Apothekenwahlrecht bei Versorgung durch Krankenhausapotheke

Entscheidungen in Leitsätzen

S 5 KA 1359/17

SGB V § 106 Abs. 3 Satz 3, § 129a, § 31 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5

Leitsätze des Gerichts:

1. Das Apothekenwahlrecht der Versicherten nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V findet im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke keine Anwendung.

 

2. Leistungserbringer sind im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, den Versicherten rechtlich zulässige und mögliche Bezugswege von Arzneimitteln aufzuzeigen.

 

3. Das Versichertenwahlrecht im Hinblick auf die freie Wahl der Apotheke hat gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot regelmäßig nur bei berechtigten Interessen und/oder gegen Tragung der Mehrkosten Vorrang (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.11.2015 – BSG Aktenzeichen B3KR1615R B 3 KR 16/15 R).

Tatbestand

1 Zwischen den Beteiligten ist ein Arzneikostenregress für die Quartale 2/2013 bis 2/2014 in Höhe von insgesamt 14.461,05 € streitig.

 

2 Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden einheitlich als Klägerin bezeichnet) schloss mit dem Universitätsklinikum H. am 22.12.2010 eine Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte nach § 129a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; im Folgenden als AM-Vereinbarung bezeichnet). Gemäß § 1 Abs. 1 AM-Vereinbarung gilt: „Gem. § 14 Abs. 7 ApoG darf die Krankenhausapotheke des Krankenhauses Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte abgeben. Patienten, die nach einer stationären oder ambulanten Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen werden, darf die Krankenhausapotheke gemäß § 14 Abs. 7 ApoG die zur Überbrückung von Wochenenden oder Feiertagen benötigte Menge Arzneimittel mitgeben. Gem. § 14 Abs. 7 ApoG ist die Abgabe von Arzneimitteln an Krankenhausmitarbeiter nur für deren eigenen Bedarf zulässig.“ In § 3 Abs. 3 AM-Vereinbarung ist folgendes geregelt: „Die Abgabe durch die Krankenhausapotheke umfasst sowohl Fertigarzneimittel als auch Zubereitungen entsprechend der in Anlage 4 (Preisvereinbarung) gelisteten Mittel. Es besteht grundsätzlich Abgabepflicht. Das Recht des Versicherten auf freie Apothekenwahl bleibt unberührt.“ Auf die übrigen Regelungen der AM-Vereinbarung wird ausdrücklich Bezug genommen.

 

3 Die Beigeladene Ziff. 4 verordnete durch Prof. Dr. G. der bei der Klägerin versicherten Patientin H. im Rahmen einer ambulanten Behandlung in den Quartalen 2/2013 bis 2/2014 das Medikament Remodulin. Anwendungsgebiet ist die Behandlung von idiopathischer oder familiärer pulmonaler Hypertonie zur Verbesserung der Belastbarkeit und zur Milderung der Krankheitssymptome bei Patienten mit NYHA III. Das Medikament wird subkutan mittels einer Pumpe dem Körper zugeführt.

 

4 Am 10.12.2013 stellte die Klägerin bei der Bezirksprüfungsstelle (Gemeinsame Prüfungseinrichtungen Baden-Württemberg) einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Einzelfall für die Quartale 2/2013 und 3/2013. Die Beigeladene Ziff. 4 habe für die Versicherte H. Verordnungen über das Arzneimittel Remodulin ausgestellt. Es werde indikationsgerecht eingesetzt. Lediglich beim Bezugsweg dieses Arzneimittels liege Unwirtschaftlichkeit vor. Die Beigeladene Ziff. 4 sei der Vereinbarung nach § 129a SGB V beigetreten. Diese Vereinbarung regele die Versorgung ambulant behandelter Versicherter bei der vertragsärztlichen Versorgung von Arzneimitteln. Deshalb werde die Auffassung vertreten, dass hier die beanstandeten Verordnungen über den kostengünstigeren Weg der Krankenhausapotheke hätten erfolgen müssen. Hierdurch belaufe sich die Regressforderung für die genannten Quartale auf insgesamt 5489,25 €. Am 29.08.2014 erweiterte die Klägerin ihren Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Einzelfall auf die Quartale 4/2013 bis 2/2014. Es werde diesbezüglich ein Regress i.H.v. 8971,80 € geltend gemacht.

