substantiiert, sondern im Wesentlichen unzulässig mit Nichtwissen entgegengetreten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die Beklagte hat insbesondere keinen Anhaltspunkt dafür aufgezeigt, dass ihre Kostenstruktur die vertraglich vorgesehene, patientenbezogene Vergütungsbeteiligung rechtfertigen könnte (§ 138 Abs. 3 ZPO).

 

Der Annahme eines Berufsrechtsverstoßes der Ärzte steht auch nicht entgegen, dass die (potenziellen) Patienten auf dem Portal der Beklagten grundsätzlich die Möglichkeit hatten, Ärzte auszuwählen, indem sie im Terminkalender freie Tage anklickten und dort teilweise mehre Ärzte zur Auswahl standen. Abgesehen davon, dass jedenfalls an einigen Tagen nur ein Arzt (in der Umgebung des Patienten) „zur Auswahl“ stand, ist die Beteiligung der Beklagten am Honorar der Ärzte jedenfalls in nicht unerheblichem Umfang ein Vermittlungsentgelt für die „Zuweisung“ des jeweiligen Patienten. Die Ärzte haben ihre „Cannabis“-Patienten nicht eigenständig, sondern allein durch die von ihnen zu vergütende Vermittlung der Beklagten gewonnen. Insoweit ist eine weite Auslegung von § 31 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen geboten.

 

(bb) Mit dem Landgericht ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte nicht prozessual erheblich bestritten hat, dass sie mit Anlage K3 kerngleiche Verträge (zumindest aber einen) mit einem Arzt oder einer Ärztin geschlossen und entsprechend umgesetzt hat. Dieser Klägerbehauptung ist die Beklagte – trotz eingehender Erörterungen auch in der Berufungsverhandlung – nicht entgegengetreten. Der Vortrag des Klägers ist daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Einer Vernehmung des von ihm für den Abschluss und die Umsetzung „derartige[r] Verträge“ (wie in Anlagen K3 und K13) benannten und in der Berufungsverhandlung anwesenden Prokuristen der Beklagten hat es nicht bedurft.

 

Auf ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO, vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 05.02.2024, EA LG 670) kann sich die Beklagte nicht zurückziehen. Der Abschluss und die Umsetzung entsprechender Verträge fällt in ihre Sphäre. Die Beklagte kann auch nicht prozessual erheblich geltend machen, die Zuordnung der als Anlagen K3 und K13 vorgelegten Verträge sei ihr mangels Unterzeichnung bzw. wegen teilweiser Schwärzungen nicht möglich (vgl. z.B. EA LG 670.). Nach zutreffender Ansicht des Klägers hat die Beklagte damit nicht wirksam in Abrede gestellt, dass sie zumindest einen kerngleichen Vertrag gestellt, geschlossen und umgesetzt hat. Sie hat insoweit im Wesentlichen bestritten, den als Anlage K3 vorgelegten Vertrag „in dieser konkreten Form“ abgeschlossen zu haben; es handele sich allenfalls um ein Angebot im Sinne von § 145 BGB bzw. um einen (völlig veralteten) Entwurf. Soweit sie dahingestellt hat sein lassen, ob die Ärztekammer/n deswegen nicht gegen Ärzte vorgegangen sei/en, weil „die Anlage K3 und K13 vorgelegten Verträge überhaupt nicht abgeschlossen worden sind“ (vgl. EA LG 669), liegt auch hierin kein konkretes bzw. substantiiertes Bestreiten, insbesondere des Abschlusses kerngleicher Verträge.

 

Die Verträge bzw. Vertragsentwürfe in Anlage K13 enthalten entsprechend der Auffassung des Klägers teilweise identische, jedenfalls aber kerngleiche Vergütungsregelungen (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 und 2 des ersten Dokuments: 65 % bei Erstgesprächen vor Ort, 75 % bei Folgeterminen vor Ort; 75 % bei Folgeterminen per Videosprechstunde, so dass 35 % oder 25 % der Honorare verbleiben sowie § 6 Abs. 1 und 2 der Verträge vom 17.03.2021/18.03.2022, 03.09.2021 und 15.09.2021 und den von der Beklagten unterzeichneten Vordruck vom 28.09.2022: 60 % bei Erstgesprächen vor Ort, 79 % bei Folgeterminen vor Ort oder per Videosprechstunde bis zum 4. Folgetermin inklusive, 74 % ab dem 5. Folgetermin, so dass 40 %, 21 %bzw. 26 der Honorare verbleiben). Der Kläger hat diese Anlage nur deshalb nicht zum Gegenstand des Klageantrags zu 1 a) gemacht, weil er zutreffend davon ausgeht, die Regelungen seien kerngleich mit Anlage K3.

 

Zwar hat die Beklagte teils argumentiert, es sei unklar, von wem das Vertragsangebot stamme, der (jeweilige) Entwurf sei eine bloße invitatio ad offerendum (Vertragsangebot), bei verspätet angenommenen Anträgen sei nicht mehr von einem Angebot ihrerseits, sondern von dessen Ablehnung, verbunden mit einem neuen Vertragsangebot auszugehen, § 150 BGB). Dies ist aber schon deshalb unerheblich, weil nicht dargetan und nicht ersichtlich ist, dass kein Vertrag mit zumindest annähernd ähnlicher Vergütungsregelung geschlossen und umgesetzt worden wäre. Von wem das Vertragsangebot und die Annahmeerklärung jeweils stammen, ist für die Feststellung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat wie auch einer Teilnehmerhaftung der Beklagten unmaßgeblich.

 

(b) Es kann auch davon ausgegangen werden, dass jedenfalls Teile der Ärzte, die entsprechende Vergütungsvereinbarungen mit der Beklagten geschlossen und „gelebt“ haben, erkannt und zumindest billigend in Kauf genommenen haben, dass die Beklagte einen erheblichen Teil ihres Honorars als Gegenleistung für die Vermittlung von Patienten einbehält. Sie konnten nicht ernsthaft annehmen, die Beteiligung der Beklagten an ihrem Honorar stelle eine angemessene Gegenleistung für deren reine Serviceleistungen (einschließlich Werbung) dar.

 

(c) Ein Beweisverwertungsverbot besteht insoweit nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht.

 

(d) Entsprechend dem erstinstanzlichen Urteil sind die Vorschriften der ärztlichen Berufsordnungen auch Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 217/20, GRUR 2022, 844 für Rn. 42 – Kinderzahnarztpraxis, zur Berufsordnung für Zahnärzte).

 

(3) Die Beklagte hat zu den vorsätzlichen Berufsordnungsverstößen jedenfalls einiger mit ihr kooperierender Ärzte objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet.

 

(a) Indem sie auf Grundlage des nicht substantiiert bestrittenen Klägervortrags (§ 138 Abs. 3 ZPO) gemäß oder entsprechend der Vergütungsvereinbarung in Anlage K3 (bzw. Anlage K13) abgerechnet hat, hat die Beklagte an den ärztlichen Zuwiderhandlungen gegen das Verbot des Gewährens eines Entgelts für die Patientenvermittlung teilgenommen.

 

Dagegen ist das „Zurverfügungstellen“ eines derartigen Vertrags mangels teilnahmefähiger Haupttat (noch) keine taugliche Beihilfehandlung bzw. ist eine damit verbundene mögliche Anstiftung erst mit Umsetzung der Vergütungsregelung als taugliche Haupttat strafbar. Nach § 3a UWG handelt nur unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Eine Zuwiderhandlung gegen § 31 Abs. 1 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen setzt (u.a.) das Gewähren von Vorteilen für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten voraus. Dieses Merkmal ist erst mit Einbehalt der vertraglich vereinbarten Vergütung, nicht aber schon mit Überlassen eines solchen Vertrags oder mit dessen Abschluss erfüllt (siehe insofern auch BGH, Urteil vom 26.04.2018 – I ZR 121/17, GRUR 2018, 1271 Rn. 76 -Applikationsarzneimittel; vgl. auch § 30 i.V.m. § 12 Abs. 1 StGB).

 

Daher kann nur davon ausgegangen werden, dass die Beklagte einen das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließenden, zumindest bedingten Vorsatz hatte, dass die umgesetzte Vergütungsregelung gegen ärztliches Berufsrecht verstößt, mag sie insoweit auch rechtsirrig angenommen haben, für etwaige Berufsrechtsverstöße der mit ihre kooperierenden Ärzte nicht (mit-) verantwortlich zu sein (davon ist indes nicht auszugehen; die Beklagte hat unbestritten in einem anderen Rechtsstreit eingeräumt, ihr früherer – hier streitgegenständlicher – Mustervertrag sei „nicht so optimal“ gewesen).

 

(b) Einer Teilnehmerhaftung der Beklagten steht, wie oben dargetan wurde, auch nicht entgegen, dass das eigentliche Vertragsangebot rechtlich von Ärzten stammen mag (durch zu langes Zuwarten oder Änderungswünsche, § 150 Abs. 1 und 2 BGB) und von der Beklagten angenommen wurde.

 

b) Ob die Beklagte an weiteren Verstößen ihrer Kooperationsärzte gegen die Berufsordnungen der Länder beteiligt war, kann dahingestellt bleiben.

 

aa) Dies gilt insbesondere für mögliche Verstöße gegen § 30 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen (Ärztliche Unabhängigkeit), § 2 Abs. 4 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen (Weisungsverbot) und § 31 Abs. 2 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen (Empfehlung/Verweisung an Apotheken, sofern ein solcher Verstoß überhaupt geltend gemacht ist). Solche Verstöße ergeben sich jedenfalls nicht aus Anlage K3, die der Klageantrag zu 1 a) allein in Bezug nimmt.

 

bb) Letzteres gilt auch für einen möglichen Verstoß gegen die ärztliche Niederlassungspflicht in § 17 Abs. 1 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen. Eine Zuwiderhandlung hiergegen lässt sich (allein) anhand des Vertrags (/entwurfs) in Anlage K3 nicht feststellen.

 

Nach § 17 Abs. 1 MBO-Ä/BO Hessen ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit (außerhalb von Krankenhäusern einschließlich konzessionierter Privatkliniken) an die Niederlassung in eigener Praxis (Praxissitz) gebunden (kenntlich zu machen durch ein Praxisschild, vgl. § 17 Abs. 4 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen), soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas Anderes zulassen. Allerdings ist es Ärzten gestattet, über den Praxissitz hinaus an zwei Orten ärztlich tätig zu sein (§ 17 Abs. 2 Satz 1 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen), wobei für jeden Ort der Tätigkeit Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße, insbesondere zeitnahe ärztliche Versorgung „ihrer Patientinnen und Patienten“ zu treffen sind (§ 17 Abs. 2 Satz 2 MBO-Ä/BO Hessen).

 

Zwar sind die von der Beklagten nach § 1 Abs. 1 der Anlage K3 im Bedarfsfalls für den Arzt angemieteten und diesem für die Dauer der jeweiligen privatärztlichen Sprechstunde als Untermieter untervermieteten Räumlichkeiten nach zutreffender Auffassung des Landgerichts kein Praxissitz im Sinne von § 17 Abs. 1 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen. Allerdings hat die Beklagte behauptet, alle für sie tätigen Kooperationsärzte verfügten über einen ordnungsgemäßen, eigenen Praxissitz (vgl. z.B. S. 36 des Schriftsatzes vom 05.10.2023, EA LG 172). Habe der Arzt schon Praxisräume, bedürfe es des Services der mietweisen Überlassung nicht (vgl. insofern S. 17 des Schriftsatzes vom 05.10.2023, EA LG 151).

 

Ein Verstoß könnte daher allenfalls aus der Handhabung folgen, dass die Kooperationsärzte für die Beklagte in nicht darauf ausgelegten Räumlichkeiten tätig werden (/mussten) (vgl. etwa Anlage K19, EA LG 405 ff., wonach der behandelnde Arzt kein auf einen Praxissitz hindeutendes Schild an der genutzten Physiotherapie-Praxis hatte).

 

c) Das Landgericht hat auch zutreffend eine Verjährung (§ 11 UWG) und Verwirkung verneint.

 

aa) Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt und es ist auch nicht erkennbar, dass die in der innerbetrieblichen Organisation des Klägers für die Aufnahme und gegebenenfalls Weiterleitung wettbewerbsrechtlich relevanter Informationen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständige/n Person/en, von der/denen dies aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen typischerweise erwartet werden kann (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 18.01.1994 – VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151 [juris Rn. 12]); Urteil vom 09.03.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 Rn. 10 ff.), bereits in verjährungsschädlicher Zeit von den Anlagen K3 oder K13 Kenntnis erlangt hätten (siehe insofern auch OLG Frankfurt, Urteil vom 26.09.2018 – 6 U 49/18, WRP 2019, 99 Rn. 19 -Steckdübel III, Exzenterzähne II).

 

bb) Die möglicherweise frühere Kenntnis einzelner Landesärztekammern von Verträgen wie in Anlagen K3 und K13 muss sich der Kläger nach zutreffender Ansicht des Landgerichts nicht entsprechend § 166 Abs. 1 BGB mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurechnen lassen.

 

Die Kammern sind nicht „Wissensvertreter“ des Klägers (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 13.12.2012 – III ZR 298/11,NJW 2013, 448 Rn. 19). Dieser hat sie auch nicht mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut (vgl. insofern z.B. BGH; Urteil vom 04.07.2024 – V ZR 183/13, NJW 2014, 2861 Rn. 13 mwN) oder ihnen die Vornahme der erforderlichen Tatsachenfeststellungen übertragen (vgl. insofern BGH, NJW 2013, 448 Rn. 19). Daher ist unerheblich, wann bei einzelnen Kammern Kenntnis bestanden.