 

5 Mit Schreiben vom 17.01.2014 informierte die Prüfungsstelle die Klägerin, dass im vorliegenden Einzelfall die Verordnung indikationsgerecht und formell korrekt auf Muster 16 getätigt worden sei. Gemäß § 11 Apothekengesetz (ApoG) sei es Apotheken untersagt, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassten, Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Absprachen zu treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand habe. Ausnahmen bildeten hierbei Absprachen bezüglich anwendungsfertiger Zytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes hergestellt worden seien und unmittelbar an den anwendenden Arzt abgegeben würden. Das im vorliegenden Fall verordnete Fertigarzneimittel Remodulin Stelle keine anwendungsfertige Zytostatikazubereitung im Sinne der Ausnahmeregelung des Apothekengesetzes dar.

 

6 Die Klägerin teilte hierauf mit, dass die Versicherte, die an einer Phase IIIb-Studie teilgenommen habe, selbst angegeben habe, dass sie die Infusionen in der Klinik erhalten habe. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots bestehe eine Verpflichtung des Bezugsweges nach § 129a SGB V.

 

7 Die Beigeladene Ziff. 4 teilte mit (Schreiben vom 28.05.2014), bei der Verordnung von Remodulin sei die Option der Abrechnung über die Krankenhausapotheke nicht gegeben, da die subkutane Pumpe von der Versicherten zu Hause befüllt werde und das Medikament, je nach Flussrate, über mehrere Tage anhalte. Die Verordnung von Remodulin erfolge somit nicht zur Verabreichung in der Ambulanz, so dass in diesem Fall keine Abrechnung über die Krankenhausapotheke erfolgen könne. Mit weiterem Schreiben vom 10.07.2014 teilte sie mit, dass die Befüllung der Pumpe als ambulante Tätigkeit erfolge und ca. 15 Minuten benötige. Sie könne auch von einem entsprechend eingewiesenen niedergelassenen Kollegen durchgeführt werden. Insofern sei es mit Sicherheit keine stationäre Klinikleistung und es bestehe kein Grund, die Kostenübernahme für das Medikament zu verweigern.

 

8 Mit Bescheid vom 07.05.2015 stellte die Prüfungsstelle fest, dass keine Maßnahme erfolge. Gemäß § 106 Abs. 2 S. 4 und Abs. 3 S. 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Prüfvereinbarung Baden-Württemberg (PV) könne die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise auf Antrag im Einzelfall geprüft werden. Nach § 31 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien. § 1 AM-Vereinbarung ermächtige die Krankenhausapotheke Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses abzugeben. Dies müsse aber nicht erfolgen. Die freie Apothekenwahl des Versicherten bleibe, wie auch in § 3 Abs. 3 S. 2 AM-Vereinbarung ausdrücklich festgehalten, in jedem Fall unberührt. Die in der AM- Vereinbarung aufgeführte Verpflichtung des Krankenhauses zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten bestehe nach dem Wortlaut der Vereinbarung nur dann, wenn diese über die Krankenhausapotheke versorgt würden. In welchen Fällen eine Versorgung über die Krankenhausapotheke verpflichten sei, werde nicht geregelt. Somit liege in diesem Einzelfall keine rechtliche Grundlage für den Anspruch der Klägerin gegen die verordnete Ambulanz vor. Es werde daher kein Regress festgesetzt.

 

9 Hiergegen legte die Klägerin am 11.05.2015 Widerspruch ein, woraufhin der Beklagte bei der Beigeladenen Ziff. 4 die vollständige Patientendokumentation für die Quartale 2/2013 bis 2/2014 anforderte; auf die übersandten Unterlagen wird Bezug genommen. Aus den Unterlagen wird unter anderem ersichtlich, dass die Befüllung der Remodulinpumpe jeweils ambulant bei der Beigeladenen Ziff. 4 vorgenommen wurde.

 

10 Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin beanstande nicht die Therapie mit Remodulin, sondern lediglich den Bezugsweg. Die AM-Vereinbarung regele aber nur, dass die Krankenhausapotheke prinzipiell Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses abgeben dürfe, dies sei jedoch nicht zwingend. Die freie Apothekenwahl des Versicherten bleibe, wie auch in § 3 Abs. 3 S. 2 AM-Vereinbarung festgehalten, unberührt. Dies gelte auch für den Fall, in dem ein Patient ein Arzneimittel unmittelbar zur Anwendung in der Ambulanz des Krankenhauses erhalte. Hier könne die Krankenhausapotheke unter Beachtung der Preisvereinbarung die Arzneimittel abgeben. Da die Krankenhausapotheke zu den Apotheken gehöre, unter denen gesetzlich Versicherte gemäß § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V für ihre Arzneimittelversorgung frei wählen könnten, bleibe das Apothekenwahlrecht unberührt. Es stehe dem Versicherten frei, eine Apotheke seiner Wahl mit der Belieferung des korrekt ausgestellten Muster 16 zu beauftragen. Es stehe diesem dann sogar frei, das Präparat bei dem Wiederaufsuchen der Ambulanz mitzubringen und es sich dort applizieren zu lassen. Allein die Möglichkeit des Bezugs des Arzneimittels über die Krankenhausapotheke begründe keinen Regressanspruch gegen den Arzt. Die AM-Vereinbarung enthalte keine Pflicht zur Inanspruchnahme der Krankenhausapotheke durch den Versicherten, wobei eine solche Regelung ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter sei. Der allgemeine Grundsatz des freien Apothekenwahlrechts sei auch im Fall des § 129a SGB V zu beachten.