 

Eine abweichende Betrachtung ist nicht deshalb geboten, weil die Kammern die Berufsaufsicht über die Ärzte ausüben und gegen ärztliche Berufspflichtverstöße vorgehen müssen. Dies führt nicht dazu, dass ihr Wissen Verbänden wie dem Kläger, dessen Mitglied sie sind, zugerechnet würde. Der Kläger ist eine eigenständige juristische Person (vgl. insofern auch § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG: „der Gläubiger“). Er dient als „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ allgemein der Förderung gewerblicher Interessen (u.a.) im Bereich des Wettbewerbsrechts und des für die Wirtschaft maßgeblichen Verbraucherschutzrechts (vgl. Anlage B1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, EA LG 203).

 

cc) Für eine Verwirkung besteht ebenfalls kein Anhaltspunkt.

 

d) Für die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht vorliegend (insgesamt, soweit der Klage stattgegeben wird) eine tatsächliche Vermutung.

 

e) Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO.

 

2. Das mit dem Klageantrag zu 1 b) begehrte Verbot, für eine ärztliche Behandlung ohne persönlichen Kontakt zum Behandelnden zu werben, insbesondere für digitale Folgetermine, wenn dies geschieht wie unter www.(…).com und aus Anlage K4 und/oder Anlage K5 („Folgetermine digital – telemedizinisch“) und/oder Anlage K10 zur Replik („Erstgespräch vor Ort oder aber digital“) ersichtlich, hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 9 HWG Erfolg.

 

a) Nach § 9 Satz 1 HWG ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung), unzulässig. Nach dem durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz mit Wirkung vom 19.12.2019 eingeführten Satz 2 dieser Bestimmung ist Satz 1 nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

 

Bei der Auslegung des Erlaubnistatbestands gemäß § 9 Satz 2 HWG kommt es auf eine abstrakte, generalisierende Bewertung an, da sich Werbung unabhängig von einer konkreten Behandlungssituation an eine Vielzahl nicht näher individualisierter Personen richtet. Dabei dürfen nur solche Fernbehandlungen bei Menschen beworben werden, bei denen die Einhaltung anerkannter fachlicher Standards gesichert ist. Dies ist dann der Fall, wenn nach dem anerkannten medizinischen Stand der Erkenntnisse eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist (vgl. BT-Drucks.19/13438, S. 78). Da der Gesetzgeber bereits unter vorgenannter Voraussetzung von der Einhaltung anerkannter fachlicher Standards und zudem von einem dynamischen Prozess ausgegangen ist, in dem sich mit dem Fortschritt der technischen Möglichkeiten auch der anerkannte fachliche Standard ändern kann (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2021 – I ZR 146/20, GRUR 2022, 399 Rn. 51 mwN – Werbung für Fernbehandlung), kann nicht davon ausgegangen werden, die ärztliche Beratung und Behandlung im persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient in physischer Präsenz sei weiterhin der „Goldstandard“ ärztlichen Handelns und grundsätzlich erfordere jeder Krankheitsverdacht nach allgemeinen fachlichen Standards eine Basisuntersuchung (vgl. BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 52 mwN – Werbung für Fernbehandlung). Der in § 9 Satz 2 HWG verwendete Begriff der „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ ist insoweit unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen; nach letzterer Vorschrift hat die Behandlung im Rahmen eines medizinischen Behandlungsvertrags nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas Anderes vereinbart ist (vgl. auch BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 53 mwN – Werbung für Fernbehandlung).

 

Daher kommt es entscheidend darauf an, wie der angesprochene Verkehr die Werbung der Beklagten versteht (vgl. auch BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 560 mwN – Werbung für Fernbehandlung). Bei gesundheitsbezogener Werbung sind insoweit besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Dies gilt mit Blick auf die hohe Wertigkeit der durch § 9 HWG geschützten Gesundheitsinteressen auch für die Beurteilung einer Werbung für Fernbehandlungen im Sinne § 9 Satz 2 HGW (vgl. BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 62 mwN – Werbung für Fernbehandlung). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Werbung nach diesen Grundsätzen den allgemeinen fachlichen Standards entspricht, liegt bei der beklagten Partei (vgl. BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 65 mwN – Werbung für Fernbehandlung).

 

Darauf, dass medizinisches Cannabis nach § 31 Abs. 6 SGB V nur als letztes Mittel verschrieben werden darf, also voraussetzt, dass der Patient austherapiert ist, kommt es im Streitfall schon deshalb nicht an, weil diese Bestimmung nur für gesetzlich versicherte Patienten gilt. Sie betrifft den Versorgungsanspruch gesetzlich Versicherter, wohingegen sich die streitgegenständliche Internetseite der Beklagten ausschließlich an Privatzahler bzw. Privatpatienten richtete.

 

b) Nach diesen Maßstäben verstoßen die Angaben in Anlage K4 nicht gegen § 9 HWG.

 

aa) Die Beklagte verweist dort zum „Therapie-Ablauf“ auf ein „Erstgespräch mit Arzt / Ärztin vor Ort“ und auf „Digitale Folgetermine“ (vgl. Anlage K4 S. 2, EA LG 40). Unter „Die Standorte für das Erstgespräch vor Ort“ steht neben einer Landkarte mit verschiedenen Standorten: „Hier finden die vor Ort Termine statt. Unserer Kooperationsärzte /Kooperationsärztinnen können deine individuelle Behandlung im Anschluss an ein vor Ort stattfindendes Erstgespräch starten und in bestimmten Fällen rein digital begleiten“. Daran schließt sich ein größeres blaues Sternchen an (vgl. Anlage K4 S. 3, EA LG 41), das nach Behauptung der Beklagten zu dem aufklärenden PopUp-Hinweis auf S. 44 der Klageerwiderung (EA LG 178) führt (vgl. insofern auch Anlagen B3 und B4, EA 223 f.).

 

bb) Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Werbung der Beklagten gegen § 9 HWG verstößt, weil digitale Folgetermine wegen der nach ihrer Internetseite (u.a.) in Rede stehenden Krankheiten (Chronische Schmerzen, Migräne, Depression, ADHS, Schlafstörungen als mögliche Anwendungen der Therapie neben weiteren Beschwerden) nicht anerkannter fachlicher Standard wären.

 

Die Beklagte hat in Anlage K4 hinreichend deutlich gemacht, dass die Erstuntersuchung (seinerzeit noch unter Geltung des BtMG) vor Ort stattfinden müsse. Zu den Folgeterminen hat sie lediglich in Aussicht gestellt, diese sollten möglichst digital stattfinden. Dabei hat sie ausreichend deutlich gemacht, dass es davon Ausnahmen geben könne. Es ist nicht ersichtlich, dass dies anerkannten ärztlichen Standards widerspräche. Insbesondere ist nicht dargetan und auch nicht erkennbar, weshalb Folgerezepte für medizinisches Cannabis im Rahmen einer längerfristigen Behandlung stets eine erneute ärztliche Untersuchung erforderten, es also nicht genügte, wenn die Ärzte die Verträglichkeit und mögliche Nebenwirkungen des verschriebenen Medikaments im Einzelfall per Video abfragen.

 

c) Entsprechendes gilt für die streitgegenständlichen Hinweise in Anlage K5 unter „Häufig gestellte Fragen“ (vgl. EA LG 44 ff.), darunter die Fragen: „Wie läuft die Therapie mit medizinischem Cannabis bei euch konkret ab?“ und „Kann das Erstgespräch auch per Videosprechstunde stattfinden?“ (Anlage K3 S. 1 f., EA LG 44 f.). Letztere wurde wie folgt beantwortet:

 

„Die Therapie bei Kooperationsärzten von Algea Care muss auch aufgrund der strengen Reglementierung im [seinerzeit noch geltenden] BtM-Bereich mit einem persönlichen Erstgespräch beginnen.

 

Eine Erstbehandlung kann also leider nicht per Videosprechstunde stattfinden.

 

Ab dem Beginn der Therapie, also nach der Erstvorstellung an einem der Algea Care-Behandlungsstandorte, findet der weitere Therapieverlauf nach Möglichkeit telemedizinisch statt. Sobald du als Patient den nächsten Termin absehen können, buchst du diesen idealerweise direkt, um einen Versorgungsengpass in deiner Medikation zu vermeiden. Der beste Zeitraum […]“.

 

Auch insoweit hat die Beklagte nicht behauptet, Folgetermine fänden stets digital statt, sondern nur in Aussicht gestellt, dies sei nach Möglichkeit der Fall.

 

d) Dagegen steht die nachfolgend wiedergegebene Aussage in Anlage K10 zur Replik (EA LG 275 ff.): „Ärztliche Erstgespräch vor Ort oder digital [- auch am Wochenende]“

 

 

– anders als die weiteren Angaben „Medikamente erhalten & Folgetermine online planen“ (S 1 f., EA LG 275 f.) und „Die weitere Behandlung im Verlauf kann in bestimmten Fällen rein digital weiter begleitet werden“ (EA LG 277) – nicht mehr im Einklang mit § 9 HWG.

 

aa) Jedenfalls ein erheblicher Teil der verständigen Durchschnittsadressaten, deren Verständnis der Senat selbst beurteilen kann, versteht diese Aussage – die er im Gesamtkontext der Beklagten zuordnet (vgl. den oberen Teil der Screenshots mit „algea care“-Logo und dem Hinweis „Bekannt aus“ u.a. ARD, ZDF, BILD und FAZ, Anlage K10 S. 1) – so, dass das ärztliche Erstgespräch alternativ vor Ort oder digital erfolgen kann. Die Aussage enthält keinen Vorbehalt dahin, dass ein Digitaltermin nur in Betracht komme, wenn dies im Einzelfall fachlichen Standards entspreche bzw. keine ärztliche Untersuchung erforderlich sei. Daher hat sie jedenfalls bei einem erheblichen Teil des Verkehrs die Erwartung geweckt, ein Erstgespräch – im Sinne des ersten Behandlungstermins (vgl. z.B. den nachfolgenden Hinweis:

 

 

– könne grundsätzlich auch digital stattfinden. Dies verstößt gegen das Werbeverbot des § 9 HWG. Von diesem besteht nach Satz 2 der Vorschrift nur dann eine Ausnahme, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist (vgl. auch BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 63 – Werbung für Fernbehandlung).

 

Dies war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung schon deshalb nicht der Fall, weil für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis als Betäubungsmittel eine ärztliche Erstbehandlung vorgeschrieben war. Dass eines solche nach heutigen fachlichem Standard grundsätzlich nicht mehr geboten wäre, ist weder dargetan noch erkennbar. Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 65 – Werbung für Fernbehandlung) ist der Behauptung des Klägers, ein Erstgespräch könne nur in besonderen Ausnahmefällen digital stattfinden, nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Sie hat auch in der Berufungsverhandlung keinen Anwendungsbereich der medizinischen Cannabistherapie aufgezeigt, in dem generell eine ärztliche Erstuntersuchung entbehrlich sein könnte. Dies hätte auch nicht genügt, da die angegriffene Aussage jedenfalls aus Sicht eines erheblichen Teils des Verkehrs auf die gleichwertige Möglichkeit eines digitalen Erstgesprächs für die Therapie mit medizinischem Cannabis verweist.

 

bb) § 9 HWG ist Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG.

 

Ein Verstoß gegen diese Norm ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen. Das Werbeverbot für Fernbehandlungen dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (vgl. z.B. BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 20 – Werbung für Fernbehandlung).

 

3. Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilungen gemäß dem Klageantrag zu 3 c) ist unbegründet.

 

a) Der Anspruch des Klägers auf das gegenüber der Beklagten ausgesprochene Verbot, als Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft mit der Aussage „Naturmedizin vom Marktführer“ zu werben, wenn dies geschieht wie in Anlage K4 (Klageantrag zu 1 c) aa)), folgt entsprechend dem landgerichtlichen Urteil aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 3 UWG (in der zum Zeitpunkt der behaupteten erstmaligen Kenntnisnahme bereits geltenden, aktuellen Fassung). Ob die Beklagte daneben gegen § 5a UWG verstoßen hat, bedarf keiner Entscheidung.

 

aa)        Die angegriffene Aussage in Anlage K4 lautet wie folgt und war in die nachfolgend wiedergegebenen Passagen eingebettet:

 

 

 

 

 

 

 

bb) In der Aussage „Naturmedizin vom Marktführer“ liegt bei gebotener Würdigung im konkreten Gesamtzusammenhang die nach § 5 Abs. 1 und 2 UWG unwahre, jedenfalls aber zur Täuschung geeignete, Angabe, die Beklagte biete als Marktführerin selbst die von ihr beworbene „Naturmedizin“ an. Dass sie nur als Servicedienstleisterin für (u.a.) Ärzte tätig wird, insbesondere Patienten bzw. Ärzte nur vermittelt, geht aus ihrem Internetauftritt in Anlage K4 nicht hervor. Daran ändert jedenfalls für einen ganz erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs – Interessenten an Cannabis, insbesondere potenziellen Patienten – der Umstand nichts, dass die Beklagte auf „unserer Kooperationsärzte /Kooperationsärztinnen“ verweist. Der verständige Adressat erkennt, dass die Onlineplattform in Anlage K4 von einem Unternehmen „Algea Care“ betrieben wird, das nicht selbst ärztliche Dienstleistungen erbringen kann. Gerade das Wort „unsere“ deutet insoweit auf eine enge Verbindung zwischen der Beklagten und ‚ihren‘ Kooperationsärzten hin. Dieses Verständnis wird durch die Patientenbewertung „Freundliche Ärzte und Mitarbeiter“ gestützt. Auch ist in Anlage K4 von „Algea Care Patienten“ die Rede. Dies bezieht der angesprochene Durchschnittsadressat nicht auf die Kooperationsärzte der Beklagten, sondern unmittelbar auf diese. Dem verständigen Seitenbenutzter ist insoweit bekannt, dass es (u.a.) Praxisgemeinschaften, medizinische Versorgungszentren bzw. Ärztegesellschaften gibt, in denen Ärzte desselben oder verschiedener Fachbereich(s/e) unter einem Namen zusammenarbeiten (vgl. z.B. §§ 18, 18a, 23a, 23b MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen) bzw. angestellt sind (vgl. insofern z.B. § 23 MBO-Ä/(u.a.) BO Hessen). Daher wird jedenfalls einem ganz erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs durch das Wort „Kooperationsärzte“ nicht klar, dass die eigentlichen ärztlichen Leistungen eigenverantwortlich von diesen Ärzten erbracht werden.