 

11 Hiergegen richtet sich die am 17.03.2017 beim Sozialgericht Stuttgart eingereichte Klage, mit der die Klägerin geltend macht, gemäß § 129a SGB V vereinbarten die Krankenkassen oder ihre Verbände mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte. § 1 S. 1 AM-Vereinbarung regle, dass die Krankenhausapotheke Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte und an Versicherte im Rahmen einer Versorgung durch eine Hochschulambulanz abgeben dürfe. Hierbei habe sich die Krankenhausapotheke an die in der Anlage der Vereinbarung enthaltene Preisvereinbarung zu halten. Darüber hinaus sei das Krankenhaus zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und insbesondere wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten, die über die Krankenhausapotheke versorgt würden, verpflichtet. Dies ergebe sich aus § 3 Abs. 2 AM-Vereinbarung i.V.m. §§ 12, 70 SGB V. Die Versicherte H. habe in den Quartalen 2/2013 bis 2/2014 von der Beigeladenen Ziff. 4 das Arzneimittel Remodulin verordnet bekommen. Dies ergebe sich aus den beigefügten Kopien der Verordnungen. Die Abgabe dieses Arzneimittels sei durch die wohnortsansässige Apotheke und nicht durch die Krankenhausapotheke erfolgt. Hiermit habe die Beigeladene Ziff. 4 gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen und unwirtschaftlich im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB V gehandelt. Außerdem habe das BSG in seinem Urteil vom 13.05.2015 (B 6 KA 18/14 R) ausgeführt, dass ein Vertragsarzt, somit auch ein Krankenhausarzt, das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht nur bei der Verordnung eines Arzneimittels zu beachten, sondern auch die Auswahl eines kostengünstigsten Bezugsweges zu berücksichtigen habe. Das BSG sehe für den Verordner eine Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und bei Nichteinhaltung greife die Regressregelung des § 106 SGB V. Ihr sei insgesamt ein ungerechtfertigter finanzieller Mehraufwand i.H.v. 14.461,06 € entstanden, den sie gegenüber der Beigeladenen Ziff. 4 einforderte. Die Klägerin hat zur weiteren Begründung ärztliche Verordnungen für die genannte Patientin vorgelegt, die jeweils von Prof. Dr. G. (Zentrum für Pulmonale Hypertonie der Beigeladenen Ziff. 4) ausgestellt und von der D.-Apotheke in H. abgerechnet wurden. Hierauf wird Bezug genommen.

 

12 Die Klägerin beantragt,

 

13 den Bescheid des Beklagten vom 22.02.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Bezirksprüfungsstelle vom 07.05.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

 

14 Der Beklagte beantragt,

 

15 die Klage abzuweisen.

 

16 Er hält seine angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, im vorliegenden Einzelfall bestehe keine rechtliche Grundlage, aufgrund derer der Versicherten der Bezugsweg vorgegeben werden dürfe, so dass der verordnenden Ambulanz der Vorwurf des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gemacht werden könne. § 1 S. 1 AM-Vereinbarung sehe lediglich die erweiterte Möglichkeit der Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke im ambulanten Bereich vor, denn der Regelfall betreffe nur die Abgabe von Arzneimitteln für stationär aufgenommene Patienten. Eine generelle Verpflichtung zum Bezugsweg lasse sich hieraus nicht ableiten. Dem Versicherten dürfe durch diesen Vertrag das durch Art. 2 GG garantierte und durch § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V nochmals besonders normierte Apothekenwahlrecht nicht vorenthalten werden. Selbst durch die Formulierung des § 3 Abs. 3 AM-Vereinbarung werde eine ausnahmslose und unbeschränkte Abgabepflicht durch die Vertragsparteien ausdrücklich ausgeschlossen. Dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 129a SGB V keine allgemeine Abgabepflicht durch die Krankenhausapotheke habe regeln wollen, ergebe sich zudem auch aus der Gesetzesbegründung. Demnach werde mit dieser Norm lediglich der Zweck verfolgt, Rechtsklarheit und Transparenz über die Preise, zu welchen Krankenhausapotheken Arzneimittel nach dem Apothekengesetz abgeben dürften, zu schaffen. Außerdem sei die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BSG im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil entgegen der dort zu entscheidenden Konstellation (Bezugsweg für Gerinnungsfaktoren) es sich hier um ein Fertigarzneimittel handle.