 

Der Umstand, dass zumindest Teile des Verkehrs wissen mögen, dass Cannabis vor der Gesetzesänderung im April 2024 eines ärztlichen Betäubungsmittelrezepts bedarf und nunmehr ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ist, führt nicht zu einer anderen Bewertung.

 

cc) Die irreführende Aussage ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

 

Die Beklagte erweckt mit der beanstandeten Angabe den Eindruck, Markführerin in der „Naturmedizin“ (mit medizinischem Cannabis) zu sein. Jedenfalls ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs geht insofern davon aus, die Beklagte stehe selbst mit erheblicher Expertise für die von ihr beworbenen Behandlungen ein und sei für die Arbeit ihrer fachkundigen Kooperationsärzte, im Haftungsfall auch wirtschaftlich, verantwortlich.

 

Wüsste der angesprochene Verkehr, dass die Beklagte die Ärzte nur vermittelt, ohne die Behandlung als Unternehmen selbst anzubieten und für deren ordnungsgemäße Durchführung und für etwaige Behandlungsfehler zu haften, wäre jedenfalls ein erheblicher Teil gegebenenfalls nicht gleichermaßen geneigt, sich ihrem Angebot zuzuwenden, das den Eindruck von erheblicher Erfahrung, Fachkunde und einer entsprechenden Ausstattung erweckt.

 

ee) Auch insoweit besteht für eine Verjährung oder Verwirkung kein Anhaltspunkt. Es ist nicht dargetan und auch nicht erkennbar, dass der Kläger bzw. einer seiner Wissensvertreter in verjährungsschädlicher Zeit von dem Internetauftritt gemäß Anlage K4 Kenntnis gehabt hätte, so dass dahinstehen kann, ob die Beklagte nicht immer noch entsprechend wirbt, also eine sog. Dauerhandlung vorliegt.

 

b) Gemessen daran hat das Landgericht der Beklagten auch zu Recht untersagt, als Serviceleistungs- und Betreibergesellschaft mit der Aussage „Algea Care Patienten“ zu werben, wenn dies geschieht wie in Anlage K4 (Klageantrag zu 1 c) cc)). Dieser Unterlassungsanspruch folgt ebenfalls aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 3 UWG.

 

c) Ein entsprechendes Werbeverbot ist aus vorgenannten Gründen auch gemäß dem Klageantrag zu 1 c) dd) für die Angabe berechtigt „Entdecke Algea Care: Naturmedizin als Medizin – dein Weg zur Behandlung bei unseren Ärzten“, wenn dies geschieht wie in Anlage K4.

 

d) Dasselbe gilt für die Werbeangabe in Anlage K7: „algea care [-] Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei […]“ (vgl. den Klageantrag zu 1 c) ee)). Insofern hat der Senat lediglich den Tenor klarstellend um die Wörter „algea care [-]“ ergänzt, da die Irreführung gerade aus dem Werbeslogan unter dem Wort-Bildzeichen „algea care“ folgt.

 

aa) Diese Werbeangabe tätigte die Beklagte wie folgt (vgl. Anlage K7, EA LG 50):

 

 

bb) Auch insoweit wurde jedenfalls ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs zu der unzutreffenden Annahme verleitet, die Beklagte verfüge als „algea care“ selbst über Expertise in der natürlichen Behandlung mit medizinischem Cannabis. Dafür spricht auch die Anmeldemaske „Behandlung anfragen […]“.

 

Dass im Plural von „Deine Experten“ die Rede ist, ist unerheblich. Jedenfalls ein erheblicher Teil der verständigen Durchschnittsadressaten konnte zu der Annahme gelangen, die unter der Bezeichnung „algea care“ tätige Beklagte habe mehrere Experten für die Behandlung mit medizinischem Cannabis. Für eine bloße Kooperation mit Ärzten besteht auch insoweit kein Anhaltspunkt.

 

cc) Aus den oben bereits dargelegten Gründen ist auch diese (irreführende) Werbung geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, insbesondere, sich (vermeintlich) bei der Beklagten in Behandlung zu begeben.

 

4. Der vom Kläger mit der Berufung angegriffene Klageantrag zu 1 d), die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, außerhalb der Fachkreise für verschreibungspflichtiges Cannabis zu werben, wenn dies geschieht wie unter www.(…).com und aus Anlage K4 und/oder Anlage K5 und/oder Anlage K6 und/oder Anlage K7 ersichtlich, hat nur hinsichtlich der Anlagen K6 und K7 Erfolg.

 

a) Zwar liegt kein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz mehr vor.

 

§ 14 Abs. 5 BtMG gilt seit Anfang April 2024 nicht mehr für (Medizinal-) Cannabis wie ∆-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Dronabinol.

 

b) Allerdings hat die Beklagte nach Auffassung des Senats mit ihrer Werbung in Anlagen K6 und K7 gegen § 10 HWG verstoßen.

 

aa) Nach § 10 Abs. 1 HWG darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden (sog. Laienwerbeverbot). Soweit gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 HWG für Arzneimittel, die psychotrope Wirkstoffe mit der Gefahr der Abhängigkeit enthalten und die dazu bestimmt sind, bei Menschen die Schlaflosigkeit oder psychische Störungen zu beseitigen oder die Stimmungslage zu beeinflussen, außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden darf, mag dieses Verbot zwar für (bestimmtes) THC-haltiges Cannabis mit psychodelischer Wirkung gelten (nach Anlage K7 bezog sich das Angebot der Beklagtenseite auch auf ‚nur CBD-Cannabis‘, vgl. EA 218), hierauf kommt es aber nicht an, da dann ebenfalls § 10 Abs. 1 HWG einschlägig ist.

 

(1) § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG verweist für die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes auf die Werbung für Arzneimittel auf den Arzneimittelbegriff in § 2 AMG, und damit auf Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AMG). Dies sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AMG Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr. 1) oder die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um (u.a.) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (Nr. 2 Buchst. a). Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 AMG sind Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG schließlich (u.a.) als solche zugelassene bzw. registrierte Arzneimittel.

 

(2) Grundlage dieses Werbeverbots ist Art. 88 Abs. 1 Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (RL 2001/83/EG). Danach verbieten die Mitgliedstaaten unter anderem die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die gemäß Titel VI [Art. 70 ff.] nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen. Als „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne des Titels VIII geltend dabei nach Art. 86 Abs. 1 RL 2001/83/EG alle Maßnahmen zur Information, Marktuntersuchung und Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Erfasst ist insbesondere die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel (vgl. den ersten Spiegelstrich).

 

(3) Nach § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 HWG ist das Publikumswerbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) beschränkt. Es erstreckt sich nicht auf allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 18.11.2021 – I ZR 214/18, GRUR 2022, 391 Rn. 35 – Gewinnspielwerbung II; EuGH-Vorlage vom 13.07.2023 – I ZR 182/22, GRUR 2023, 1318 Rn. 23 – Gutscheinwerbung).

 

Die Frage, ob Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Dabei kann auch Werbung für ein gesamtes Warensortiment (etwa einer Apotheke) produktbezogen sein. Denn es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird (vgl. BGH, GRUR 2022, 391 Rn. 35, 40 – Gewinnspielwerbung II; GRUR 2023, 1318 Rn. 23 mwN – Gutscheinwerbung).

 

Entsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Entscheidung „EUROAPTIEKA“ unter „Werbung für Arzneimittel“ auch alle Maßnahmen (u.a.) zur Information und Schaffung von Anreizen mit dem Ziel die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch eines bestimmten Arzneimittels oder unbestimmter Arzneimittel zu fördern, gefasst (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2022  C-530/20, GRUR 2023, 268 Rn. 47 – EUROAPTIEKA; Urteil vom 27.02.2025 – C-571/23, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 37 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris; BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 50 ff. [54 mwN]). Dass entsprechende Werbung grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Art. 86 ff. RL 2001/83/EG fällt, ist insoweit geklärt (vgl. EuGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 30 f [[33, 51, 55] – EUROAPTIEKA; GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 37 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris; siehe auch BGH, Urteil vom 29.11.2018 – I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 Rn. 22 ff., 56 – Versandapotheke; vgl. dagegen noch EuGH, Urteil vom 15.07.2021 – blo90/21, GRUR 2021, 1325 Rn. 20 f. – DocMorris/Apothekerkammer Nordrhein, „[ganz] bestimmte[s] Arzneimittel“). Nach dem Gerichtshof ist Kriterium für die Unterscheidung der Werbung von einfachen Information ebenfalls, ob die Botschaft darauf abzielt, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln, einschließlich unbestimmter Arzneimittel, zu fördern, oder ob mit der Werbeaktion nur darauf abgezielt wird, die Entscheidung für die Bezugsquelle – etwa eine bestimmte Apotheke – zu fördern (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 35 ff. – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

 

(4) Schließlich kann auch die von einem Dritten vorgenommene Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel als Werbung im Sinne von Art. 86 der Richtlinie 2001/83 angesehen werden, selbst wenn der Dritte aus eigenem Antrieb und in völliger – rechtlicher und tatsächlicher – Unabhängigkeit vom Hersteller oder Verkäufer handelt. Die Informationsverbreitung muss nur darauf abzielen, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern (vgl. EuGH, Urteil vom 02.04.2009 – C-421/07, juris Rn. 29).

 

bb) Nach diesen Kriterien sind die Angaben in Anlagen K6 und K7 nicht auf die Verbreitung rein informativer Angaben ohne jede Werbeabsicht zu verschreibungspflichtigem medizinischen Cannabis als Arzneimittel gerichtet, sondern auf die Verbreitung von Inhalten, die den Kauf dieser Arzneimittel fördern, und damit produktbezogene Werbung darstellen.

 

(1) „Cannabis zu medizinischen Zwecken“ erfüllt – auch ohne nähere Konkretisierung – den (Funktions-) Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG. Er ist in § 2 Nr. 1 MedCanG definiert als

 

Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe vom 30. März 1961 (BGBl. 1973 II S. 1354) erfolgt, sowie Delta-9-Tetrahydrocannabinol [∆-9-Tetrahydrocannabinol – THC] einschließlich Dronabinol und Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe.

 

„Cannabis zu medizinischen Zwecken“ ist verschreibungspflichtig. Es darf gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 MedCanG nur von Ärzten verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden.

 

Für ein weites Verständnis von Art. 86 Abs. 1, 88 der Richtlinie 2001/83/EG und § 10 HWG spricht insofern in Bezug auf medizinisches Cannabis, dass das Laienwerbeverbot dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient (vgl. auch EuGH, Urteil vom 02.04.2009 – C-421/07, juris Rn. 28). Es soll nicht nur der Gefahr entgegenwirken, dass ein bestimmtes, in seinen Wirkungen und Nebenwirkungen vom Publikum nicht überschaubares Mittel ohne ärztliche Aufsicht oder missbräuchlich angewandt wird, sondern auch vermeiden, dass Adressaten aufgrund der Werbung bei Arztbesuchen auf die Verschreibung eines bestimmten Arzneimittels drängen (vgl. z.B. (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 213/06, juris Rn. 18 mwN – Festbetragsfestsetzung; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.09.2012 – 6 U 143/11, juris Rn. 21 – Liebe ist pink; OLG Stuttgart, Urteil vom 27.09.2018 – 2 U 41/18, juris Rn. 71 – Defekturarzneimittel). Diese Gefahr ist vorliegend besonders hoch, da sich das Angebot des Beklagtenkonzerns auf Cannabis-Interessenten beschränkt. Anders als bei einem bereits verschriebenen Medikament, bei dem etwa Apothekenwerbung nur die Entscheidung für eine konkrete Apotheke beeinflussen kann (vgl. z.B. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 41 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris; BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 55, 68 – Gutscheinwerbung), zielt die Werbung der Beklagten auf die vorgelagerte Auswahl- und Nachfrageentscheidung nach medizinischem Cannabis ab (vgl. insofern z.B: Doepner/Reese in BeckOK HWG, 13. Edition, Stand: 01.09.2024, § 1 Rn. 89). Da davon auszugehen ist, dass dieses potenziell gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben kann (siehe insofern z.B. EuGH, Urteil vom 10.07.2014 – C-358/13 u.a., juris Rn. 13; BayVwGH, Beschluss vom 27.03.2023 – 20 CS 22.2652 u.a., juris Rn. 15), erscheint insoweit eine weite Auslegung von § 10 HWG sachgerecht.