 

17 Mit Beschluss vom 07.08.2017 (Abänderungsbeschluss vom 11.09.2017) hat das Gericht die Beigeladenen Ziff. 1 bis 4 zum Verfahren beigeladen.

 

18 Die Beigeladene Ziff. 4 beantragt,

 

19 die Klage abzuweisen.

 

20 Zur Begründung trägt sie vor, gesetzlich Krankenversicherte hätten in der BRD gemäß § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V die freie Wahl unter den zugelassenen Apotheken. Weder zugelassene Vertragsärzte noch ermächtigte Krankenhausärzte seien gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V verpflichtet, Patienten anzuhalten, die von ihnen ausgestellten Arzneimittelrezepte in bestimmten Apotheken einzulösen. Andernfalls bestehe eine Strafbarkeit nach § 299a Strafgesetzbuch (StGB). Im SGB V fehle jegliches Instrumentarium, mit welchem Ärzte Patienten zwingen könnten, Rezepte im bestimmten Apotheken einzulösen. Auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG führe zu keinem anderen Ergebnis. Dieses habe entschieden, dass ein Exklusivvertrag rechtmäßig sei, weil er mit den Vorgaben von § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V vereinbar sei. Daher kollidiere der Exklusivvertrag auch nicht mit dem Recht der Versicherten auf freie Apothekenwahl gemäß § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V. Einen Exklusivvertrag gebe es im vorliegenden Fall aber nicht. Insbesondere sei die Krankenhausapotheke nicht alleine berechtigt, das umstrittene Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte der Klägerin abzugeben. Ein solches Exklusivrecht sei mit § 129a SGB V und § 14 Abs. 7 ApoG unvereinbar. Im Fall der Versicherten H. komme noch hinzu, dass das ihr verordnete Arzneimittel Remodulin über eine Pumpe an den Körper abgegeben werde. Die Patienten seien darauf angewiesen, stets eine ausreichende Nachfüllmenge Remodulin parat zu haben, um vor Reservoirerschöpfung (das Medikament erreiche für ca. 20-30 Tage) unverzüglich das Pumpendepot wieder auffüllen zu können. Aufgrund der Schwere der Erkrankung und der hohen Infektanfälligkeit müssten auf Remodulin angewiesene Patienten stets mit einer stationären Aufnahme rechnen. Wenn diese fern von H. wohnten, sei dies nicht immer möglich. Daher sei es lebenswichtig, dass die Patienten immer eine ausreichende Menge bei sich führten. Wo das Pumpenreservoir aufgefüllt werde, also beim niedergelassenen Hausarzt, beim spezialisieren Pflegedienst oder im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Krankenhaus sei gleich. Entscheidend sei nur, dass die ausreichende Menge zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehe. Es sei daher im Ergebnis reiner Zufall gewesen, wenn die Depotauffüllungen im Falle der Versicherten H. durch ihre Ärzte (die der Beigeladenen) erfolgten, zumal die Versicherte das Rezept bereits vor Tagen oder Wochen vor Depotauffüllung in der Apotheke an ihrem Wohnort eingelöst habe.

 

21 Die Klägerin hat hierauf erwidert, die Beigeladene Ziff. 4 habe unwirtschaftlich gehandelt, da ihre Entscheidung, das von der Patientin benötigte Arzneimittel zu verordnen und damit über eine Apotheke an die Patientin abgeben zu lassen, gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoße. Zwar werde die Nutzung dieser direkten Bezugsmöglichkeit nicht ausdrücklich durch das Gesetz oder untergesetzliche Normen vorgeschrieben, jedoch ergebe sich eine dahingehende Verpflichtung in der vorliegenden Konstellation unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot.

 

22 Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht zum Verfahren geäußert und keine Anträge gestellt.

 

23 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24 Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts begründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen Ziff. 4 steht das Apothekenwahlrecht der Versicherten nach § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V der Festsetzung eines Arzneikostenregresses im vorliegenden Fall nicht entgegen. Bei seiner erneuten Entscheidung wird der Beklagte dies zu beachten haben und zudem berücksichtigen müssen, dass die aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleitende Verpflichtung der Leistungserbringer auch die Entscheidung für einen von mehreren rechtlich zulässigen Bezugswegen für Arzneimittel erfasst.