 

(2) Anlage K6 ist auch eine Werbeabsicht beizumessen, wenn es dort unter der Rubrik „Erkrankungen“ heißt:

 

 

(a) Diese Werbung zielt darauf ab, eine Therapie mit medizinischem Cannabis für hinter dem Verweis „Zu den Erkrankungen“ näher definierte Beschwerden, und damit zugleich medizinisches Cannabis als Arzneimittel, zu bewerben. Eine reine Information oder Aufklärung ohne Werbeziel liegt insofern nicht vor (vgl. insofern auch EuGH, Urteil vom 05.05.2011 – C-316/09, GRUR 2011, 1160 Rn. 32 – MSD/Merckle GmbH MSD Sharp & Dohme GmbH/Merckle GmbH).

 

Dass die Beklagte nicht selbst medizinisches Cannabis anbietet, ist aus den oben dargelegten Gründen unerheblich. Der Werbende muss kein unmittelbares Eigeninteresse am Vertrieb des beworbenen Arzneimittels haben. Es genügt, wenn er – wie hier bei objektiver Betrachtung die Beklagte – erkennbar die Absicht hat, durch die Werbung die Verschreibung, den Verkauf, den Verbrauch (und/oder die Abgabe) des betreffenden Arzneimittels bzw. der Gruppe von Arzneimitteln zu fördern.

 

(b) Abgesehen davon kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte zu einem Konzern gehört, der – abgesehen vom Cannabisanbau – „die gesamte Wertschöpfungskette im Cannabisgeschäft“ abdecken und insoweit Marktführer sein möchte (dies hat die Beklagte nur in Bezug auf sich selbst bestritten, vgl. S. 2 ihres Schriftsatzes vom 28.01.2025, EA 218). Sie warb in ihrem Internetauftritt mit dieser Vision und der Unterstützung der Interessenten bei der Apothekenauswahl zu günstigen Preisen, ohne Aufwand und in hoher Qualität (vgl. S. 4 der Klageschrift; die Beklagte bestreitet insofern im Wesentlichen nur, dass es ihr „der Sache nach um nichts anderes“ als um den Vertrieb von medizinischem Cannabis“ gehe, vgl. S. 20 der Klageerwiderung vom 02.10.2023, EA LG 154).

 

Die nunmehr unter „C GmbH“ firmierende Beklagte ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der C Group GmbH (vgl. u.a. S. 2 f. des Schriftsatzes vom 28.01.2025, EA 218 f.). Weitere Tochterunternehmen der C Group GmbH sind die B GmbH (ein pharmazeutischer Großhändler mit der Erlaubnis zur Einfuhr und zum Handel von Arzneimitteln mit einem Schwerpunkt auf medizinischem Cannabis) und die D GmbH, die den Marktplatz für Versandapotheken für medizinisches Cannabis betreibt und als Betreiberin des Marktplatzes „X“ (www.(x).de) Ausstattung zum Cannabiskonsum vertreibt. Insoweit liegt es bei lebensnaher Betrachtung nahe, dass Patienten, denen durch mit der Beklagten kooperierende „Cannabis“-Ärzte medizinisches Cannabis verschrieben wird, dieses bei einer mit der Beklagtenseite kooperierenden Apotheke beziehen, deren Vorteile jedenfalls bei Vor-Ort-Terminen beworben wurden (vgl. Anlage K19; siehe auch S. 21 der Klageerwiderung, wonach sich schwerkranke Patienten beim Einlösen von Rezepten oftmals der Hilfe Dritter bedienten; eine solche Hilfe leistet auch die Beklagtenseite mit dem einfachen Einlösen von Rezepten bei den mit ihr kooperierenden Apotheken; diese Unterstützung dürfte gerade von Patienten mit chronischen Schmerzen, einer Depression oder Schlafstörungen dankbar angenommen werden). Auch hat der Kläger unwidersprochen dargetan und mit Anlage K19 belegt (§ 286 ZPO), dass eine Patientin vor dem ersten Arzttermin Erinnerungen mit Informationen und einem Link zu „X“ erhielt. In der „Praxis“ war entsprechendes Marketingmaterial vorhanden, darunter ein Rabattcode der Firma „X“ mit einem Rabattcode über 10 % auf das Erstgespräch (vgl. S. 11 der Replik, EA LG 260). Auch wurde der Patientin vom Arzt mitgeteilt, das Rezept würde zu „Algea Care“ geschickt, dann müsse sie in der „Algea Care App“ in ihrem Account eine Wunsch-Apotheke auswählen, an die „Algea Care“ das Rezept schicke, die sie dann per DHL beliefere (vgl. S. 11 der Replik, EA LG 261 i.V.m. Anlage K19, EA LG 405 ff.); bei Einlösung des Rezepts über eine andere Apotheke bestehe die Gefahr, dass dieses nicht fristgerecht bearbeitet werde und zusätzlich Kosten anfielen (vgl. S. 12 der Replik, EA LG 262). Die (Muster-/) Verträge in Anlagen K3 und K13 sehen insoweit vor, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis umgehend außerordentlich fristlos kündigen kann, sollte der Arzt gegen die (nicht näher definierten) „Grundsätze der Gesellschaft“ verstoßen (vgl. Anlage K3, § 3 Abs. 1; Anlage K13, § 4 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 2). Diese Grundsätze bestehen aus objektiver Sicht der angesprochenen Ärzte jedenfalls auch in (der Vermittlung von) Behandlungen mit medizinischem Cannabis (vgl. auch die Stellenausschreibung in Anlage BE4).

 

Daher ist bei Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die Beklagte im Rahmen des Gesamtkonzerns auch am Vertrieb von Cannabis interessiert ist. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass sie im konkreten Konzernverbund (§ 18 AktG analog) ausschließlich am Vertrieb ihrer eigenen Werbe- und Serviceleistungen interessiert wäre (vgl. insofern EA LG 192 f.), obwohl hinter ihr das Interesse der gemeinsamen Konzernmuttergesellschaft am Erfolg des übergeordneten Geschäftsmodells steht (vgl. insofern z.B § 37 Abs. 1 GmbHG, § 17 Abs. 1 und 2 AktG analog). In dem Fall wäre auch der Internetauftritt der Beklagten anders gestaltet.

 

(c) Der Umstand, dass die Entscheidung, Cannabis zu verschreiben, ausschließlich bei den mit der Beklagten kooperierenden Ärzten liegt, steht der Annahme einer unzulässigen Arzneimittelwerbung vorliegend nicht entgegen.

 

(aa) Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union für die Frage, ob bestimmte Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter den Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ fallen, darauf abgestellt, ob die Botschaft dieser Aktionen die Verschreibung oder den Verbrauch solcher Arzneimittel fördert, was nicht der Fall sei, wenn die Entscheidung, solche Arzneimittel zu verschreiben, ausschließlich Ärzten obliege (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 41, 44 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris). Daher hat er Art. 86 Abs. 1 RL 2001/83/EG dahin ausgelegt, dass Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen nicht unten den Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ fielen, wohl aber Werbeaktionen mit Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 96 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

 

Allerdings gilt „die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel“ nach Art.  86 Abs. 1 Spiegelstrich 1 RL 2001/83/EG stets als „Werbung für Arzneimittel“. Unter den Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 1 RL 2001/83/EG haben die Mitgliedstaaten ein Schlechthinverbot vorzusehen, also insbesondere für Öffentlichkeitwerbung für Arzneimittel, die gemäß Titel VI der Richtlinie nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen (Buchst. a)).

 

Solche Arzneimittelwerbung steht hier in Bezug auf medizinisches Cannabis in Rede.

 

(bb) Die Sachlage ist vorliegend auch eine andere als bei der Werbung von Apotheken für ihr Gesamtsortiment an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Derartige Werbung ist (grundsätzlich) nicht geeignet, den Verbraucher von einer sachlichen Prüfung der Frage abzulenken, ob die Einnahme des bereits verschriebenen Arzneimittels erforderlich ist; sie zielt auf die nachgelagerte Entscheidung der Apothekenauswahl (vgl. insofern EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 37 ff., 90, 92 f. – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

 

Dagegen soll die streitgegenständliche Werbung, wie oben bereits dargetan wurde, die Nachfrageentscheidung des angesprochenen Adressatenkreises nach medizinischen Cannabis beeinflussen, mag die Letztentscheidung über die Ausstellung eines Arzneimittelrezeptes auch bei den mit der Beklagten kooperierenden „Cannabis“-Ärzten liegen. Gerade weil hier nicht bereits verschriebene Arzneimittel in Rede stehen und das Angebot der Beklagtenseite auf Cannabis beschränkt ist, ist die Anreizwirkung der Werbung besonders groß (siehe insofern z.B. BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 55 – Gutscheinwerbung).

 

(3) Für die oben wiedergegebene Werbung in Anlage K7 („Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei […]“, es folgen (mutmaßlich) konkrete Beschwerden bzw. Krankheiten, die mit Cannabis behandelt werden können) gilt insgesamt Entsprechendes.

 

Zwar kann der Interessent in der Behandlungsanfrage in Anlage K7 zwischen einer Therapie mit „Medizinische[m] Cannabis (THC)“ und „Cannabiol (CBD)“ wählen. Auch insofern lässt sich aber nicht sagen, dass nur Therapien, im Gesamtkontext nicht aber auch medizinisches Cannabis angepriesen würde/n.

 

Der Umstand, dass sich die Werbung neben Arzneimitteln auch auf Nicht-Arzneimittel beziehen mag, ist dabei für die Annahme einer „Werbung für Arzneimittel“ unerheblich (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 45 ff. [50] – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

 

(4) Die begangenen Gesetzesverstöße gegen die Marktverhaltensregelung des § 10 Abs. 1 HWG (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 27.09.2018 – 2 U 41/18, juris Rn. 63 – Defekturarzneimittel) sind ebenfalls geeignet, die Interessen von Verbrauchern, Marktteilnehmern und Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigten (§ 3a UWG).

 

cc) Dagegen enthalten Anlage K4 und die „FAQs“ in Anlage K5 keine Werbung für Medizinal-Cannabis. Insbesondere letztere Seite enthält mit Fragen und Antworten bloße Informationen.

 

5. Die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte, der Höhe nach entsprechend der Feststellung des Landgerichts schlüssig dargelegte und angemessene (§ 287 ZPO) Abmahnkostenpauschale von 374,50 Euro (vgl. z.B. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 13 Rn. 132 mwN) hat das Landgericht zutreffend in voller Höhe zugesprochen. Das Teilunterliegen des Klägers ist schon deshalb unmaßgeblich, weil ein Verband wie er auch bei nur teilweise berechtigter Abmahnung Anspruch auf die volle Kostenpauschale hat (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.12.2024 – 6 U 206/23 [B. 5. a) aa) mwN]; siehe auch BGH, GRUR 2022, 399 Rn. 67 – Werbung für Fernbehandlung, zu § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG aF).

 

Gegen die vom Landgericht zugesprochenen Prozesszinsen wendet sich die Beklagte zu Recht nicht.

 

C.

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Ihnen liegt für die erste Instanz der vom Landgericht auf 125.000 Euro festgesetzte Streitwert zugrunde, von dem 50.000 Euro auf den Klageantrag zu 1 a) und jeweils 25.000 Euro auf die Klageanträge zu 1 b) bis 1 d) entfallen (vgl. S. 18 der Klageschrift). Gemessen daran hat der Kläger nach der Bewertung des Senats (§ 51 Abs. 2 Satz 1 GKG) mit dem Klageantrag zu 1 a) zur Hälfte (25.000 Euro), mit dem Klageantrag zu 1 b) zu einem Drittel (8.333,33 Euro), mit den Klageanträgen zu 1 c) mit vier Fünfteln (4 x 5.000 Euro = 20.000 Euro) und mit dem Klageantrag zu 1 d) zur Hälfte (12.500 Euro) obsiegt. Demnach ist der Kläger zu 47 % unterlegen und die Beklagte zu 53 %.

 

Für die Berufungsinstanz gilt ausgehend von einem Streitwert von 120.000 Euro (der mit 5.000 Euro zu bewertende Klageantrag zu 1 c) bb) ist erstinstanzlich rechtskräftig geworden) Entsprechendes, so dass der Kläger insoweit zu 45 % unterlegen ist und die Beklagte zu 55 %.

 

D.

 

Der Senat lässt beschränkt auf die Verurteilung gemäß Ziffer I 1 d) wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts die Revision zu (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Insoweit stellt sich die Frage, ob die streitgegenständliche Werbung für medizinisches Cannabis als solches vom Anwendungsbereich des § 10 HWG erfasst ist. Zwar ist die vom Bundesgerichtshof dem Gerichthof der Europäischen Union nach dessen EUROPATIEKA-Entscheidung zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage, ob Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke in den Anwendungsbereich der Werberegelungen der RL 2001/83/EG fällt, da der Gerichtshof unter „Werbung für Arzneimittel“ auch alle Maßnahmen (u.a.) zur Information und Schaffung von Anreizen mit dem Ziel die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch unbestimmter Arzneimittel zu fördern, gefasst habe (vgl. BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 50 ff. [54 mwN]), durch das Urteil des Gerichtshofs vom 27.02.2025 beantwortet (C-517/23, GRUR-RS 2025, 2557 ff. – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris). Allerdings erscheint nicht abschließend geklärt, ob der Umstand, dass die Entscheidung, Arzneimittel zu verschreiben, ausschließlich Ärzten obliegt, auch in einem Fall wie dem vorliegenden der Annahme einer Werbung im Sinne von § 10 HWG entgegenstehen kann (vgl. insofern EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 41, 44 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris). Da die Arzneimittelwerbung im Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG vollständig harmonisiert ist (vgl. z.B. BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 49 mwN – Gutscheinwerbung), kommt insofern im Revisionsverfahren auch eine Vorlage an den Gerichtshof in Betracht.

 

Im Übrigen besteht kein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).