 

25 Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) handelt.

 

26 Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid des Beklagten vom 22.02.2017, nicht auch der der Prüfungsstelle. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird.Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel – von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen – unzulässig (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 11.05.2011 – B 6 KA 13/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32 m.w.N.).

 

27 Rechtsgrundlage des von der Klägerin beantragten Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 3 S. 3 SGB V (in der ab dem 26.10.2012 geltenden Fassung, die in den hier streitigen Quartalen 2/2013 bis 2/2014 galt; vgl. allg. hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 6 KA 3/08 R = juris RdNr. 14) i.V.m. § 7 der ab dem 01.01.2008 geltenden Prüfvereinbarung Baden-Württemberg (PV). Nach § 106 Abs. 3 S. 3 SGB V ist in den Verträgen auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden; festzulegen ist ferner, dass die Prüfungsstelle auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt. In § 7 PV (Prüfung im Einzelfall <Behandlung- und Verordnungsweise>) wurde dieser Regelungsauftrag umgesetzt. Nach § 7 Abs. 1 der PV gilt: Die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit einzelner Behandlungsfälle bzw. Verordnungen findet nur auf Antrag der KVBW, eines Verbandes oder einer Krankenkasse statt. Der Antrag ist schriftlich zu begründen und bei der zuständigen Bezirksprüfungsstelle einzureichen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Am 10.12.2013 hat die Klägerin bei der zuständigen Bezirksprüfungsstelle schriftlich einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Einzelfall für die Quartale 2/2013 bis 3/2013 und am 29.08.2014 für die Quartale 4/2013 bis 2/2014 gestellt. Dies ergibt sich aus der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte. Die Klägerin hat gemäß § 7 Abs. 4 der PV auch die erforderlichen Verordnungen der Bezirksprüfungsstelle in einem für die Durchführung der Prüfung ausreichendem Umfang in Papierform zur Verfügung gestellt. Sie hat die von Prof. Dr. G. ausgestellten Verordnungen von Remodulin (2,5 mg/ml 20 ml) für die bei der Klägerin versicherte H. betreffend die hier streitigen Quartale vorgelegt. Die Bagatellgrenze von 75 € je Arzt und Prüfantrag (§ 7 Abs. 5 PV) ist bei einem geltend gemachten Regress von insgesamt 14.461,05 € bei weitem überschritten.

 

28 Den Anträgen der Klägerin vom 10.12.2013 und 29.08.2014 ist auch im Hinblick auf die dortigen Ausführungen hinreichend deutlich zu entnehmen, dass eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Einzelfall und nicht die Prüfung auf Feststellung eines sonstigen Schadens beantragt wurde. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG, Urteil vom 13.05.2015 – B 6 KA 18/14 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 51 RdNr. 24). Dabei hat die Klägerin zu Recht die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise der Beigeladenen Ziff. 4 und nicht persönlich die des verordneten Prof. Dr. G. beantragt. Denn nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ist Prof. Dr. G. kein ermächtigter Krankenhausarzt im Sinne von § 116 SGB V. Vielmehr handelte er für die Klinikambulanz der Beigeladenen Ziff. 4, was sich schon daraus ergibt, dass sämtliche von ihm ausgestellten Verordnungen die Betriebsstättennummer der Beigeladenen Ziff. 4 tragen.

 

29 Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 4 steht das Apothekenwahlrecht der Versicherten nach § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V der Festsetzung eines Arzneikostenregresses im vorliegenden Fall nicht entgegen. Hierbei weist das Gericht vorab darauf hin, dass im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten allein die Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf den Bezugsweg streitig ist. Dass das Arzneimittel Remodulin das für die Versicherte H. aufgrund ihrer Erkrankung indizierte Medikament ist, ist zwischen Beteiligten unstreitig.

 

30 Nach § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifenkönnen die Versicherten für die Versorgung nach unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung hat, frei wählen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung hat, frei wählen (§ 31 Abs. 1 S. 5 SGB V; sog. Apothekenwahlrecht). Nach § 129a SGB V vereinbaren die Krankenkassen oder ihre Verbände mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises (Satz 1). Die nach § 300 Abs. 3 SGB V getroffenen Regelungen sind Teil der Vereinbarungen nach § 129a S. 1 SGB V (Satz 2). Eine Krankenhausapotheke darf verordnete Arzneimittel zu Lasten von Krankenkassen nur abgeben, wenn für sie eine Vereinbarung nach § 129a SGB V Satz 1 besteht (Satz 3). Die Regelungen des § 129 Abs. 5c S. 8 und 12 (bis 12.05.2017: S. 4 bis 5) SGB V gelten für Vereinbarungen nach Satz 1 entsprechend (Satz 4).

 

31 Mit der Einführung der Regelung des § 129a SGB V sollte Rechtsklarheit über die Verpflichtung von Krankenhausapotheken für die Fälle geschaffen werden, in denen diese nach dem Apothekengesetz zur Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte in der ambulanten Versorgung berechtigt sind (vgl. BT-Drucks 15/1525, S. 122 zu Nr. 93). In der Gesetzesbegründung (a.a.O.) heißt es hierzu, dass die entsprechenden Preise sowie die Einzelheiten der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen vertraglich zu vereinbaren sind, da für die Krankenhausapotheken die Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz nicht gelten. Solange eine entsprechende Vereinbarung nicht vorliegt, ist das Krankenhaus nicht befugt, Arzneimittel auf Kassenrezept abzugeben. Eine entsprechende Vereinbarung nach § 129a SGB V hat die Beigeladene Ziff. 4, vertreten durch das Universitätsklinikum H., mit den Ersatzkassen, der BKK-IKK Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg und der Knappschaft-Regionaldirektion München am 22.12.2010 abgeschlossen. Die Vereinbarung enthält entsprechend den Vorgaben in § 129a SGB V nähere Regelungen über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke in Ambulanzen von Krankenhäusern und an ermächtigte Krankenhausärzte sowie an Patienten (vgl. § 1 Abs. 1 AM-Vereinbarung). In § 3 Abs. 2 AM-Vereinbarung verpflichtet sich das Krankenhaus zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten (Bezugnahme auf §§ 12 und 70 SGB V), die durch die Krankhausapotheke versorgt werden. § 3 S. 3 AM-Vereinbarung regelt, dass das Recht des Versicherten auf freie Apothekenwahl unberührt bleibt. Aufgrund der am 22.12.2010 abgeschlossenen AM-Vereinbarung darf die Krankenhausapotheke gemäß § 14 Abs. 7 S. 2 ApoG Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen der Beigeladenen Ziff. 4 und an ermächtigte Krankenhausärzte sowie an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus abgeben (vgl. § 1 Abs. 1 AM-Vereinbarung i.V.m. § 14 Abs. 7 S. 2 ApoG).

 

32 Für die Arzneimittelversorgung gelten im Krankhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe. Deshalb bedarf es auch bei der Abgabe des Arzneimittels durch das Krankenhaus im Rahmen einer ambulanten Behandlung einer ärztlichen Verordnung. Sie dokumentiert, dass das Medikament als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V) auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben wird (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.01.2018 – L 11 KR 3798/16 = juris RdNr. 41 m.w.N.). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Die Verordnungen, die durch Prof. Dr. G. in den hier streitigen Quartalen für die Versicherte H. ausgestellt wurden, erfüllen die genannten Voraussetzungen und sie enthalten auch alle nach § 4 Abs. 2 AM-Vereinbarung erforderlichen Angaben. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

 

33 Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen Ziff. 4 genießt das Versichertenwahlrecht im Hinblick auf die freie Wahl der Apotheke gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot regelmäßig nur bei berechtigten Interessen und/oder gegen Tragung der Mehrkosten Vorrang (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 25.11.2015 – B 3 KR 16/15 R = SozR 4-2500 § 129 Nr. 11 RdNr. 26: „Insoweit wird nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern regelmäßig dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Vorrang vor dem versicherten Wahlrecht eingeräumt.“ und RdNr. 28: „Entgegen der Auffassung des SG gilt die für weite Bereiche des Leistungsrechts geregelte Wahlfreiheit der Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern prinzipiell nicht uneingeschränkt. […] und gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot genießt das versicherten Wahlrecht regelmäßig nur bei berechtigten Interessen und/oder gegen Tragung der Mehrkosten Vorrang.“). Solche berechtigten Interessen, die die Beigeladene Ziff. 4 von ihrer Hinweispflicht (im Hinblick auf einen rechtlich zulässigen und wirtschaftlicheren Bezugsweg) suspendieren könnten (hierzu weiter unten), sind im vorliegenden Einzelfall nicht zu erkennen. Dabei weist das Gericht darauf hin, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V das Apothekenwahlrecht der Versicherten im Hinblick auf die Versorgung mit Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke überhaupt keine Anwendung findet. Denn nach § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V gilt das Apothekenwahlrecht nur für solche Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung hat. Nur zwischen solchen Apotheken kann der Versicherte frei wählen, von welcher Apotheke er sich versorgen lassen möchte. Apotheken im Sinne von § 129 Abs. 2 SGB V sind jedoch nur so genannte öffentliche Apotheken (Offizinapotheken), nicht aber Krankenhausapotheken (vgl. nur Knittel, in: Krauskopf, Kommentar zur sozialen Krankenversicherung und Pflegeversicherung, § 129 RdNr. 3 a.E.). Hierfür spricht auch, dass Krankenhausapotheken nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 7 S. 2 ff. ApoG apothekenrechtlich Arzneimittel abgeben können. Die Vorschrift wird als eine Schutzvorschrift zugunsten der öffentlichen Apotheken, da eine grundsätzliche Öffnung der Krankenhausapotheken zu einem ungleichen Wettbewerb führen würde, weil sie nicht den Preisbindungsvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen und auf eine günstigere Kostenstruktur zurückgreifen können (Axer, in Becker/Kingreen, Kommentar zum SGB V, 6. Aufl. 2018, § 129a RdNr. 2; Knittel, a.a.O., § 129a RdNr.3; vgl. auch Murawski, in: LPK-SGB V, 5. Aufl. 2016, § 129a RdNr. 2; Dettling, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2018, § 129a RdNr. 2; a.A. von Dewitz, in: BeckOK, § 129a SGB V, § 129a RdNr. 3, Stand 12/2018: „Die Regelung ist aufgrund der gem. § 78 Abs. 1 S. 1 AMG iVm § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV fehlenden Geltung der AMPreisV für derartige Abgaben notwendig, um eine wirtschaftliche Arzneimittelverordnung (§ 12 Abs. 1) auch im Bereich der ambulanten Krankenhausversorgung zu gewährleisten.“). An diesem Ergebnis ändert auch § 3 Abs. 3 S. 3 AM-Vereinbarung nichts. Denn nach dieser Vereinbarung bleibt das Apothekenwahlrecht nach Ansicht der Vertragspartner nur „unberührt“. Wenn das Apothekenwahlrecht aber – wie dargelegt – überhaupt nicht greift, geht die Regelung in § 3 Abs. 3 S. 3 AM-Vereinbarung ins Leere.

 

34 Die Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke im Rahmen einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus bedarf einer ärztlichen Verordnung (vgl. § 4 Abs. 1 und 2 AM-Vereinbarung; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.1.2018 – L 11 KR 3798/16 = juris; unter Verweis auf BSG vom 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R = SozR 4–2500 § 31 Nr. 28), da für die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus keine anderen Maßstäbe gelten, als in der vertragsärztlichen Versorgung (Hess, in: Kasseler Kommentar, § 129a RdNr. 2, Stand 12/2018). Das BSG hat bereits entschieden, dass die aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleitende Verpflichtung der Leistungserbringer, bei gleich wirksamen Therapieansätzen den kostengünstigeren zu wählen, auch die Entscheidung für einen von mehreren rechtlich zulässigen Bezugswegen für Arzneimittel erfasst (Urteil vom 13.05.2015 – B 6 KA 18/14 R, a.a.O.). Dem schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an. Ein Arzt hat daher das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht allein in Bezug auf die Auswahl des Arzneimittels zu beachten, sondern auch dann, wenn es verschiedene Bezugswege gibt. So bestimmt § 12 Abs. 1 S. 2 SGB V, dass Leistungserbringer Leistungen, die unwirtschaftlich sind, nicht „bewirken“ dürfen. Aus welchem Grund „die Leistung“ unwirtschaftlich ist, spielt dabei keine Rolle. Es gilt der Grundsatz, dass dann, wenn „Leistungen“ als gleichwertig anzusehen sind, weil sie voraussichtlich mit gleicher Wahrscheinlichkeit den gleichen Behandlungserfolg bringen werden, die kostengünstigere zu wählen ist. Eine „Gleichwertigkeit“ liegt erst recht dann vor, wenn es sich um das identische Arzneimittel handelt und lediglich der Bezugsweg ein anderer ist (BSG, a.a.O., RdNr. 40).

 

35 Soweit der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 4 der Auffassung sind, dass dieses Urteil im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da der dortige Fall die Verordnung von Gerinnungsfaktorenzubereitungen betroffen habe, geht diese Auffassung ins Leere. Denn unabhängig von dem konkret verordneten Arzneimittel hat das BSG ausgeführt, dass die Entscheidung für einen von mehreren rechtlich zulässigen Bezugswegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegt (BSG, a.a.O., RdNr. 35 ff., 39 ff.). Wenn unterschiedliche Bezugsmöglichkeiten für ein und dasselbe Medikament bestehen und der eine Bezugsweg erheblich niedrigere Kosten verursacht als der andere, ist der Vertragsarzt entsprechend dem Minimalprinzip verpflichtet, den kostengünstigeren Bezugsweg zu wählen (BSG, a.a.O.). Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass die Beigeladene Ziff. 4 bei der ambulanten Behandlung (Infusion des Arzneimittels Remodulin in der Institutsambulanz der Beigeladenen Ziff. 4) der bei der Klägerin versicherten H. verpflichtet gewesen wäre, ihr das Arzneimittel Remodulin über die Krankenhausapotheke anzubieten. Zwar kann die Beigeladene Ziff. 4 die Versicherte im Rahmen der ambulanten Behandlung nicht verpflichten, dieses Angebot auch wahrzunehmen. Allerdings war sie im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, der Versicherten diesen rechtlich zulässigen und damit möglichen Bezugsweg aufzuzeigen (vgl. allgemein zu Hinweispflichten der Krankenhäuser im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Durchführung der Behandlung BSG, Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 29/16 R = SozR 4-2500 § 109 Nr. 61 RdNr. 27).

 

36 Die Unterlassung dieses Hinweises durch die Beigeladene Ziff. 4 stellt ein unwirtschaftliches Verhalten im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V dar. Nach den von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen bestanden erhebliche Preisdifferenzen (im Hinblick auf den Preis der Krankenhausapotheke und den Preis der D.-Apotheke in H.) für das der Versicherten H. in den streitigen Quartalen verordnete Arzneimittel Remodulin. Aus der Anlage zum Prüfantrag für die Quartale 2/2013 bis 3/2013 (Bl. 10 VA) folgt, dass sich die Preisdifferenzen zwischen 328,14 € und 897,18 € beliefen. Insgesamt ergab sich in den Quartalen 2/2013 bis 3/2013 eine Differenz von 5489,25 €; auf die bereits genannte Aufstellung der Klägerin wird zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen. Die Preisdifferenzen in den Quartalen 4/2013 bis 2/2014 beliefen sich auf insgesamt 8971,80 €; auch diesbezüglich wird auf die Aufstellung der Klägerin Bezug genommen (Bl. 151 VA). Hieraus wird ersichtlich, dass ein enormes Einsparpotenzial vorliegt, wenn die Arzneimittelversorgung entsprechend § 129a SGB V i.V.m. der AM-Vereinbarung durch die Krankenhausapotheke erfolgt. Dies führt zu einer konkreten Hinweispflicht der Leistungserbringer. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, bei dem die Versicherte H. nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Klägerin und dem Schreiben des Prof. Dr. G. vom 10.07.2014 die Befüllung der Pumpe stets im Rahmen einer ambulanten Behandlung bei der Beigeladenen Ziff. 4 vornehmen ließ. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Patientendokumentation für die Quartale 2/2013 bis 2/2014. In einem solchen Fall, bei dem die Befüllung der Pumpe in der Ambulanz der Beigeladenen Ziff. 4 vorgenommen wird, ist kein höherrangiges Versicherteninteresse an der Versorgung mit dem Arzneimittel Remodulin durch eine öffentliche Apotheke erkennbar, das dazu führen könnte, die Beigeladene Ziff. 4 vorab von ihrer Hinweispflicht zu suspendieren.

 

37 Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Bezugnahme des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 auf das Urteil des SG Marburg vom 10.09.2014 (S 6 KR 84/14) nicht zielführend ist, da dieses Urteil nicht rechtskräftig ist. Das Urteil wurde vom Hessischen Landessozialgericht aufgehoben und die Klage des dortigen Klägers abgewiesen (Urteil vom sechsten 20.01.2017 – L 8 KR 331/14 = juris). Auch der Hinweis der Beigeladenen Ziff. 4 auf eine etwaige Strafbarkeit nach § 299a StGB geht ins Leere. Denn § 14 Abs. 7 S. 2 ApoG ermächtigt die Leiter der Krankenhausapotheke Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten an ermächtigte Ambulanzen des Krankenhauses abzugeben. Dies wäre im Fall der Versicherten H. auch ein möglicher (und sogar wirtschaftlicherer) Bezugsweg gewesen. Aufgrund der ordnungsgemäßen Verordnung durch Prof. Dr. G. wäre entsprechend § 129a SGB V i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AM-Vereinbarung ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses entstanden (vgl. §§ 5, 6 AM-Vereinbarung).

 

38 All dies wird der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Bezirksprüfungsstelle vom 07.05.2015 zu berücksichtigen haben.

 

39 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach haben der Beklagte sowie die Beigeladene Ziff. 4 die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 159 S. 1 VwGO). Eine Übernahme der Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

 

40 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz.